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Hexen, Heilige und ein wilder Wasserfall bei Boscastle Zauberhafte Wege in Cornwall

Manchmal ist es ja wie verhext: Man geht los, den Rucksack gepackt, und weiß, die nächsten 15 Kilometer werden anstrengend. Und dann kommt man ans Ziel und schaut erstaunt auf die Uhr – es ist später Nachmittag, die Füße sind müde, aber die Zeit ist wie im Flug vergangen. Ob an solchen Tagen alles mit rechten Dingen zugeht? Gerade in Cornwall darf man sich da nicht immer sicher sein.

Von: Andreas Pehl

Stand: 19.05.2023

Hexen, Heilige und ein wilder Wasserfall bei Boscastle | Bild: BR; Andreas Pehl

Es gibt hier in Cornwall viele Ley-Linien, also Heilige Linien, sagt Andy. Er arbeitet im Wellington Hotel in Boscastle und empfindet die ganze Gegend hier an der Nordküste von Cornwall als mystisch. Die unsichtbaren Kraftlinien sollen Boscastle mit dem berühmten Stonehenge verbinden. Dazu sind die Ruinen von Tintagel, der Burg, in der König Artus geboren wurde und wo der Zauberer Merlin lebte, sind in Sichtweite. Laut Andy gibt es viele Hexen in dieser Gegend, aber nur weiße, also gute Hexen.

St-Nectans-Wasserfall

Um Boscastle herum führt ein Rundwanderweg über saftig grüne Weiden mitten hinein in diese zauberhaft verhexte Landschaft. Über Tritte geht es durch saftige grüne Weiden dicht vorbei an Kuhherden und schließlich hinein in eine Klamm mit Wasserfall. Hier am St. Nectans-Wasserfall sollen die Schatten der Vergangenheit herumgeistern. Der heilige Nectan war vermutlich der Cousin von König Artus. Er ließ sich zusammen mit seinen beiden Schwestern hier nieder und König Artus kam zu ihm, um sich segnen zu lassen, bevor er sich mit seinen Rittern auf die Suche nach dem Heiligen Gral machte.

Gebetsfahnen am Baum…

Der Weg führt durch eine enge Schlucht. Die Klause des Heiligen Nectan und der gleichnamige Wasserfall sind hier verborgen. Der Trevillet-Bach stürzt über mehrere Stufen in die Tiefe und hat sich ein Felsentor gegraben. Dichter, feuchter Wald, Farne und Moose machen die Szene fast unwirklich. Gebetsfahnen und Votivgaben aller Art und aus allen religiösen Richtungen sind am Ufer aufgestellt. Wenn der Nebel aufsteigt, dann kann man die Tempelritter mit ihren Schwertern unten am Wasserfall sehen und das Scheppern der Rüstungen und die Pferdehufe hören – heißt es. Durch die Schlucht führt der Weg zur tief eingeschnittenen Mündung des Baches in den Atlantik – ein wunderbar entspannter Ort für eine Pause.

Auf dem Coast-Path geht es dann zurück nach Boscastle. Es ist einer der bezauberndsten Abschnitte des alten Steiges, der sich um die gesamte Küste Cornwalls zieht. Von den Steilklippen öffnet sich der Blick tief hinab in den tosenden Atlantik. Bizarre Felsformationen erinnern an Seeungeheuer und gefährliche Drachen. Wenn man hier nur wie eine Möwe fliegen könnte! Oder einen Besen hätte…

Das Zaubereimuseum in Boscastle

Hexerei und Zauberei sind mit der Geschichte Englands eng verwoben. So ist es also nur natürlich, dass es auch ein Museum dazu gibt, in dem die Menschen Einblicke in die Geschichte der englischen Zauberei bekommen. Simon Costin ist der Direktor des „Museum of Witchcraft and Magic“, des Museums für Zauberei und Magie. Mehrere tausend magische Objekte sind in dem alten Fischerhaus in Boscastle ausgestellt: menschliche Schädel, vertrocknete Katzen, Kristallkugeln und auch Hexenbesen. Doch die werden inzwischen kaum mehr eingesetzt, auch nicht für müde Wanderer. Der Besucherandrang aus der magischen Welt ist groß ist, sagt Simon Costin. Hunderte von Hexen kommen jährlich ins Museum, da sie aber keine Spitzhüte mehr tragen und eher im Volvo statt auf dem Besen anreisen, sind sie schwer zu erkennen.

Der Trevillet-Bach mündet in den Atlantik

Nach so viel Wandern und Magie brauche ich eine Pause im Museumsladen und gönne mir traditionelle Creamtea-Scones mit reichlich Clotted Cream in Doppel- bis Vierfachrahmstufe. Dann schaue ich nochmal bei Andy im Hotel vorbei. Unter seinen Gästen sind, soviel ich als Laie erkennen kann, nicht nur Zauberer und Hexen, sondern viele Genusswanderer, die sich am frischen Boscastle-Hummer laben. Einen Zaubertrank hat Andy an der Bar nicht im Angebot, doch einen starken Whiskey, und den brauche ich jetzt auch nach dem Besuch der magischen St. Nectans-Klamm und des unheimlichen Zauberei-Museums.


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