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Zwölfuhrläuten Ettendorf in Oberbayern

Die Kirche in Ettendorf, ein spätgotischer Nagelfluhbau mit anmutigem barocken Zwiebelturm, steht inmitten breitkroniger Linden auf einem Wiesenhügel nördlich von Traunstein.

Von: Georg Impler

Stand: 28.03.2005 | Archiv

Dass der Platz am Steilabfall zur Traun vermutlich schon eine vorchristliche Kultstätte trug, darauf deuten die topographisch so herausgehobene Lage mit dem gewaltigen Fernblick auf die Chiemgauer Berge, das hohe Alter der Kirche, aber auch das Patrozinium hin: St. Vitus und St. Anna.

Schutzpatrone des Viehs

Diese beiden Heiligen galten im Chiemgau schon im ersten Jahrhundert, lange bevor die Heiligen Leonhard und Georg diese Stelle einnahmen, als Viehpatrone. Vielleicht hat man sie nach der Christianisierung an die Stelle alter germanischer Schutzgötter gesetzt. Auch dass nicht am Georgstag, dem 23. April, immer am Ostermontag, der Georgiritt abgehalten wird, werten Heimatforscher als Indiz dafür.

Farbenprächtiges Schauspiel

Tatsächlich liegt es nicht fern, dass diesem farbenprächtigen Schauspiel mit Hunderten von geschmückten Rössern, mit Rittern, Engeln, Fanfarenbläsern, Fahnenschwingern, Landsknechten, Trommlern, römischen Soldaten und dem Heiligen Georg in Schuppenpanzer ursprünglich ein heidnischer Kult zu Ehren der Frühlingsgöttin Ostara zu Grunde lag.

Uralter Kulturboden

Die mögliche Verbindung zu den beiden Heiligen zeigt, wie uralt der Kulturboden des Chiemgaus ist und mit welcher Klugheit das Christentum germanische Traditionen zu integrieren verstand. Wenn nun dieser Traunsteiner Osterritt nicht - wie zuweilen auch schon - durch Schneegestöber und Matsch, sondern über das erste Frühlingsgrün unter dem Klang der heute noch von Hand geläuteten Glocken zum Ettendorfer Gotteshaus hinaufzieht, dann bietet dieses glückliche Zusammentreffen von geographischer Lage, neu erwachter Natur, gläubigem Brauchtum und historischer Einzigartigkeit ein Bild, dass man nicht mehr vergisst.


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