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Stadtluft macht krank

Was die Bibel über die Evolution verrät Stadtluft macht krank

Stand: 28.12.2017

"Loth und seine Töchter fliehen aus dem brennenden Sodom" von Paolo Cagliari, Öl auf Leinwand | Bild: picture-alliance/dpa

Nach der Sintflut leben die Nachkommen Noahs im Einklang mit Gott. Eine Zeit lang geht alles gut. Viele Geschlechter besiedeln die Erde, aber sie halten Frieden und verstehen sich bestens. Denn noch hat "alle Welt einerlei Zunge und Sprache". Dann aber ersinnen die Menschen etwas radikal Neues. Sie formen und brennen Ziegel, erfinden den Mörtel und lernen Häuser zu bauen. So viel Fortschritt macht die Baumeister stolz und verwegen. Sie beschließe zuletzt, "eine Stadt und einen Turm zu errichten, dessen Spitze bis an den Himmel reiche". Das aber ist lästerlich. Das lässt Gott nicht mehr durchgehen. Er fährt herab, höchstpersönlich, stoppt den Turm- und Stadtbau, wirbelt die Menschen durcheinander, verwirrt ihre Sprachen.

Die Frechheit der Städte beleidigt den Herrn

Wenn der "Fall Babel" eins klar macht, dann dies: Gott mag keine Städte. Sie sind ihm ein Gräuel: Brutstätten der Unzucht, des Sittenverfalls, der Abgötterei und des Frevels. Städte bedeuten Bosheit und Hochmut, Auflehnung, Trotz. Kein Wunder, dass sich der Schöpfer ab und an genötigt sieht, die sündige Menschheit zu züchtigen. Vollstrecker seiner Strafaktionen sind entfesselte Elemente, Sturm, Regen, Hochwasser. Oder Feuersbrünste und Schwefel, der vom Himmel regnet. Gelegentlich fährt der Zorn des Herrn auch in Form von Geschwüren, Aussatz, Fieber, Seuchen und anderer Krankheiten einher.

Verwirrung, Vielstimmigkeit, Kontrollverlust

Anders als die meisten Exegeten vor ihnen deuten Van Schaik und Michel die Auslöschung zahlreicher Metropolen nicht moralisch, sondern ebenfalls als Reflex der Urbanisierung und ihrer zunehmenden kulturellen Vielstimmigkeit. Denn zum einen bieten die Städte nicht nur Schutz und bessere Absatzmöglichkeiten, sie brechen auch die Homogenität der Bevölkerung auf: Kaufleute aus entfernten Regionen bringen nicht nur begehrte Waren, sondern auch unbekannte Sprachen, abweichende Glaubensvorstellungen und fremde Lebensmodelle mit sich. Man kann diese Entwicklung als Bereicherung und kulturelle Entfaltung begrüßen. Man kann sie aber auch, wie die Hüter der Rechtgläubigkeit und des Hergebrachten, als Überfremdung, Kulturverfall, Verwirrung, Vermischung und Verrat der eigenen Identität verdammen. Besonders wirkungsvoll ist Verteidigung des Eigenen gegen das Fremde oder des Reinen gegen das Vermischte immer dann, wenn man sie, siehe Turmbau zu Babel, als Wille und Tat Gottes ausgeben kann.

Ich will sie verderben mit der Erde

Auffallend häufig straft Gott die Städte durch Überschwemmungen. Auch das ist ein Reflex der realgeschichtlichen Entwicklung und des Kulturwandels, den die Urbanisierung auslöst. Zunächst ist die Verfügbarkeit großer Wassermengen ist eine Voraussetzung der Stadtentwicklung. Daher entstehen die frühen Städte ausnahmslos an Flussläufen. Flüsse sichern die Wasserversorgung, erleichtern den Warentransport, bieten Schutz vor Angriffen und die Abfallbeseitigung. Aber die Lebensadern der frühen Hochkulturen können aber auch über die Ufer treten, das Ackerland überschwemmen und die Städte überfluten. Solche Naturereignisse treffen die Sesshaften ungleich härter als ihre nomadischen Vorfahren. Jäger und Sammler wandern weiter, wenn es die Umstände erfordern. Siedler können nicht mehr so einfach zusammenpacken und fortziehen. Sie sind den Gegebenheiten ausgeliefert, müssen sie an Ort und Stelle meistern. Manchmal überschreitet die Gewalt der Heimsuchung jedoch alles menschliche Maß. Dann hat Gott gesprochen und seinen Geschöpfen eine Lehre erteilt, die es wert ist, in der Heiligen Schrift an alle Generationen weitergegeben zu werden.

Feuer will ich schicken über Sodom

Immer wieder werden biblische Städte auch durch verheerende Brände ausgelöscht. Die Heilige Schrift verbucht auch diese Katastrophen als warnende Beispiele göttlichen Zorns. Tatsächlicher Auslöser der zahlreichen Feuersbrünste ist aber nicht moralische Schuld, sondern mangelnder Brandschutz. Die Menschen haben zwar gelernt, wie man Städte baut, aber nicht, wie man die allgegenwärtige Brandgefahr durch offene Feuer- und Kochstellen oder offenes Licht eindämmt. Eine enge, verwinkelte Bebauung und das Problem der Löschwasserversorgung verschärfen die Brandgefahr zusätzlich. Da ganze Gebäude, Teile der städtischen Infrastruktur und vor die Zimmerdecken und Zwischenböden aus Holz gefertigt sind, kann ein unbeaufsichtigter Funken ein wahres Flammeninferno auslösen.

Der Herr schlägt dich mit Fieber und Geschwüren

Ein dritter Gefahrenherd ist das Hygieneproblem. Die frühen Städte starren vor Schmutz und Unrat. Es gibt keine Abwasserentsorgung, keine Kanalisation, keine Müllabfuhr. Fäkalien und Abfälle landen in der Gosse und verderben das Trinkwasser. Der überall gärende Unrat, das dichte Aufeinanderleben, ein zunehmender Waren- und Menschenaustausch begünstigen die Entstehung und Ausbreitung von Infektionskrankheiten. Wo zudem Mensch und Vieh auf engstem Raum miteinander hausen, können Krankheitserreger die Artengrenze mühelos überspringen. Da die Zusammenhänge zwischen Infektionsgefahr und Hygiene ebenso unbekannt sind wie die Existenz von Viren und Bakterien, breiten sich ansteckende Krankheiten ungehindert und oft rasend schnell aus. Die Wucht, mit denen sie ganze Völker niedermähen, kann nur eine Ursache haben: einen gekränkten, beleidigten, zürnenden Gott, der den Menschen eine Warnung oder den Untergang durch Krankheit schickt.

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Asiatische Nomaden vom Stamm der Amu auf der Wanderung durch die Wüste. Zeichnung von J.F. Champollion aus dem Grab des Chnumhotep bei Beni Hassan, Ägypten | Bild: picture-alliance/dpa zum Thema Was die Bibel über die Evolution verrät Das Tagebuch der Menschheit

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