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Netflix-Doku In dieser Serie liegt man mit Robbie Williams im Bett – und kommt ihm doch nicht nah genug

Ängste, Drogen, Familienglück: In der vierteiligen Netflix-Doku über Robbie Williams lässt der Superstar uns ganz nah ran. Wir liegen sogar im Bett mit ihm. Die Machart ist so durchschaubar wie effektiv.

Von: Paula Lochte

Stand: 21.11.2023

Behind the scenes: "Robbie Williams": Robbie Williams sitzt mit einem Laptop auf dem Bett, neben ihm der Regisseur des Dokumentarfilms | Bild: Netflix

Normalerweise müssten alle Alarmglocken schrillen. Da ist dieser Rockstar. Ohne Hose. Im Bett. Und er lädt uns ein, uns dazuzulegen. Aber es geht hier nicht um Belästigung. Sondern um einen Kunstgriff, eine Pose, ein Angebot: Robbie Williams lässt uns ganz nah an sich ran. „Warum filmen wir im Bett?“, fragt der Regisseur, wohl selbst überrascht. Und Williams antwortet: „Wenn ich nicht auf der Bühne stehe, bin ich hier.“

Robbie Williams liegt also überwiegend im Bett bei den Interviews für die vierteiligen Doku, die seinen Namen trägt, und die gerade bei Netflix erschienen ist. Mit verwuschelten Haaren und mit Laptop auf dem Schoß. Wie wir. Mit dem Unterschied, dass er keine Serie schaut. Der 49-Jährige blickt zurück auf sein eigenes Leben. Oder wie er sagt: Er wühlt sich durch die Trümmer seiner Vergangenheit.

Die Trümmer der Vergangenheit

Die Doku beginnt dabei mit einem Versprechen: „Robbie Williams wurde über drei Jahrzehnte lang hinter den Kulissen gefilmt“, wird in Großbuchstaben auf schwarzem Grund eingeblendet. Und weiter: „Es gibt Tausende Stunden Material, das er noch nie gesehen hat.“ Kunstpause. „Bis jetzt.“

Die Zeitreise

Robbie Williams verlässt Take That 1995

Los geht die Zeitreise. Da ist ein winziger Robbie. 16 Jahre alt, gerade die Schule abgebrochen und schon berühmt. Da ist die Skandalnudel, die 1995 Take That verlässt. Da ist der – wie er es sieht, „Underdog“ – der es aber allen zeigt und als Solokünstler durchstartet. Und da ist der Superstar, der auf dem Höhepunkt seiner Karriere Mitte der Nullerjahre fast zerbricht.

Robbie Williams schaut sich das alles vom Bett aus an. Kommentiert kritisch, auch sich selbst. Manchmal schmunzelt er, manchmal wirkt er gequält und gräbt seine Fingernägel in den Arm. Manchmal spaziert eine seiner Töchter ins Zimmer. Kuschelt sich dazu und fragt, was er da macht – oder ob sie was Süßes essen darf.

Der nahbare Star

Kleine Kinder, die etwas wollen, wenn man eigentlich gerade arbeitet. Große Emotionen, die über Robbie Williams Gesicht flackern, wenn er sich die alten Aufnahmen zum angeblich ersten Mal anschaut. Die Machart der Doku ist so durchschaubar wie effektiv: Der unnahbare Star kommt einem tatsächlich immer näher.

Und so schnürt es auch einem selbst die Kehle zu, als er zum „wahrscheinlich traumatischsten Moment seines Lebens“ kommt. So nennt er ihn gegenüber seiner Tochter. Die muss jetzt aber raus, sie soll sich das, genau wie all die Drogenabstürze, erst ansehen, wenn sie älter ist.

Panikattacken und Drogenabstürze

Es ist das Jahr 2006 im nordenglischen Leeds. Robbie Williams ist erschöpft. Aber er muss abliefern: Er soll gleich vor 90.000 Menschen performen. Und nicht nur das Publikum verlässt sich drauf. Auch das Label. Die Crew. All die Menschen, die finanziell davon abhängen, dass diese Show nicht ausfällt. Robbie Williams steigt also auf die Bühne. Seine Augen sind weit aufgerissenen. Zucken hin und her. Das ganze Gesicht glänzt vor Schweiß. Williams hat das Gefühl, in einem dieser Alpträume zu stecken: Wo du nackt auf der Bühne stehst. Und den Text vergessen hast: “Ich hatte eine Panikattacke, die das Konzert über anhielt. Ich hätte schwören können, dass 90.000 Menschen meine Gedanken lesen konnten.”

Es gibt noch weitere Momente in dieser Doku, die einem das Gefühl geben: Zum Glück bin ich nicht Rockstar geworden! Zum Glück lasse ich mir nicht von einem dubiosen Münchner Arzt vor dem Auftritt Speed spritzen. Und werde nicht von der gnadenlosen britischen Yellow Press verfolgt.

Getarnter Image-Film

Die vierteilige Doku "Robbie Williams" ist bei Netflix zu sehen

Aber: Zur Wahrheit gehört auch, dass es sich hier eigentlich um gar keine Doku handelt. Denn natürlich zeigt uns darin Robbie Williams nur das, was er uns zeigen will. Zu Wort kommen nur er und seine Frau, wenn man von alten Interviews mit Weggefährten mal absieht. Und auch in einem weiteren Punkt gleicht der Mehrteiler den mittlerweile zahllosen anderen als „Dokus“ getarnten Image-Filmen, von „Harry & Meghan“ über Pamela Anderson bis Paris Hilton. Am Ende geht es immer um die Liebe: Robbie ist nun Vater, hat vier Kinder, eine liebende Ehefrau. Das ist das Fundament, das ihm jahrzehntelang gefehlt hat. Und auf dem er nun sicher steht, so das Resümee des Films. Ganz schön konventionell für einen, der mal auszog, mit den Erwartungen zu brechen. Oder zumindest seinen nackten Arsch in jede Kamera zu halten. Andererseits kann man so nach der letzten Folge halb gelangweilt, halb warm ums Herz ausschalten. Und zurück in sein eigenes Bett schlüpfen.

Die Doku "Robbie Williams" ist bei Netflix zu sehen. Hier geht's zum Trailer.