Bayern 2 - radioTexte


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Addio caro Maestro! Zum Tod von Andrea Camilleri

Er begann zu schreiben, als er zwölf Jahre alt war. Der internationale Durchbruch ließ auf sich warten. Mit knapp 70 Jahren startete Andrea Camilleri erst so richtig durch mit seinen Krimis um Commissario Montalbano und das heutige Sizilien. Gleichzeitig blieb Camilleri immer Philosoph und moralische Instanz Italiens. Am 17. Juli ist Andrea Camilleri, der in Sizilien wie ein Volksheld verehrt wurde, verstorben. Die radioTexte erinnern an den Schöpfer der Montalbano-Romane mit einer Lesung von Matthias Brandt.

Von: Kirsten Böttcher

Stand: 19.07.2019 | Archiv

Geschrieben hat er bis zum Schluss - sein 27. Montalbano-Roman erschien im Mai. Obwohl er zuletzt erblindet war. Andrea Camilleris Kommentar dazu: "Jetzt sehe ich mich endlich nicht mehr, wie wunderbar!". Unprätentiös, kritisch, direkt: So erinnern sich viele an den Sizilianer, stets mit Zigarette und buschigen Augenbrauen; stets kreativ und politisch, einer, der sich sorgte um sein Land, um den ansteigenden Rassismus, um den Verlust von Anstand und moralischem Rückgrat. Innenminister Matteo Salvini mit einem Rosenkranz in der Hand zu sehen, rufe Brechreiz in ihm hervor, wird Camilleri zitiert.
Daneben aber war da auch Andrea Camilleri, der Genießer, der Kenner der sizilianischen Küche. Das und viel mehr verrät die bis heute so erfolgreiche Reihe der Montalbano-Krimis, die ihn als international gefeierten Autor schlagartig berühmt machte - jedoch erst nach 1994, sprich, als Camilleri bereits das Rentenalter erreicht hatte.

Camilleris sizilianischer Kommissar

Geboren 1925 im sizilianischen Porto Empedocle arbeitete Camilleri als Drehbuchautor, Theater- und Filmregisseur, Professor und Dozent. Erst spät versuchte er sich als Schriftsteller, sein erstes Werk wurde von vierzehn Verlagen abgelehnt. 1978 erschien „Hahn im Korb“, sein Debütroman. 1994, mit fast 70 Jahren, trat seine berühmteste Romanfigur ins Licht der Leselampen: der bärbeißige sizilianische Commissario Montalbano, den er nach dem spanischen Schriftsteller Manuel Vázquez Montalbán benannte, im Roman "Die Form des Wassers".

Über dreißig Millionen Bücher verkauft!

Montalbano, mit seinem trockenen Humor und Liebe zum guten Essen dem Autor nicht ganz unähnlich, habe ihm „auf geradezu beängstigende Weise wie eine Dampfwalze den Weg geebnet“, meinte der Vater dreier Töchter später. Es sollten Auflagen von zwölf Millionen Exemplaren allein in Italien folgen, ebenso Verfilmungen und Übersetzungen in über zwanzig Sprachen! Neben den Montalbano-Bestsellern schrieb der passionierte Raucher jedoch auch Romane und Erzählungen, die ihn vor allem als kritischen Chronisten Italiens und Siziliens auszeichnen - immerhin hat er fast einhundert Jahre lang sein Land beobachten und persönlich erfahren können. Kein Wunder, dass die literarischen Ergebnisse sowohl tragisch und schmerzend, als auch grotesk und umwerfend komisch ausgefallen sind. Das Werk des seit den 50er Jahren in Rom beheimateten Schriftstellers wurde vielfach ausgezeichnet, zuletzt 2009 mit dem Premio Cesare Pavese, 2010 mit dem Premio Piero Chiara und 2011 mit dem Premio Campiello für das Lebenswerk.

Noch ein letzter Montalbano soll in Kürze erscheinen - das hatte der Autor schon vor zwei Jahrzehnten ausgeheckt und das Buch bislang unter Verschluss gehalten. Laut Aussage des in Sizilien wie ein Volksheld verehrten Schriftstellers, der am 17. Juli an den Folgen einer Herzattacke in Rom verstarb, wird sich der Commissario auf eine milde Art verabschieden.

"Er wird gehen, verschwinden, aber ohne zu sterben."

(Andrea Camilleri über den letzten Fall von Salvo Montalbano)

Zum Tod von Andrea Camilleri

Matthias Brandt (hier im "Polizeiruf 110") liest Andrea Camilleri.

am 23. Juli 2019 um kurz nach 21.00 Uhr in den radioTexten am Dienstag auf Bayern2

Lesung mit Matthias Brandt

Das Buch "Was ist ein Italiener?", aus dem Matthias Brandt liest, übertragen aus dem Italienischen und mit Kommentaren von Peter Kammerer, ist im Wagenbach Verlag erschienen.

Moderation und Redaktion: Antonio Pellegrino

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