Religion & Orientierung


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Binnenflüchtlinge Nordnigeria: Christen fliehen vor Boko Haram

Flüchtlinge, die in Nigeria vor der Terrormiliz Boko Haram fliehen, haben meist nicht die Ressourcen, um es bis nach Europa zu schaffen. Unterschlupf finden sie aber dennoch – in einem Flüchtlingslager in der nigerianischen Hauptstadt Abuja.

Von: Malcolm Ohanwe

Stand: 11.04.2018 | Archiv

Der 18-jährige Binnenflüchtling Yakubu Stevens lebt in einem Camp für sogenannte "Internally Displaced Persons" – Personen, die innerhalb von Nigeria vertrieben wurden. 90 Prozent der vornehmlich jungen Menschen im Flüchtlingslager sind Opfer der Terror-Gruppe Boko Haram und mussten deswegen ihre Heimatorte verlassen. Yakubu erzählt, wie die Unruhen in seiner Heimatregion Borno begonnen haben:

"Am Anfang war es so, dass diejenigen, bei denen man am Namen erkannte, dass sie christlich sind, gejagt wurden. Danach haben sie angefangen, Kirchen zu verbrennen und christliche Lehrer anzugreifen. Sie haben sie gefangen und oft auch getötet. Sie haben die Leute abgeschossen, so wie ein Jäger im Wald Vieh erlegt."

Binnenflüchtling Yakubu Stevens

Christen in Nordost-Nigeria: Oftmals verschollen oder gekidnappt

Eindeutig als Christen zu erkennen, waren zugewanderte Igbos aus dem Süden des Landes. Die verließen das nordnigerianische Dorf als erstes, erzählt Yakubu. Danach wurden in Borno auch die einheimischen Christen, wie Yakubu selbst und seine Familie, Zielscheibe des Terrors. Yakubu und seine Verwandten haben es zwar lebend rausgeschafft. Viele Freunde und Nachbarn sind allerdings verschollen, wurden gekidnappt. Man habe keine Ahnung, ob sie noch leben, so Yakubu.

Ähnlich traumatisiert erzählt die Geflüchtete Precious. Das Mädchen ist 16 Jahre alt und hatte in einer christlichen Community in Nordnigeria gelebt, bis eines morgens ihre Kirche von Boko-Haram-Kämpern gestürmt wurde:

"Boko Haram hat unser Dorf überfallen und einfach angefangen zu schießen. Wir hatten gerade Gottesdienst. Wir haben die Schüsse gehört, sind direkt aus der Kirche gerannt und haben uns in den Büschen versteckt. Sie haben unsere ganzen Häuser und Geschäfte abgebrannt. Wir sind wochenlang gerannt und hatten nichts zu essen."

Binnenflüchtlinng Precious

Kopftuch für Christinnen als Tarnung

Precious trägt ein Kopftuch und auch Yakubu trägt einen arabisch-muslimische Namen. Viele Christen hier haben Mechanismen der Assimilierung entwickelt um sich vor Ausgrenzung zu schützen.

"Mein Name schützt mich in einer Gruppe von [radikalen] Muslimen, denn dann denken alle ich bin auch einer. Und wenn ich unter Christen bin, benutze ich meinen anderen Namen."

Binnenflüchtling Yakubu Stevens

Schon vor der Machtübernahme von Boko Haram machte ihnen die islamisch-geprägte Sharia-Gesetzgebung zu schaffen. In allen zwölf Bundestaaten Nordnigerias gilt die Sharia, die unter anderem außerehelichen Sex mit öffentlicher Steinigung bestraft, oder Dieben damit droht, dass ihre Hand amputiert wird.

Fast paradox scheint es nach diesen Horrergeschichten, dass die Flüchtlinge letztlich antworten, dass es genau die Religion, nämlich ihr christlicher Glaube ist, der ihnen am meisten Hoffnung gibt.

"Gott ist unser Herr, der uns hilft und schützt vor diesen bösen Menschen. Und trotz der toten Körper, die wir sehen mussten, an denen wir vorbei gehen mussten, wissen wir dass Gott uns beschützt, und Gott wird die Kontrolle über uns nehmen. ."

Binnenflüchtlinng Precious


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