BR Fernsehen - Knabenchöre


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Macht Hoch die Tür – Bayerns Knabenchöre im Advent Der Tölzer Knabenchor

Von: Dr. Michael Zehetmair

Stand: 21.11.2016 | Archiv

Tölzer Knabenchor | Bild: picture-alliance/dpa

Lassts uns ein

Hedwig Haudum ist Teil einer, vielleicht kann man das ja so formulieren, „Künstlerfamilie“. Jedenfalls war Hedwig Haudum durch und durch musikalisch und ihr Enkelsohn Clemens Haudum (siehe Foto) ist es ebenso. Clemens Haudum bildet seit dem Jahr 2014 zusammen mit Christian Fliegner die künstlerische Leitung des Tölzer Knabenchors. Haudum ist aus Linz, hat Musik am Mozarteum in Salzburg studiert und als Lehrer in Salzburg und auf der anderen Seite der Grenze gleich, im bayerischen Freilassing, gearbeitet.

Viele Jahre seines Lebens hat er Kinder- und Jugendchöre betreut, Akkordeon und Klavier kann er ausgezeichnet, schon seit der Jugend spielt er auf der Orgel. Für den Tölzer Knabenchor hat er einige Arrangements gestaltet. Und die Großmutter Hedwig Haudum? Stammt aus dem Mühlviertel in Österreich, hat in ihren 70 Lebensjahren bis zu ihrem Tod im Jahr 1990 viele Lieder komponiert und auch getextet. Eines davon ist das Adventslied „Lassts uns ein“. Das singt der Tölzer Knabenchor zum Auftakt unserer 30minütigen Sendung. Unter Anleitung auch von Clemens Haudum. Wenn das die Großmutter wüsste!

Ich steh an deiner Krippen hier

„Ehre, wem Ehre gebührt“ heißt ja ein landläufiger Spruch. Auf die Entstehung des hier und heute sehr bekannten Adventsliedes „Ich steh an deiner Krippen hier“ trifft der Spruch nur bedingt zu. Denn obwohl er das Lied im Jahr 1734 getextet hat, kennt so gut wie keiner von uns heute mehr den evangelischen Theologen Paul Gerhardt aus der Stadt Gräfenhainichen in Sachsen-Anhalt. Ungerecht, während der Komponist Johann Sebastian Bach zwei Jahre später „nur“ eine Aria in C-Moll zu Gerhardts Text komponieren musste und jeder verbindet dann wohl das Lied bis heute mit dem wesentlichen bekannteren Bach. Vielleicht gerade deshalb wollen wir hier einmal explizit an Paul Gerhardt erinnern. Viele Kirchenlieder entstammen seiner Feder, unter anderem auch „Ich bin nur Gast auf Erden“. Sind wir das nicht alle? „Ich steh an deiner Krippen hier“ ist das zweite Lied, das der Tölzer Knabenchor in unserer Sendung singt.

Lauft, ihr Hirten allzugleich

So die normale Weihnachtskrippe, die eine Familie in Bayern jedes Jahr wieder auspackt, hat dann wohl so um die zwei, drei, höchstens vier Hirten. Und laufen können die sowieso nicht, stehen halt herum. Insofern ist der Liedtitel „Lauft, ihr Hirten allzugleich“ im ersten Impuls unverständlich. Es ist ein fröhliches, lebendig wogendes Lied, und vor dem geistigen Auge soll man sich halt vorstellen, dass die Hirten losrennen zur Krippe von Bethlehem, um ebendort das neugeborene Christuskind zu besuchen. Johann Michael Haydn ist übrigens der Schöpfer des Liedes. Bruder des noch berühmteren Komponisten Joseph Haydn, den die meisten von uns zumindest für „Die Schöpfung“ kennen sollten.

Deck the halls

Stechpalme: „Schmückt schon mal die Säle“

Bei der Fußball-Europameisterschaft in Frankreich haben ja vor allem zwei Außenseiter überrascht: Island und Wales. Wales – das ist ein gutes Stichwort für das vierte Adventslied, das der Tölzer Knabenchor in unserer Sendung singt: "Deck the halls". Frei übersetzt: „Schmückt schon mal die Säle“. Die Wohnzimmer wären das dann wohl für uns Privatleute, damit dann alles bereit ist für Weihnachten. Das Lied aus Wales gibt es übrigens in vielen Varianten, sogar von der Rockband „Red Hot Chili Peppers“. Die stammt aus Kalifornien, aber englisch sprechen und singen sie hier wie dort.

Es wird scho glei dumpa

Von Wales und „Deck the halls“ zurück nach Bayern und dem Lied „Es wird scho glei dumpa“. „Dumpa“ heißt „dunkel“, das schon mal vorweg, man hätte es vermutlich geahnt. Bayern stimmt ohnehin nicht ganz, das Lied wird zwar bei uns vom bayerischen Tölzer Knabenchor gesungen. Es stammt aber aus Österreich. Der Text ist vom katholischen Pfarrer Anton Reidinger aus Krenglbach, einem Dorf in Oberösterreich. Reidinger hatte ein fast schon bizarres Lebensende. Zwei Minuten nach Ende der Christmette im Jahr 1912 starb er plötzlich und auf einen Schlag. Der Komponist eines der bekanntesten Adventslieder im Alpenraum stirbt an einem 24. Dezember, glaubt man sowas?

Macht Hoch die Tür

„Macht Hoch die Tür“ – das mit Abstand bekannteste Adventslied, quasi der FC Bayern unter den Adventsliedern. Eingängige Melodie, schöner Text – vermutlich sind das die Gründe, warum jede und jeder von uns dieses Lied kennt. Man kann es sich ohne weitere Erklärung vorstellen. Erst macht man die Tür auf (hoch), dann die Tore weit. Und schwuppsdiwups ist schon wieder Weihnachten da. „Macht Hoch die Tür“ stammt übrigens aus Ostpreußen, ein Gebiet auf der Landkarte, das bis 1918 zu Deutschland gehörte, heute teils zu Polen, teils zu Russland. Einige bekannte Menschen stammen aus Ostpreußen, etwa der Journalist Wolf von Lojewski, der Gründer der deutschen Arbeiterbewegung (Vorgänger der SPD quasi) Ferdinand Lasalle oder auch Gräfin Marion Dönhoff, die langjährige Chefredakteurin der Wochenzeitung „Die Zeit“. Und eben das Adventslied „Macht Hoch die Tür“. Das übrigens von jedem der vier Knabenchöre (Tölzer Knabenchor, Augsburger Domsingknaben, Windsbacher Knabenchor, Regensburger Domspatzen) in unserer Sendereihe auf seine ganz eigene Weise interpretiert und intoniert wird. Das „Macht Hoch die Tür“ des Tölzer Knabenchors hat dessen künstlerischer Leiter Clemens Haudum neu für unsere Sendung bearbeitet. Vielen Dank dafür!


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