Religion & Orientierung


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Wurzeln in Westafrika Yorubismus – eine übersehene Weltreligion

Diese Religion hat mehr Anhänger als das Judentum und erstreckt sich über mehrere Kontinente. Die Rede ist von der westafrikanischen Religion Yorubá. Der Yoruba-Glaube wird heutzutage in weiten Teilen Westafrikas, der Karibik und Süd- und Zentralamerika praktiziert.

Von: Malcolm Ohanwe

Stand: 10.04.2018 | Archiv

Mit über 100 Millionen Praktizierenden gilt Yoruba als einer der größten Weltanschauungen unserer Zeit. Der Yorubismus hat seine Wurzeln in Westafrika – über den transatlantischen Sklavenhandel hat sich die Religion dann in der Karibik und in Lateinamerika verbreitet. Was viele Menschen heutzutage zum Beispiel als jamaikanischen "Voodoo" kennen und als Hexenwerk abtun, ist ein Ableger der Yoruba-Religion und eng verbunden mit den ursprünglichen westafrikanischen Bräuchen der Yoruba – so heißt auch die westafrikanische Volksgruppe von der der Glaube ursprünglich stammt.

Yorubismus: Gottheiten für Gesundheit, Geld und Liebe

Zusammengefasst, glauben die Yorùbá, dass alle Menschen ein bindendes Schicksal (genannt "Ayanmo") in sich tragen und letzten Endes irgendwann eins miteinander und mit der allmächtigen Kraft Olodumare werden. Da sie so mächtig ist, dass ein direkter Kontakt zu ihr gefährlich wäre. Deswegen kommunizieren die Menschen mit ihr untergestellten Gottheiten wie Shango, Yemaya oder Oshun. Die gelbe Süßwasser-Göttin Oshun zum Beispiel wird im Westen oft auch popkulturell, wie etwa von Beyoncé aufgegriffen, sie steht für Liebe. Oft wird sie als yorubisches Äquivalent zur römischen Venus oder zur christlichen Jungfrau Maria bezeichnet. Und Oshun ist nur eine von über 400 yorubischen Gottheiten, denn der Yorubismus ist eine polytheistische Religion. Die Priesterinnen und Priester – genannt Babalawo – teilen jedem Anhänger einen Orisha, eine Gottheit zu:

"Die Leute haben verschiedene Götter und kleine Figuren, die sie anbeten. Es gibt zum Beispiel einen Gott für Gesundheit, einen für Geld, einen für Reichtum, einen für die Liebe. So wie in der griechischen Mythologie ungefähr, da gibt’s ganz viele Götter."

Yeisen Medina, ehemaliger Yoruba-Anhänger

Yeisen Medina aus Berlin hat afrokubanische Wurzeln und zwei Jahre lang aktiv den Yoruba-Glauben praktiziert, da ihm der Katholizismus auf viele Fragen keine adequate Antwort liefen konnte und weil ihm die Art wie dort gebetet wird, zu formlos war:

"Ich bin getauft. In Kuba sind 99 Prozent getauft. Ich habe mich erstmal mit dem ganzen Katholischen auseinandergesezt, habe Ave Maria gelernt. Es war aber nicht wirklich Meins, weil jeder gebetet hatte, wie und wann er wollte. Ich bin aber so ein Typ, der einen Leitfaden braucht."

Yeisen Medina, ehemaliger Yoruba-Anhänger

Keine Missionare in der Yoruba-Religion

Der deutsch-nigerianische Musiker Adé Bantu hat sich auch gegen das Christentum und für den Yoruba-Glauben entschieden. Nicht aber weil der christliche Glaube keinen Leitfaden hätte – im Gegenteil, das Christentum hat für ihn zu viele Grenzen aufgezeigt, für zu viel Unheil gesorgt:

"Das Christentum hat uns nur viel Leid gebracht - Sklaverei und Rassismus. Das Christentum und der Islam haben Afrika als Kontinent ausgeraubt. Man hat im Namen von Allah und Jesus Christus viel Unheil angerichtet. In der Yoruba-Religion gab nie Kriege im Namen von Gottheiten, um Menschen zu konvertieren. Ich finde eine Religion, die in sich selbst ruht und Menschen dazu auffordet, ihr zu folgen, viel besser."

Musiker Adé Bantu

Der Yorubismus hat im Gegensatz zum Christentum keine Missionierungs-Geschichte. Trotzdem hatte der hispanisch-karibische Variante des Yoruba-Glaubens die "Santería" für Yeisen einiges an Tücken. Zum einen wollten einige Babalawo-Priester für ihre Arbeit viel Geld. Zum anderen hat Yeisen das Gefühl, der Glaube verlangte von ihm, in seine dunkle, sinistre Seite gehen zu müssen, in ein "dunkles Reich" wie er sagt, was ihm letzten Endes doch nicht zusprach.

Daher hat sich der Kubaner Yeisen nach einigen Jahren dazu entschieden, den Yoruba-Glauben wieder zu verlassen – auch wenn seine Familie und viele andere Afroberliner, wie er erzählt, weiterhin sehr stark an ihrem Yoruba-Glauben festhalten.

Der Yorubismus – für die einen schwarze Magie und Teufelswerk, für die anderen eine Quelle von Kraft und eine Verbindung zu den Vorfahren. Den Yoruba-Glauben genauso zu betrachten wie andere Weltreligionen – genau da liegt der Fehler für Adé. Die Religion erfüllt ihn, weil sie eigentlich keine Religion ist, sondern viel mehr:

"Es ist meine Spiritualität, ich will nicht Religion sagen. Religion ist organisiert, meine Spiritualität, die Yoruba-Spiritualität gibt mir sehr viel Kraft."

Musiker Adé Bantu


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