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Eva und die Schlange - Tiere in den Religionen Das Thema

Dazu gehören auch die Lebensbedingungen der Menschen, die entscheidend vom Verhältnis zur Tierwelt abhängen. In den drei großen monotheistischen Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam kommt den Tieren keine grundsätzlich andere Bedeutung zu als in anderen Hochreligionen. Von der steinzeitlichen Welt der Jäger und Sammler bis zum alles beherrschenden homo faber der Neuzeit entwickelte sich das Bild des Tiers in der Religion vom verehrungswürdigen, gottähnlichen Wesen bis zum bedauerns- oder schützenswerten Mitgeschöpf.

Stand: 08.10.2011

Kupferstich Adam und Eva mit Apfel | Bild: picture-alliance/dpa

In der Steinzeit hing das Überleben der Sippe vom Jagdglück ab. Tiere als Fleischlieferanten waren existenziell wichtig. Die Jagd erforderte Mut und Geschick und brachte die Jäger nicht selten in Lebensgefahr. Gleichzeitig lernten die Menschen Respekt und Ehrfurcht vor dem Fleisch und damit Leben spendenden Tier, das alsbald kultisch verehrt wurde. Felszeichnungen und Tiergräber zeugen heute von dem ambivalenten Verhältnis der Steinzeitmenschen zum Tier.

Naturreligion und Natur

Ganescha, der elefantenköpfige Sohn der hinduistischen Götttin Shiva

Die Umwelt wird in naturbezogenen Religionen noch mehr als Mitwelt gesehen, deren eigene Gesetze und Regeln vom Menschen berücksichtigt werden sollen. Eingriffe in die Natur werden soweit wie möglich auf ein Minimum begrenzt und durch Opferhandlungen gewissermaßen entschuldigt. So wird z. B. ein getötetes Tier so weit wie möglich genutzt. Fleisch, Fell, Sehnen, Knochen und weitere Bestandteile werden verwendet. Darin zeigt sich ein ehrfurchtsvoller Umgang mit der Naturressource.

Tiere in antiken Hochreligionen

In vielen Religionen der Antike Europas und Vorderasiens treten Tiere als Begleiter oder Symbole bestimmter Individuen des Götterhimmels auf. Der germanische Thor etwa erforscht mittels seiner Raben die Welt, oder der römische Mithras lässt sich durch die schiere Kraft eines Stiers darstellen. Auch die Religion der Israeliten, Wiege des Christentums und des Islam, kennt die Symbolkraft von Tiergestalten, spricht ihnen als streng monotheistischer Glaube aber jede Göttlichkeit ab: Nur der Schöpfer ist Gott – alles andere, auch die Tiere – sind Geschöpfe.

Monotheismus und Tiersymbolik

Ein Blick in die Bibel als kleinster gemeinsamer Nenner der drei monotheistischen Weltreligionen zeigt, dass Tiere von Anfang an entscheidende Aussagen über Gott und den Menschen begleiten. Nicht jede Erwähnung eines Tieres zum Beispiel in der Landwirtschaft ist dabei jedoch in theologischem Zusammenhang zu sehen. Der Schöpfungsbericht des Alten Testaments nennt die Erschaffung der Tiere noch vor der Erschaffung des Menschen. Allerdings kommt durch das Tier Schlange auch das Böse in die Welt. Von der Vernichtung allen Lebens durch die Sintflut werden neben Noahs Familie auch ausgewählte Exemplare der Tiere ausgenommen.

Mensch und Tier nach dem Sündenfall

Vom paradiesischen Frieden zwischen Mensch und Tier bleibt jedoch nach dem Sündenfall nicht viel übrig. Tiere werden als Nutzvieh oder Opfertiere gesehen. Viele gelten als kultisch unrein. Tieridole fremder Religionen sind den Israeliten ein Gräuel. Im Neuen Testament, das nur im Christentum als heilige Schrift gilt, setzt sich die alttestamentliche Tiersymbolik fort, allerdings mit gewissen Neuerungen. So wird der Erlöser der Welt als Lamm Gottes nach dem Vorbild des Paschalammes bezeichnet. Die dritte göttliche Person, der heilige Geist, wird in Gestalt einer Taube sichtbar, und die Vermittler der Heilslehre, der frohen Botschaft (griechisch: Evangelium), werden durch Tiere symbolisiert, die schon in einer Vision des Propheten Daniel begegnen.

"... und herrscht über alle Tiere!"

Dieser Ausschnitt aus dem biblischen Schöpfungsauftrag (Genesis 1,28) kann sinngemäß in allen großen Weltreligionen wiedergefunden werden. Jedoch wurde er im Christentum lange Zeit missverstanden. Raubbau und Ausrottung ganzer Tierarten lassen sich dadurch allerdings nicht rechtfertigen. Für den biblischen Schriftsteller war der Herrscher zwar auch Nutznießer, aber ebenso verantwortlicher Beschützer und Hüter seiner Untergebenen. Der Mensch sollte als Mitschöpfer an der Schöpfung teilhaben.

Religion und Tierschutz?

Heilige Kuh in Indien

Tierschutz ist eine Erscheinung der modernen, westlichen Welt. Weder in den monotheistischen Religionen noch in den Hochreligionen des Ostens oder Naturreligionen ist besondere Achtung vor dem Tier geboten. Eine Ausnahme stellt der Hinduismus dar, der über die Vorstellung der Seelenwanderung den Tieren eine gewisse Ehrfurcht sichert. Viele Hindus leben deshalb vegetarisch. Auch wenn in der Bibel Tiere nicht als besonders schützenswert gesehen werden, spricht man ihnen doch auch gewisse "Rechte" zu, nicht zuletzt in den Zehn Geboten, die die Sabbatruhe auch für das Vieh fordern. In der prophetischen Vorstellung des messianischen Reiches, einer Vision des Propheten Jesaja, die als Vorwegnahme des Himmelreiches gelten kann, wird der paradiesisch-friedliche Urzustand wiederhergestellt, indem "Kalb und Löwe zusammen weiden, ein Kind kann sie hüten" (Jesaja 11,6).

Stellung des Tiers in der Religion heute

In der vom Christentum geprägten westlichen Welt sieht man Tiere mehr und mehr als Mitgeschöpfe, denen als solchen auch eine gewisse Achtung entgegen gebracht werden muss. Bereits im Mittelalter bezeichnete Franz von Assisi die Tiere als Brüder und Schwestern des Menschen. Zwar gibt es gelegentlich Anläufe, Tierschutz als Grundrecht oder verfassungsmäßiges Ziel juristisch zu fundieren, jedoch steht Deutschland auch innerhalb Europas mit solchen Tendenzen weitgehend allein da. Dennoch werden Massentierhaltung, Schlachtviehtransporte oder die hochtechnisierte Jagd auf aussterbende Tierarten zunehmend als anstößig empfunden. Eine religiöse Begründung für dieses Verantwortungsbewusstsein wird in unserer aufgeklärten Welt jedoch nicht gesucht.


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