Bayern 2 - Zum Sonntag


4

Zum Sonntag Armut geht uns alle an, damit Armut kein Schicksal wird

Armut ist kein Schicksal! Das klingt merkwürdig, denn arm zu sein bedeutet eine große Not, die das Leben massiv beeinträchtigen und eine Person in ihren Möglichkeiten stark beschränken kann.

Von: Kardinal Reinhard Marx

Stand: 02.02.2024

Menschen, die von Armut betroffen sind, erleben das oft wie eine Art Übermacht, die einem Schicksal gleicht, und sie hilflos macht. Deshalb muss man sehr wohl sagen, dass Armut ein Schicksal ist. Aber eben nicht aus der Perspektive der Gesellschaft: Denn Armut ist nicht als gegeben hinzunehmen.

Es ist wichtig, den Menschen immer wieder Chancen zu eröffnen

Menschen in Armut brauchen finanzielle und materielle Hilfen, etwa in der Existenzsicherung oder beim Wohnraum. Doch damit ist es nicht getan: Es ist ebenso notwendig, den Menschen immer wieder Chancen zu eröffnen, damit sie Möglichkeiten der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben haben. Es geht um Teilhabe an Bildung, Kultur, sozialem Leben. Unser Wohlstand im Land beruht auch auf der festen Überzeugung, dass jeder Mensch wichtig, einmalig und unersetzlich ist für das gesellschaftliche Gefüge. Wir können und dürfen auf niemanden verzichten!

Menschen in Armut gegeneinander aufzuwiegen ist verwerflich

Im Übrigen ist deshalb auch jeder rechtspopulistische Versuch, verschiedene Situationen von Armut gegeneinander aufzuwiegen und damit letztlich Menschen gegeneinander aufzubringen, verwerflich. Wer die konkrete Not von Menschen ausnutzt, ihnen falsche Versprechungen macht, um Stimmung zu machen und Stimmen zu sammeln, demontiert damit Grundpfeiler unserer Gesellschaft. Dem setzen wir uns auch mit der Förderung von Teilhabechancen und mit konkreter Armutshilfe entgegen.

Sozialstaat soll verhindern, dass Armut zum unentrinnbaren Schicksal wird

Im Angesicht von Armut wird die Forderung nach Solidarität und Subsidiarität konkret. Dann zeigt sich, ob der soziale Zusammenhalt trägt. Wir leben in einem sozialen Staat mit einem umfassenden Hilfesystem, das immer dann greifen soll, wenn die Bürde für den einzelnen Menschen zu schwer ist. Damit soll ja vermieden werden, dass Armut zu einem unentrinnbaren Schicksal wird. Diese Idee des Sozialstaates bedeutet gerade keinen Fürsorgestaat. Vielmehr geht es um einen Sozialstaat, der konkret und nachhaltig Armut überwinden hilft, und so Menschen ermöglicht, ihr Leben in eigener Verantwortung zu leben. Es geht also darum, allen Menschen gleichermaßen ein Leben in Würde zu ermöglichen.

Allen Menschen ein Leben in Würde zu ermöglichen

Armut hat ein Gesicht! Ein ganz konkretes Antlitz. Und Armut hat verschiedene Ursachen, die zusammen zu einer Situation führen, die Menschen hilfsbedürftig macht, sie oft beschämt, marginalisiert und ausgrenzt. Menschen in Armut gehören aber mitten in unsere Gesellschaft, sie gehören genauso dazu wie jeder andere Mensch, der materiell oder finanziell wohlhabender ist. Ob wir es als Gesellschaft ernst meinen mit der Forderung nach der gleichen Würde aller Menschen, wird man daran erkennen, wie wir Menschen integrieren, die von Armut betroffen sind. Armut geht uns alle an, damit Armut kein Schicksal wird!

Wir lassen niemanden in Armut alleine

Unsere gemeinsame Überzeugung ist: Wir lassen niemanden in Armut allein! Wir lassen niemanden zurück! Keiner ist überflüssig! Dafür setzen wir uns als Kirche ein und das ist gut für alle in unserer Gesellschaft.


4