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Cool Bavaria Weiß-Blaue Rock'n'Roll-Maschinen

Rockmusik muss laut sein. Ist sie nicht laut, ist es keine Rockmusik. Für den vollen Sound sorgen so genannte Amps, Amplifier oder deutsch: Verstärker. Ohne bayerische Instrumententechnik wäre die internationale Rockszene um manches Klangerlebnis ärmer.

Von: Stephan Lina

Stand: 19.01.2022 | Archiv

Es ist ein offenes Geheimnis, dass viele Rockstars aus den 1960er und -70er Jahren heute nahezu taub sind. Ein Grund sind die damaligen Röhrenverstärker. Denn richtig gut - sagen Gitarristen - klingen die Amps nur, wenn die Röhren in die Sättigung gefahren werden, also volle Leistung bringen. Zu Zeiten von Bands wie Deep Purple oder Led Zeppelin bedeutete das: Lautstärke auf Stufe 10 drehen, ohne Rücksicht auf Verluste und Gehör.

Heute aber bauen Fachleute Gitarrenverstärker, die den vollen Röhrenklang auch bei sozialverträglicher Lautstärke liefern. Bayerische Soundtüftler haben sich bei dieser Technik einen internationalen Ruf erworben. Zu den großen Marken in Bayern gehören die Firmen Engl aus Tittmoning und Diezel aus Bad Steben. Oft sind es aber auch Ein-Mann-Betriebe.

"So ein Verstärker besteht im Grunde zuerst einmal aus einem Chassis. Und das trägt die ganze Elektronik. Da sind Transformatoren drin. Der Netztrafo, der Ausgangsübertrager, das ist auch ein Transformator, der ist ganz wichtig für den Sound. Dann ist da eine Träger-Platine drin, wo ich Punkt-zu-Punkt-Verdrahtung mache. Und die werden dann mit Röhrensockeln verbunden, für Vor- und Endstufenröhren. Dann haben wir noch Buchsen drin. Und Potis haben wir noch, um den Sound einzustellen: Verzerrung, Klang, Laustärke."

Bernhard Schröter, Schröter Amplification in Kirchseeon

Adrian Socnik aus dem schwäbischen Öttingen beschäftigt sich seit seinem 14. Lebensjahr mit der Perfektionierung und Optimierung von Gitarrenamps. Heute ist er Mitte 60.

"Die Geheimnisse liegen in den Bauteilen, wofür ich sehr umfangreiche Tests gemacht habe. Auch die Verdrahtung spielt eine wesentliche Rolle. Man kann sagen: Wenn zwei Leute den selben Verstärker verdrahten - jeder hat seinen eigenen Stil - dann gibt es Unterschiede, die man hört. Grundsätzlich kann man sagen, dass es schon ein Unterschied ist, ob die Verstärker frei verdrahtet sind oder ob das einfach eine maschinell bestückte Leiterplatte ist."

Adrian Socnik, Messtechniker und Soundbastler

Finessen für den Heavy Metal Sound

Ein noch junger, aber in der Branche bekannter Name ist die "Rennsau Amplification" aus Holzkirchen in Oberbayern. Inhaber und einziger Mitarbeiter der Rock and Roll-Manufaktur ist Benjamin John. Sein Firmenlogo, die "Rennsau", ist einem Wildschwein nachempfunden und steht für individuelle Qualität.  

"Die Gitarre produziert einen Sound. Aber wie der Sound dann beim Hörer, beim Musiker ankommt, das bestimmt ganz maßgeblich der Verstärker. Deswegen fließt da auch immer ganz viel Kreativität mit ein. Viel Probieren, mit dem Kunden zusammen. Und irgendwann ist das Gerät fertig, wir spielen es zusammen ein. Und dann sagt der Musiker: Gefällt mir, perfekt. Oder es kommt auch vor, dass er sagt: Ist schon gut, aber könnten wir vielleicht an dem Rad noch etwas drehen? Hier ein bisserl nachkorrigieren? Und dann machen wir das eben."

Benjamin John, Rennsau Amplification, Holzkirchen

Thomann – Global Player auf dem Dorf

Wer sich in der Musikbranche auskennt, kennt auch das Musikhaus Thomann im oberfränkischen 200 Seelen-Ort Treppendorf. Der größte Musikalienhändler Europas hat 1954 auch als Ein-Mann-Betrieb begonnen. Heute beschäftigt das Familienunternehmen bis zu 1500 Mitarbeiter und hat vom einzelnen Instrument bis zur kompletten Licht- und Tonausstattung alles im Sortiment, was das Musikerherz begehrt. Dazu gehören auch Verstärker der Firmen Engl und Diezel, die Topmarken für Topstars. So spielt Steve Morse, der Gitarrist von Deep Purple, mit Engl-Amps aus Tittmoning. Als Mercedes unter den Verstärkern gelten Diezel-Modelle: Zuverlässig, teuer, robust und mit Leistungsreserven, wie sie nur Hardrockbands a la Metallica ausspielen. Sie klingen für trainierte Ohren extrem gut, verzeihen aber keine Fehler.

"Ein Diezel ist halt sehr ehrlich, schwieriger zu spielen, hat auch sehr viel Bass, und man hört wirklich alles. Was gut sein kann. Manchmal ist es aber auch schade."

Benjamin Seidel, Fachberater im Musikhaus Thomann


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