BR Fernsehen - Sehen statt Hören


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Hospizhelfer Begleitung in der letzten Lebensphase

Über den Tod und das Sterben zu reden, fällt vielen nicht leicht. Der Tod ist in unserer Gesellschaft immer noch ein Tabu-Thema. Aber woran liegt das? Hospizhelfer geben dem Tod die Menschlichkeit zurück.

Von: Anne Gallert (Film), Claudia Erl (Online)

Stand: 19.04.2023

Die Gedanken an den Tod verschiebt man gerne auf später. Sterben, das hat für die meisten erst einmal nichts mit dem eigenen Leben zu tun. Doch irgendwann holt einen das Thema ein: Wenn die Großeltern sterben. Oder die Eltern. Dorothe Münz pflegt ihre 92-jährige demente Mutter. Als sie die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs bekommt, wird klar, dass Dorothes Mutter nicht mehr lange lebt. Höchstens noch ein Jahr, heißt es. Kurze Zeit später verstirbt die Mutter – ein Schock für Dorothe:

"Obwohl ich wusste, dass sie bald nicht mehr am Leben sein würde, konnte ich es einfach nicht glauben, ihren Tod einfach nicht begreifen. Ich hatte mich lange auf diesen Abschied einstellen können, war vorbereitet darauf, wusste, dass sie eines Tages nicht mehr am Leben sein würde und dennoch war ihr Sterben für mich ein Schock. Es hat mich mehr mitgenommen als erwartet."

Dorothe Münz

Betroffenheit als Auslöser

Zu dieser Zeit macht Dorothe Münz bereits seit über einem halben Jahr in München eine Ausbildung zur ehrenamtlichen Hospizbegleiterin. Das Thema Sterbebegleitung beschäftigt sie schon länger – auch aus einer persönlichen Erfahrung heraus: Ihr ebenfalls gehörloser Bruder ist vor etwa neun Jahren verstorben. Ganz plötzlich kam er ins Krankenhaus und sehr schnell in die palliative Versorgung. Damals wusste aus der Familie keiner, was das bedeutet.

"Meine Schwägerin hatte es damals sehr schwer: Niemand hat ihr wirklich weitergeholfen, kein Arzt konnte ihr erklären, was eigentlich los war. Es war kein Dolmetscher da. Hospizbegleitung war damals noch völlig unbekannt, anders als jetzt. Wir haben uns ziemlich hilflos gefühlt."

Dorothe Münz

Andere Bedürfnisse

Die Bedürfnisse Gehörloser sind in der Phase des Sterbens anders als die von Hörenden: Musik oder Gesprächen können sie nicht lauschen. Es zählt die körperliche Nähe, der Halt, die Berührung. Das unmittelbare Gefühl, dass immer jemand anwesend ist – am besten jemand, der mit dem Gehörlosen auch kommunizieren kann.

Palliativstation - ohne Zwang und Verbote

Sehen statt Hören-Moderatorin Anke Klingemann auf der Palliativstation

Doris Ehrenreich, ehrenamtliche Hospizbegleiterin, nimmt Moderatorin Anke Klingemann mit auf die Palliativstation in Würzburg. Hier werden Gehörlose schon vorbildlich beim Sterben begleitet.

Nähe und Berührung ohne Zwang, Handmassagen mit duftenden Ölen und Zuspruch. Auch letzte Wünsche sollen erfüllt werden. So gibt es hier auch ein Raucherzimmer – denn jeder soll seine letzten Tage so verbringen, wie er es mag. Ohne Verbote. Wie zuhause.

Gehörlose Hospizbegleiter

Sechs gehörlose Hospizbegleiter gibt es in der Hospizgruppe Würzburg. Unterstützt werden sie von der Gehörlosenseelsorge der evangelischen und der katholischen Kirche.

"Wichtig ist, dass die Hospizbegleiter selber gehörlos sind und wir Hörende nur im Hintergrund und Unterstützung oder für Reflexion oder Ausbildung sind. Aber die Beziehung von sterbenden, kranken Gehörlosen ist viel größer mit anderen Gehörlosen als mit hörenden Seelsorgern. Ein Riesenunterschied. Und persönliche Beziehung ist wichtig."

Gudrun Heid, Hospizbeauftragte Diözese Würzburg

In München lernen Dorothe und die anderen angehenden Hospizbegleiter an einem Wochenende im Monat, Sterbende auf ihrem letzten Weg zu begleiten. Insgesamt neun Monate dauert die Ausbildung, die von Dolmetschern begleitet wird.

Vor rund 20 Jahren wurde die Hospizgruppe gegründet. Für ihre Arbeit erhielt sie 2016 den Bürgersozialpreis der Stadt Würzburg.


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