Bayern 2 - Zum Sonntag


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Zum Sonntag Heiliger Bimbam

Überall trifft "Zum Sonntag"-Autorin Beatrice von Weizsäcker auf wütende Menschen. Es gebe ja auch genügend Anlässe, wütend zu werden, meint sie. Und doch predigt gerade Jesus, der wütend Tische im Tempel abräumt, die Sanftmut. Auch ein Maßstab für uns?

Von: Michael Schrom

Stand: 19.01.2024

Krieg im Nahen Osten: der Antisemitismus bei uns wächst. Krieg gegen die Ukraine: die Geduld mit Geflüchteten nimmt ab. Wahlkampf in Deutschland. Die AfD, trotz brandgefährlicher Fantasien: im Aufwind. Die Bauern: außer sich. Blockieren Autobahnen und Städte. Die Lokführer streiken: Alles steht still. Viele sind wütend. Und die Politik schaut beinahe hilflos zu.

Wo man auch hinsieht: Das Vertrauen in die Demokratie schwindet. Die Stimmung ist aufgeladen. "Ich schaue keine Nachrichten mehr." – "Radio höre ich nur noch, wenn Musik kommt." – "Die Push-Meldungen auf dem Handy ignoriere ich." – "Ich werde noch verrückt." Das hört man immer öfter.

Wie sollen wir damit umgehen, mit so viel Wut und mit unserem Land?

Neulich las ich einen Artikel mit der Überschrift: "Sind Kirchenglocken Folterinstrumente?" Es ging um Gerichtsverfahren, um die Abwägung von Lärmschutz und Religionsfreiheit. Eine Leserin schrieb gereizt: "Ich stelle mir nur vor, jemand würde vor meinem Fenster täglich morgens ab 6.00 Uhr im Viertelstunden-Rhythmus die Auto-Hupe für kurze Zeit drücken. Den würde ich anzeigen und Recht bekommen."

Die Leserin hatte eine Nacht im Hotel in Dinkelsbühl verbracht und am Morgen die Glocken gehört. "Unfassbar", fand sie das. Als seien Kirchenglocken dazu da, Menschen wie sie zu ärgern. Und nicht, um uns zu berühren und daran zu erinnern, dass es mehr gibt als uns. Dass das Leben endlich ist. Und Gott Herr ist über Zeit und Ewigkeit.

Heiliger Bimbam!

Wut ist gut, sagt man. Sie muss heraus, damit man nicht daran erstickt. Es gibt auch wahrlich genügend Anlässe, wütend zu werden. Im Politischen, reichlich oft. Im Privaten, leider immer wieder. Und in der Kirche. Man denke nur an die Pseudo-Erlaubnis aus dem Vatikan, "irreguläre" Paare zu segnen. Dieser unwürdige Gnadenakt mit dem herablassenden Wort "irregulär". Darauf muss man erst einmal kommen im Zusammenhang mit Menschen, die sich lieben und Gottes Zuspruch suchen.

Dazu eine Segnung, die nicht länger als zehn bis 15 Sekunden dauern darf. Und nicht auf den Anlass hindeuten darf. Die außerhalb der Kirche erfolgen muss. Und zu der der Pfarrer nicht gratulieren darf. Was ist daran segensreich? An Gottes Segen ist doch alles gelegen. Und nicht am Segen der Kirche.

Heiliger Bimbam!

Wut hat viele Gesichter. Sie kann destruktiv sein, wenn sie zerstören will. Sie kann konstruktiv sein, wenn sie etwas verändern will. Wut kann feige sein. Sie kann mutig sein. Wut kann viele Ursachen haben. Trauer gehört dazu. Liebe auch. Verzweiflung. Enttäuschung. Das sind doch verständliche Gründe.

Nach der Bibel aber sind nicht die Wütende selig, sondern die Sanftmütigen. Die, die friedlich und freundlich sind. Sie werden das Land erben. So steht es in den Seligpreisungen, die Jesus in seiner Bergpredigt verkündete.

Wie bitte? Ausgerechnet er, der Gesetze gebrochen und zornig Tische umgeworfen hatte, predigt die Sanftmut? Doch was wie ein Widerspruch klingt, ist in Wahrheit keiner.

Mehrfach brach Jesus das Ruhegebot des Sabbat, um Kranke zu heilen, das stimmt. Aber er tat es sanftmütig. Sein Mut war ein sanfter, leiser Mut.

Balanceakt zwischen Wut und Sanftmut

Jesus schmiss die Tische der Geldwechsler und Händler um, er warf die Menschen aus dem Tempel, weil sie den Ort nicht heiligten. Auch das stimmt. Er hatte gute Gründe. Seine Wut war eine laute Wut. Doch am Ende wurde er sanft. Denn als Jesus erfahren hatte, dass die Empörten ihn umbringen wollten, ließ er sie stehen, ohne Groll, und ging.

Nun ist niemand von uns Jesus oder auch nur ihm ähnlich. Aber vielleicht können wir lernen zu unterscheiden zwischen der Wut, die Luft braucht, und der Sanftmut, die Jesus uns lehrt. Die Demut, die darin steckt. Und die Rücksicht. Mit dem Mut, der schon im Wort steckt. Damit wir das Land wiedergewinnen. Denn es ist unser Land.

Das ist kein heiliger Bimbam. Das muss uns heilig sein.


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