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Ende der Welt - Die tägliche Glosse Schäubles Erinnerungen

Das tolle an Memoiren ist ja man kann da reinschreiben was man glaubt zu wissen wie es war, oder so. Erst recht, wenn man schon dahingeschieden ist. Dann schreibt sie zwar meistens ein anderer, der nicht dabei war, aber genau deswegen viel besser weiß wie es wirklich war. Eine Glosse von Helmut Schleich.

Von: Helmut Schleich

Stand: 12.04.2024

Mit Erinnerungen ist das ja immer so eine Sache. Individuelles Zurückdenken hat zwangsläufig Lücken und die können höchst unterschiedlich ausfallen.

So ist das auch bei Wolfgang Schäuble. Man darf davon ausgehen, dass man sich in Griechenland anders an ihn erinnert wie er sich selbst. Und auch im Osten steht der rücksichtslose Wiedervereinigungsverhandler von 1990 bei manchen weniger hoch im Kurs als bei sich selbst.

Aber jetzt „isch over“, wie er es während der Griechenland-Krise formuliert hat, und da gilt natürlich: Über die Toten nur Gutes. Folgerichtig sagt sein Verleger auch über Schäuble: „Er hat immer das Gute gewollt.“ Und da muss man eben manchmal das Beste nehmen.

Zum Beispiel 100.000 Mark in bar vom Waffenhändler Schreiber. Womit wir bei Franz Josef Strauß wären und damit bei der CSU. Der verpasst Schäuble in seinen post humen Erinnerungen eine Breitseite. Seehofer war ein konvertierter Atomkraftgegner und Söder sei, wie schon Strauß, dem Reiz der gesamtstaatlichen Bedeutung erlegen. Das sind interessante Einschätzungen aus der Feder eines Politikers, den wir  schon 1998 als Innenminister mit Kohl zum ersten Mal abgewählt haben und trotzdem nicht los geworden sind.

Merkels Memoiren sollen ja im Herbst erscheinen

Das wiederum lag an Angela Merkel, die er immer gemocht hat und mit der er sich im Kino konsequenterweise „Ziemlich beste Freunde“ angeschaut hat. So erinnert er sich. Das hätte Friedrich Merz nicht passieren können. Der würde mit Merkel höchstens in ein Splattermovie gehen und sie danach allein im Dunklen stehen lassen, aber egal. Merkels Memoiren sollen ja im Herbst erscheinen, dann werden wir dazu womöglich mehr erfahren. Vielleicht erfahren wir dann auch, warum sie ausgerechnet bei Jürgen Trittins Abschied aus der Politik redet, bei Schäubles Beerdigung aber gar nicht erst erschienen ist.

Hass ist ja bekanntlich eine starke Emotion. Und Trittins CDU-Hass ist geradezu legendär. Das verbindet. Schäuble hat sich mit Trittin nie eingehender beschäftigt. Ob er auf den 650 Seiten seiner „Erinnerungen“ vorkommt weiß ich nicht.

Die Erinnerungen von Helmut Kohl umfassen übrigens 782 Seiten. Das sind über hundert Seiten mehr als bei Schäuble und das ohne Spendernamen, wohlgemerkt. Kann es sein, dass sich Kohl an mehr erinnert als Wolfgang Schäuble? Und wenn ja, an was?

Ich kann mich an einen Satz von Schäuble erinnern, den er zur Rentendebatte gesagt hat: „Es macht Sinn, Lebensarbeitszeit und Lebenserwartung in einen automatischen Zusammenhang zu bringen!“ Im Klartext: Wer keine Lust hat länger zu arbeiten, der muss eben früher sterben. Ob er sich an den zuletzt noch erinnert hat?

Eben alles eine Frage der Perspektive.


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