Bayern 2 - Zeit für Bayern


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Aus den bayerischen Regionen Öffnen - Bayern genießen im April

Im April geht’s ums Aufmachen, ums Öffnen. Und das hat selbstverständlich seinen Grund: Lateinisch aperire, aprire heißt öffnen. Daher auch der April, der ja nix andres ist als der Aufmacher, der Öffner, der die Schneedecken von den Burgen lupft und die Knospen von Blättern und Blüten entfaltet.

Von: Gerald Huber

Stand: 06.04.2018 | Archiv

Redaktion und Regie: Gerald Huber

Aprilschnee am Arber

Frühjahrsschnee am Arber

Dass es am Arber Schnee geben kann bis Juni ist nix Neues. Und mit Sicherheit liegt‘s daran, dass der Waidler sich viel intensiver als ein Flachlandler auf den Frühling und die ersten Blüten freut, darauf, dass es endlich wieder aufgeht, es aper, also offen wird. Zumal in einem Jahr wie dem Heurigen, in dem an Ostern mancherorts die Schneedecke noch zwei Meter dick war. Da ist man den ständigen Wechsel zwischen auf und zu, offen und geschlossen gewöhnt…

Die Wörter offen und auf gehen auf die gleiche uralte indoeuropäische Wortwurzel upo zurück; und die wiederum auf eine noch wesentlich ältere sogenannte Lautgebärde. Die dürfte so alt sein wie die Menschheit: Ubb. Und die steht für eine schnelle, kräftige Bewegung – vor allem eine Bewegung von unten nach oben: Ubb. Ganz deutlich zu sehen ist das noch im englischen up. Auf verstehen wir heute in zweifacher Weise – einmal als Ortsbestimmung – etwas liegt auf etwas anderem – oder als Bestimmung der Richtung im Sinn von hinauf.Dann aber auch im Sinn von aufmachen, öffnen. Ursprünglich war das alles eins. Und das wird in unserem nächsten Beitrag besonders deutlich.

Hopfenspargel – Teure Delikatesse aus der Hallertau

Wenn ein Pflanzenstock, der den Winter über im Boden geschlafen hat, wieder austreibt, dann öffnen seine Triebe die Erde von unten nach oben, bevor sie sich dann auffalten, entfalten können. Nun gut, die Triebe des Spargels beispielsweise erleben diese Entfaltung nicht – sie werden vorher gestochen. Deswegen wissen nur wenige Spargelliebhaber, wie eine Spargelpflanze eigentlich aussieht. Beim Hopfen ist das anders. Trotzdem bleiben bei dem nur drei Triebe pro Stock über, die anderen Triebe, die aufgehen, müssen vorher, ganz ähnlich wie der Spargel, gestochen werden. Dabei handelt es sich sogar um eine ausgesprochene Delikatesse: Den Hopfenspargel

Upp. Diese Lautgebärde, die die ganze Anstrengung ausdrückt, etwas aufzuheben, nach oben zu wuchten – uupphh – diese Lautgebärde und ihre mindestens 8000 Jahre alte indoeuropäische Tochter apo stecken in unzähligen Wörtern. Wie gesagt in offen, öffnen und auf. Aber auch in oben und über, im Hupfen, Hopsen und Hoppeln, im Hoppala und – noch deutlicher – in dessen englischem Pendant ups,das einem über die Lippen kommt, wenn man stolpert oder wenn sonst etwas Unerwartetes passiert.

Bayerns berühmteste Orangerie in der Eremitage in Bayreuth

Sonnentempel der Eremitage bei Bayreuth

Auch im schlagartig austreibenden, gewissermaßen aus der Erde hüpfenden Hopfen steckt sie drin oder, oh Wunder!, im oben hängenden Obst. Handelt es sich bei diesem Obst um Zitruspflanzen, dann gilt das auf dafür in vielerlei Hinsicht. Sie hängen nicht nur auf oder an einem Baum. Auch ihre Winterherbergen, die Orangerien, öffnen sich jetzt, so wie Bayerns wohl berühmteste Orangerie, die der Eremitage in Bayreuth. Doch da ist es zu Ostern nicht nur für die Zitruspflanzen aufgegangen. Zu Ostern hat die Eremitage alles abgeschüttelt, was der Winter ihr auferlegt hatte. Und viele geschickte Hände haben dafür gesorgt, dass sich der Park und seine Attraktionen endlich der wärmenden Frühlingssonne öffnen konnten.

Und diese Einzigartigkeit hat bereits vor 200 Jahren begeistert. Lucia von Hardenberg, die Tochter des ersten Ministers des Bayreuther Markgrafen Karl Alexander beispielsweise, wuchs in der Eremitage auf. Später wurde sie die Ehefrau des Fürsten Hermann von Pückler-Muskau, mit dem zusammen sie die Schöpferin des weltberühmten Fürst-Pückler-Parks in Bad Muskau wurde. Die Anregungen dafür kamen aus Bayreuth – nicht nur aus der Eremitage, sondern auch aus dem dortigen Hofgarten und dem Park des Schlosses Fantaisie, das fünf Kilometer westlich von Bayreuth liegt. Dort gibt’s auch ein einzigartiges Gartenkunst-Museum.

Das fränkische Freilandmuseum Fladungen in der Rhön

Das Freilandmuseum Fladungen

Wenn der Frühling kommt und die Natur erblüht, dann geht’s Goethes Faust wie allen: Es erwachen die Lebensgeister, die ihn hinausziehen ins Freie. Aber nicht nur für Knospen und Blütenkelche geht’s jetzt im wahren Wortsinn auf. Faust erlebt bei seinem Osterspaziergang ja auch die Menschen, die sich jetzt wieder ins Freie wagen und dort feiern.

Ein historisches Dorf wie aus einer Faustinszenierung können sie im Fränkischen Freilandmuseum Fladungen erleben, am nördlichesten Zipfel Bayerns, in der Rhön. Pünktlich zum Osterspaziergang am Osterwochenende war hier Saisoneröffnung.

Draußen kochen – Saisoneröffnung beim Grillen im Allgäu

Macht was her, so eine Freiluftkueche

Das klassische Grillen wird neuerdings durch generelles Draußen-Kochen am offenen Feuer ergänzt. Und wer es sich leisten kann und über den nötigen Platz verfügt, der kocht – allerletzter Schrei – sogar in seiner Freiluft-, pardon: Outdoor-Küche …

Feines auf offenem Feuer

Rainer Schall bietet bald wieder Kurse an über die vielen Methoden ein Feuer zu entzünden und was man alles am offenen Feuer machen kann.

Aufbruch im April – Wie man Wild und Fisch ausnimmt

Das Gegenteil von auf ist ab. Zunächst. Auf und Ab. Aber wenn kein Trieb durch die Erde aufdringt, bleibt die Erde verschlossen. Deswegen wird aus Auf und Zu genauso ein Schuh. Auch im übertragenen Sinn bleibt uns vieles, das uns nicht so einfach aufgeht, für immer verschlossen. Und manchmal machen wir etwas auf, was besser für immer zu geblieben wäre.

Bachforelle

Die berühmte verschlossene Tür aus dem Märchen. In anderen Fällen findet der Aufmacher das Öffnen gut, der oder das Aufgemachte, Geöffnete dagegen wohl nicht. Und weil dieser Widerstand dann wiederum auch für den Aufmacher unangenehm ist, überlässt er diese Tätigkeit dann lieber jemandem, der drauf spezialisiert ist. Hat sich jetzt vielleicht leicht kryptisch angehört, die Rede ist aber vom Aufbrechen, vom Schlachten. Schließlich müssen Fischer genauso wie Jäger ihre Beute öffnen und ausnehmen. Erst durch dieses Öffnen wird aus einem Lebewesen ein Lebensmittel. Und auch das muss man können …

Diese Reh starb den Verkehrstod

Es ist nbestreitbar ein Genuss – auch wenn sicher viele froh sind, dass sie mit dem Aufbrechen nichts zu tun haben. Wer sich bewusst macht, das Stück Fleisch auf dem Teller einmal Teil eines Lebewesens war, der wird nicht mehr so leicht etwas davon einfach so wegwerfen …

Auf geht’s: Der beste Weg zum Flaschenbier

Flaschenbier mit Bügelverschluss

So, wie der April das Jahr und mit ihm die Knospen der Bäume öffnet, so eröffnet ein Aperitiv das Mahl. Alles, was verschlossen ist, wartet nur auf den Öffner. Die verschlossene Märchentür, die man auf keinen Fall aufmachen darf und trotzdem in jedem Fall aufmacht, haben wir ja schon erwähnt. Es ist ja das Geheimnis von allem, was zu, verschlossen ist, dass man es aufmachen kann, dass man das Hindernis des Verschlusses bei Zeiten überwindet. Türen sind dazu da, dass sie eine sonst unüberwindliche Grenze, eine Mauer oder einen Zaun, durchlässig machen können – wenn sie aufgemacht werden. Überhaupt: Wir leben gewissermaßen in verschlossenen Zeiten. Alles ist heute hermetisch verschlossen – gerade auch Lebensmittel. Was früher lose zu haben war, muss heute hygienisch verpackt sein. Wobei: Man muss schon zugeben: Die Einführung des Flaschenbiers war schon ein Fortschritt …

Die Krönung der Korken - der Kronkorken

Ein Tragl am Tag: Da is ein Flaschl Bier so schnell weg, dass sich das Zumachen nicht lohnt– da braucht wirklich keiner einen Bügelverschluss. Der rentiert sich eben nur, wenn man das Trinken öfter unterbricht, also nicht zu viel auf einmal und zu oft trinkt. Das Wort oft hängt übrigens auch mit auf, oben, über zusammen. Eine Sache oft, englisch often, zu tun, bedeutet sie übermäßig zu tun.

Wer öfter trinkt als die Flasche zumacht, für den rentiert sich das Aufgeld für den Bügelverschluss nicht. Dafür braucht er dann meist einen Öffner. Freilich irgendwie kriegt man den Kronkorken auch so herunter. Wir können auch mit bloßen Fingern Blütenknospen aufmachen. Dabei machen wir meistens aber mehr kaputt als gut. Es ist schon in Ordnung, dass wir das Geschäft des Öffnens ganz geschmeidig dem April, dem hauptamtlichen Öffner des Jahres überlassen können. Irgendwann werden sogar die zwei Meter Schnee am Arber weggeschmolzen und die Wiesen dort aper geworden sein. Wir können uns bequem zurücklehnen und uns darüber freun, dass es wieder aufgeht. Einen schönen Samstag wünsch ich Ihnen!


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