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Allgemeinmedizin Wie unsere Psyche die Gesundheit beeinflusst

Jeder hat schon einmal erlebt, dass Gefühle körperliche Reaktionen auslösen: Uns schlägt etwas auf den Magen, wir bekommen bei Angst Herzrasen und feuchte Hände oder können aufgrund von Stress nicht schlafen. Dennoch ist vielen nicht bewusst, wie sehr Emotionen die Gesundheit beeinflussen. Allgemeinarzt Dr. Klaus Tiedemann erklärt das Zusammenspiel von Gefühlen und Krankheiten.

Stand: 03.08.2021 | Archiv

Oft heißt es, dass Ärzte Beschwerden auf die Psyche schieben, wenn sie nicht mehr weiterwissen. Es ist jedoch mittlerweile bewiesen, dass nicht alle körperlichen Beschwerden eine organische Ursache haben und unsere Psyche einen enormen Einfluss auf unsere Gesundheit hat. Man vermutet, dass die Hälfte der Patientinnen und Patienten in der allgemeinmedizinischen Praxis keine organische Ursache für ihre Beschwerden haben. Negative Emotionen wie Einsamkeit, Wut, Trauer, Stress oder Angst können diverse Krankheiten verursachen oder verschlimmern. Positive Gefühle wie Liebe, Freude, Hoffnung oder Dankbarkeit hingegen stärken unser Immunsystem, können Krankheiten verhindern und Heilungsprozesse beschleunigen.

Emotionen beeinflussen das Immunsystem

Das Immunsystem, die körpereigene Abwehr gegen Viren, Bakterien, Pilze oder Parasiten, steht in engem Zusammenhang mit der Psyche. Die Nervenzellen schütten Botenstoffe (Neuropeptide) aus, die die Immunzellen direkt beeinflussen.
Negative Emotionen, wie chronischer Stress, bringen das Immunsystem aus dem Gleichgewicht, was zu einer chronischen Entzündung führen kann. Dadurch wird nicht nur die Abwehr gegen eindringende Erreger schwächer, auch Wunden heilen schlechter und Autoimmunerkrankungen wie Rheuma, Neurodermitis oder Schuppenflechte verschlimmern sich. Sogar Impfungen schlagen schlechter an, da weniger Abwehrkörper gebildet werden.

Emotionaler Stress beeinflusst das vegetative Nervensystem

Das vegetative Nervensystem reguliert wichtige Körperfunktionen wie Atmung, Herzschlag, Verdauung und Stoffwechsel. Psychischer Stress kann unter anderem zu Störungen im Magen-Darm-System (Durchfall, Magenschmerzen, Reizdarm, Magengeschwür) und zu Herz-Kreislauf-Beschwerden (Bluthochdruck, Herzrasen und Herzrhythmusstörungen) führen. Zudem kann der psychische Zustand des Patienten Diabetes sowohl positiv, als auch negativ beeinflussen.

Broken-Heart-Syndrom

Der Ausspruch "Das bricht mir das Herz" beruht auf medizinischen Tatsachen. Große emotionale Belastungen, wie beispielsweise der Tod des Partners, können das Broken-Heart-Syndrom (Gebrochenes-Herz-Syndrom) verursachen. Die Symptome sind ähnlich denen eines Herzinfarktes: Atemnot, Engegefühl in der Brust, Schweißausbrüche, Übelkeit und Erbrechen sowie Abfall des Blutdrucks und Herzrasen. Als Komplikationen können starke Herzrhythmusstörungen auftreten sowie der Blutdruck so stark abfallen, dass der Körper nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird. Beides kann tödlich enden.

Die emotionale Haltung beeinflusst die Wirkung von Medikamenten und Therapien

Glaubt ein Patient an die Wirkung eines bestimmten Medikaments oder einer Therapie, hilft diese in der Regel besser. Umgekehrt helfen Behandlungen meist schlechter, wenn der Patient die Wirksamkeit anzweifelt.

Studien haben gezeigt, dass durch die positive Erwartung beispielsweise Schmerzmittel doppelt so stark wirken. Das liegt daran, dass der Körper seine Selbstheilungskräfte aktiviert, wenn er einer Behandlung gegenüber positiv eingestellt ist. Das funktioniert auch mit "Scheinmedikamenten", die keinen Wirkstoff enthalten. Glauben Schmerzpatienten, dass sie Morphin bekommen, ist ein Drittel von ihnen beschwerdefrei. Man spricht hier vom sogenannten Placebo-Effekt.

Psychische Belastung kann das Sehvermögen beeinflussen

Durch emotionale Belastung kann sich der Augeninnendruck verändern, was zu grünem Star (Glaukom) führen kann.

Negative Gefühle können auch die Sehschärfe beeinflussen, da sich die Ziliarmuskeln durch starke Anspannung verkrampfen können. Die Folge: Das Auge bleibt, wie bei einer Kurzsichtigkeit, auf die Nähe eingestellt.

Starke psychische Belastungen können zudem in seltenen Fällen zu (vorübergehender) Blindheit führen, ohne dass es dafür organische Ursachen gibt. Man geht davon aus, dass die Augen zwar normal sehen, das Gehirn die Bilder aber nicht verarbeitet.

Behandlungsmöglichkeiten bei psychosomatischen Krankheiten

Bei Beschwerden, die auf psychische Belastung zurückzuführen sind, kann eine Psychotherapie und/oder Selbsthilfegruppe helfen.

Sie können aber auch selbst einiges für Ihre psychische Gesundheit tun, indem Sie Entspannungstechniken wie Autogenes Training, Yoga, Qi Gong oder progressive Muskelentspannung erlernen.

Bleiben Sie gesund! Ihr Dr. Klaus Tiedemann und "Wir in Bayern"


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