Nico zum 25. Todestag "Ich bin wahrlich einzigartig"
Ein Star, der wie wenige andere zwischen Glamour und Düsternis, zwischen Ruhm und Absturz pendelte. Zum 25. Todestag von Nico, die Geschichte der Christa Päffgen.
"Sie sah aus, als wäre sie am Bug eines Vikingerschiffs über den Atlantik gekommen."
Andy Warhol
Das schrieb einst Andy Warhol über die geborene Kölnerin Christa Päffgen, die unter dem Pseudonym Nico zu dem wurde, was Warhol rückblickend als "neuen Typ eines weiblichen Superstars" bezeichnen sollte. Ein Star allerdings, der wie wenige andere zwischen Glamour und Düsternis, zwischen Ruhm und Absturz pendelte.
"I am truly unique - Ich bin wahrlich einzigartig."
Nico
Bevor im New York der späteren 60er Jahre der Stern eines - zumindest vorübergehenden - Superstars namens Nico aufging, war bereits jede Menge passiert im Leben von Christa Päffgen: Aufgewachsen im Köln und später Berlin der 1940er Jahre, in den 50ern Model-Karriere mit 16, bald schon unter dem Künstlernamen Nico, und bald schon pendelnd zwischen Paris und London; 1960 war Nico in Fellini's "La Dolce Vita" zu sehen, und 1965 erschien die erste eigene Platte, nachdem sie in London den damaligen Rolling Stones-Gitarristen Brian Jones kennengelernt hatte. Die Single hieß "I'm not Sayin'", ein Gordon Lightfoot-Song, produziert vom damaligen Yardbirds- und späteren Led-Zeppelin-Gitarristen Jimmy Page, und auch Brian Jones war an der Gitarre mit dabei.
Nico und ihre Bekanntschaften
Äffären und Bekanntschaften mit prominenten Künstlern pflasterten den Weg von Nico. 1962 wurde sie Mutter eines Sohnes namens Ari, dessen mutmaßlicher Vater, der französische Schauspieler Alain Delon, die Vaterschaft bis heute leugnet. Nach drei Jahren, in denen sich Nico kaum um ihren Sohn kümmerte, übernahmen zunächst Nicos eigene, später dann die Mutter von Alain Delon die Erziehung von Ari.
1964 lernte Nico Bob Dylan kennen, als dieser gerade an seiner vierten LP "Another Side" schrieb. Dylan überließ Nico den Song "I'll Keep It with Mine", den sie allerdings erst 1968 für ihr erstes Solo-Album aufnahm, nachdem ihn zuvor bereits Judy Collins als (allerdings erfolglose) Single veröffentlicht hatte.
Die entscheidende Begegnung für Nico hatte gut zwei Jahre zuvor bereits stattgefunden, als sie in New York Andy Warhol traf. Nico tauchte ins Umfeld von Warhol's Factory ein, sie spielte, als Nachfolgerin von Edie Sedgewick, in einigen seiner Filme mit, und sie wurde schließlich, von Warhol initiiert, vorübergehend Sängerin der Factory-Hausband, The Velvet Underground. Gegen den Willen von Lou Reed, mit dem sie nichtsdestotrotz eine kurze Affäre hatte. Auf dem ersten Album von Velvet Underground ist Nico auf gerade mal 3 Songs als Lead-Sängerin zu hören, doch diese drei Auftritte waren prägendes Element eines der elementaren Meilensteine der Popgeschichte.
In den Credits der LP mit Warhol's berühmtem Bananencover ist Nico als "Chaunteuse" geführt, lithographisch klar abgesetzt vom Rest der Band. Ihre vorgesehene Rolle war die, des glamourösen Blickfangs, und genau diese öffentliche Wahrnehmung war Nico zuwider. Seit Beginn ihres Auftauchens in Warhol's Factory hatte sie sich, so schien es, in einen von Drogen dominierten Lebensstil regelreicht hineingestürzt, und sie nahm Sucht und äußerlichen Verfall bewußt in Kauf, um ihr ungeliebtes Image als singendes Fotomodell zu sabotieren.
Bei Velvet Underground war sie schnell wieder raus, allerdings hatte sie dort mit John Cale für die folgenden Jahre einen loyalen musikalischen Wegbegleiter gefunden. "Chelsea Girls" war 1968 die erste Solo-LP von Nico, und sie bestand fast ausschließlich aus Fremdmaterial, überwiegend verfasst von Lou Reed, John Cale und ihrem kurzzeitigen Lebensgefährten Jackson Browne.
Der Schritt zur selbstbestimmten Künstlerin
Nico war unzufrieden mit der Produktion ihres Debüts.
"Ich wollte mehr Gitarren, stattdessen gaben sie mir Streicher und Flöten"
Nico
Und sie machte bald klar, was ihr tatsächlich vorschwebte: Für ihre zweite LP, "The Marble Index", schrieb sie alle Songs selbst, und sie war nicht mehr nur als Sängerin, sondern erstmals auch am Harmonium zu hören, ihrem Markenzeichen von da an. Nico hatte einen radikalen Kurswechsel vollzogen, und John Cale lieferte die Arrangements, die diese Platte zu einem ebenso unverkäuflichen wie rückblickend stilbildenden Querschläger im damaligen Musikbetrieb werden ließ.
Mit "The Marble Index" hatte sich Nico nachhaltig und für viele völlig unvermutet als selbstbestimmte Künstlerin mit komplett eigener musikalischer Handschrift in Szene gesetzt. Ermutigt, so scheint es, von Jim Morrison, mit dem Nico im Jahr zuvor (1967) eine kurze aber heftige Affäre gehabt hatte. Aus dem Blickfeld breiterer kommerzieller Interessen hatte sich Nico verabschiedet, ebenso auch von ihrem leicht vermarktbaren Image der kühlen teutonischen Blondine. Auf LP Nummer 3 war sie stattdessen mit hennaroten Haaren zu sehen, musikalisch den Kurs des spektakulären Vorgängers unbeirrt fortführend. Das Album "Desertshore" erschien 1970, wiederum produziert von John Cale.
Zu dieser Zeit und fast die gesamten 70er Jahre lebte Nico mit dem französischen Filmemacher Philipe Garrel zusammen und verfiel in dieser Zeit endgültig dem Heroin.
"Mutter war zu keiner Tat mehr fähig ohne Drogen."
Ari
So ihr Sohn Ari später in einem Interview über den Zustand von Nico Ende der 70er Jahre. Musikalisch gab es in diesem Jahrzehnt ein paar wenige bemerkenswerte Lebenszeichen, allen voran ihr viertes Album "The End", an dem neben John Cale auch Roxy Music-Gitarrist Phil Manzanera beteiligt war, und vor allem Brian Eno, dessen Synthesizer-Eskapaden wunderbar mit Nicos Harmoniumspiel zusammengingen, auf Songs wie "Innocent and Vain" etwa, oder dem Titelsong, Nicos berühmter Version von Jim Morrisons "The End".
"Der einzige Grund, warum ich mich nicht erschieße, ist, dass ich wirklich einzigartig bin"
Auf dem Album "The End" befindet sich auch Nicos umstrittene Version von Hoffmann von Fallerslebens "Lied der Deutschen", von der sie mehrfach betonte, sie sei weder als patriotisches Statement noch als Provokation gedacht. Eher schon als Antwort auf Jimi Hendrix' Interpretation der amerikanischen Nationalhymne. Als Nico allerdings bei Live-Auftritten das Stück Ulrike Meinhof und Andreas Baader widmete, flogen die Bierflaschen.
Schwer zu sagen, wo bei Nico die Grenze zwischen naivem Pathos und kalkuliertem Skandal verlief. Einen Sinn für denkwürdige Zitate bewies sie 1978 mit dem legendären Satz:
"Der einzige Grund, warum ich mich nicht erschieße, ist, dass ich wirklich einzigartig bin."
Nico, im kalifornischen Punk-Fanzine 'Search & Destroy'.
Anfang der 80er Jahre tauchte Nico im Umfeld des britischen Postpunk-Geschehens auf, sie tourte mit den Blue Orchids, und sie nahm ein paar Songs mit Joy Division-Produzent Martin Hannett und seiner Band Invisible Girls auf. Zwei Studio-LPs erschienen von Nico noch in den 80ern, "Drama of Exile" und "Camera Obscura", beides im Grunde kaum mehr als solide New Wave-Spätwerke in vergleichsweise biederer Rock-Instrumentierung.
1985 hatte Nico mit einer Methadon-Therapie begonnen und lebte zurückgezogen mit ihrem Sohn Ari, die meiste Zeit auf Ibiza, wo sie am 18. Juli 1988 an den Folgen eines Fahrradsturzes im Alter von nur 49 Jahren starb. Das schönste Denkmal hat ihr vielleicht die Filmemacherin Susanne Ofteringer gesetzt mit einem der besten Dokumentarfilme, die je zum Thema Popmusik gemacht wurden. Passender Titel: "Nico / Icon".