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Ende der Welt - Die tägliche Glosse Rettet die Kinder!

Sowohl an der korrekten Gartenpflege als auch an der Kindererziehung scheiden sich seit jeher die Geister: Die einen trimmen ihren Golfrasen, die anderen lassen die Blümchen wuchern. Die einen gestatten ihrem Nachwuchs, über bunte Wiesen zu tollen, die anderen mähen alles nieder, was sich ihrer Brut in den Weg stellen könnte. Rasenmähereltern eben. Eine Glosse von Nicole Hirsch.

Author: Nicole Hirsch

Published at: 25-5-2023

An der korrekten Gartenpflege scheiden sich seit jeher die Geister: Reihenhausnachbar rechts trimmt und hätschelt seinen englischen Golfrasen, bis wirklich die letzte Abweichung im flächendeckenden Normgrün ausgemerzt ist. Und wenn die Nagelschere dafür zum Einsatz kommen muss. Eine grün angestrichene Betondecke täte es im Prinzip auch, aber gut.

Die Reihenhausnachbarn links dagegen sind notorische Schlamper, sie lassen alles wachsen und wuchern, wie es der unordentlichen Natur gerade in den Sinn kommt. Sicher, Insekten, Gewürm und Hobbyaquarellisten mögen so etwas. Wenn alles kreuz und quer durcheinandergesprenkelt ist da auf dem Gras, der Löwenzahn, das Wiesenschaumkraut, die Mohnblumen…ein einziger Verhau. Vom Sandkastenspielzeug und den Federballschlägern, der Picknickdecke und dem liegen gelassenen Eiskönigin-Elsa-Laufrad ganz zu schweigen.

Aber wie gesagt: Vielfalt ist gut für unsere Bienchen. Und die sind schließlich mehr als konsensfähig, seit Markus Söder persönlich sie gerettet hat. Und gut für unsere Kindchen ist so eine ungemähte Chaotenwiese auch. Die Kleinen mögen es ja ebenfalls gern dreckig, bunt und unaufgeräumt.

Der letzte Schrei bei der professionellen Kinderaufzucht

Leider sind Kinder nicht so konsensfähig wie Bienen. Es ist jedenfalls nicht bekannt, dass Markus Söder oder sonst ein Politiker jemals eine Kampagne mit dem Titel „Rettet die Kinder“ ins Leben gerufen hätte.

Deshalb müssen das wieder mal die Eltern erledigen. Das Rasenmähen jedenfalls ist schon längst keine Frage mehr, die sich nur auf die Graspflege beschränkt. Der letzte Schrei bei der professionellen Kinderaufzucht sind heute sogenannte Rasenmähereltern. Rasenmähermama und Rasenmäherpapa sind direkte Nachkommen der Spezies Curling-Eltern aus den Nullerjahren, die deshalb so hießen, weil sie ihrem Nachwuchs seinerzeit jegliche Hindernisse aus dem Weg gefeudelt haben.

Heute wird nicht mehr behutsam gekehrt, heute wird gleich mal alles niedergemäht, was sich den eigenen Kindern in den Weg stellt. Schleichts euch, Bienchen, Emma und Maximilian stehen nun mal einige Evolutionsstufen über euch.

Wobei es noch eine Steigerung gibt, man nennt sie Schneepflugeltern. Es ist leicht vorstellbar, wie die vorgehen, um ihrer Brut soziale, materielle und sonstige Vorteile zu verschaffen.

Wir trauern derweil den vergleichsweise harmlosen Helikoptermamis nach, die weit über den Blumenwiesen, Schneefeldern und Spielplätzen dieses Landes schwebten und deshalb nicht weiter störten. Und rechnen bang mit der baldigen Ankunft von Kampfpanzer-Leopard-Papa.


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