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Textilbranche in Deutschland Millionen Kleidungsstücke werden jedes Jahr vernichtet

In Deutschland wird weit mehr Kleidung angeboten als verkauft. In Folge landen die Textilien als Ramschware außerhalb der EU oder sie werden geschreddert und in Müllverbrennungsanlagen vernichtet. Die Politik kritisiert diese Zustände scharf, hat bisher aber keine effektiven Maßnahmen dagegen auf den Weg gebracht.

Von: René Gröger

Stand: 19.11.2019

Mode-Müll | Bild: picture alliance/Christina Horsten/dpa

Die Zahlen sind erschreckend: Eine Hochrechnung basierend auf Zahlen des Marktforschungsinstitits Euromonitor International hat ergeben, dass jedes Jahr 230 Millionen Textilien in Deutschland nicht verkauft werden. Die Kleidung landet im Schredder, in Müllverbrennungsanlagen oder wird als Billigware im Ausland verkauft. Insgesamt werden 2019 auf dem deutschen Modemarkt etwa 2,3 Milliarden Kleidungsstücke angeboten, von denen jeder Bundesbürger im Schnitt 60 Stück erwirbt.

Retourpakete Problem für Onlinehandel

Ein großer Faktor ist dabei der Onlinehandel: Fast jedes zweite Paket mit Kleidung oder Schuhen wird, laut einer Studie der Universität Bamberg, wieder zurückgeschickt. Oft wird die Ware aber nicht weiterverkauft, sondern nach der Retour unmittelbar entsorgt. 20 Millionen Artikel sind davon betroffen. Einer der Hauptgründe ist, dass die Ware nicht wiederaufbereitet werden kann, die Kleidung zum Beispiel beschmutzt oder defekt ist.

Kleidung vernichten statt spenden

Was also tun? Eine Möglichkeit wäre, die Textilien zu spenden werden anstatt sie zu vernichten. Dass das nicht passiert, liegt an finanziellen Nachteilen für die Unternehmen. Denn im Falle einer Spende wird die Umsatzsteuer fällig, die höhere Kosten verursacht als eine Entsorgung. Außerdem muss eine Spendenaktion organisiert werden, was bürokratischen und personellen Aufwand bedeutet.

Händler sollen stärker in die Pflicht genommen werden

Umweltministerin Schulze möchte eine Obhutspflicht für Händler einführen.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze von der SPD ist erschrocken angesichts dieser Situation und sieht darin eine "fatale Entwicklung". Sie fordert eine Nachhaltigkeitswende und arbeitet derzeit an einer Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Demnach soll Herstellern künftig eine Obhutspflicht gegenüber ihrer Ware auferlegt werden, damit weniger überschüssige Waren produziert werden. "Damit wollen wir die Händler unter anderem gesetzlich anhalten, ihre Warenbestellungen stärker am tatsächlichen Kundenbedarf auszurichten und große Überhänge zu vermeiden", sagt Ministerin Schulze im August bei der Vorstellung ihres Eckpunktepapiers.

Entwurf zur Umsetzung der Abfallrichtlinie

Im August 2019 hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit einen Entwurf zur Novellierung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) vorgestellt. Im Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie der Europäischen Union finden sich Regelungen, die zur Vermeidung von Abfall und einer Verstärkung des Recyclings dienen sollen. Darin enthalten ist auch eine Obhutspflicht für überschüssige Ware von Händlern. Die wichtigsten Eckpunkte zur Novelle des KrWG wurden in einem Hintergrundpapier zusammengefasst.

Entsorgung als letzte Option

Der Vorschlag zielt zwar auf alle Gebrauchsgegenstände ab, doch speziell den Umgang mit Textilien möchte sie so nicht mehr hinnehmen: "Neuwertige Hosen und Schuhe vernichten, weil gerade die Saison vorbei ist, oder teure Uhren zerstören, damit ihr Preis möglichst hoch bleibt - all diese Praktiken werden wir in Zukunft unterbinden." Erst wenn Verkauf, Spende oder ein anderer Gebrauch nicht mehr möglich oder wirtschaftlich zumutbar sind, soll die letzte Möglichkeit sein, etwas wegzuwerfen.

Opposition fordert strengere Regelung

Katrin Göring-Eckardt fordert strengere Regeln gegen die Vernichtung von zurückgeschickter Kleidung.

Der Grünen-Bundestagsfraktion geht die Novelle indes nicht weit genug. Dass dabei auf Freiwilligkeit der Hersteller gesetzt werde, sei der falsche Ansatz, sagte Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt und sprach von einer "Perversion der Wegwerfgesellschaft". In einem Drei-Punkte-Plan fordern die Grünen, die Vernichtung von Retouren-Sendungen gesetzlich verbieten zu lassen. Bis ein strengeres Kreislaufwirtschaftsgesetz in Kraft treten kann, wird es in jedem Fall noch dauern: Im Juli 2020 soll das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen sein. Ob damit weniger Textilien in deutschen Müllverbrennungsanlagen und Schreddern vernichtet werden als bisher, wird sich zeigen.


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