Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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24. Dezember 1871 Verdis "Aida" uraufgeführt

Eigentlich hatte Guiseppe Verdi gar keine Lust, eine Oper für Kairo zu komponieren. Trotzdem kam eine der erfolgreichsten Opern des 19. Jahrhunderts heraus. Autorin: Carola Zinner

Stand: 24.12.2020 | Archiv

24 Dezember

Donnerstag, 24. Dezember 2020

Autor(in): Carola Zinner

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Ismail, genannt der Prächtige, war ein Fürst wie aus dem Märchen. Er ließ in seinem Land herrliche Paläste errichten, eine Bibliothek, eine Sternwarte und vieles mehr. Geld spielte dabei keine Rolle, irgendwie würden die Bauern schon genug erarbeiten, um alles zu bezahlen. Das war schon immer so gewesen in Ägypten, warum sollte es jetzt anders sein - zumal sie nun dank Ismaels Modernisierungen seit Neuestem Baumwolle anbauen konnten und Zucker produzierten. Und außerdem war eben der neue Suezkanal eröffnet worden, mit einem gigantischen Fest, bei dem die 6000 geladenen Gäste über mehrere Tage hinweg mit Banketten, Folklorevorführungen und großem Feuerwerk erfreut wurden.

Ägyptische Oper

Und wer früh genug da gewesen war, hatte sich auch 10 Tage zuvor schon vom hohen kulturellen Stand des Landes überzeugen können, da war nämlich das neue Opernhaus in Kairo mit Verdis "Rigoletto" eingeweiht worden. Das einzige, was aus Ismails Sicht nicht eben ideal war: das Stück spielte in Mantua. Gab es nicht einen ägyptischen Stoff, der genug hergab für eine richtig gute Oper? Selbstverständlich, versicherte der Franzose Auguste Mariette, Gründer des ägyptischen Museums in Kairo, und verfasste flugs die Geschichte von der tragischen Liebe zwischen dem altägyptischen Feldherren Radames und der nubischen Prinzessin Aida, in der ausreichend Sklaven, Priester und Gefangene vorkamen, um ordentlich was herzugeben, ganz zu schweigen vom Triumphzug und dem Liebestod der beiden Hauptfiguren in einem Tempel am Nil. Nun galt es nur noch, Giuseppe Verdi davon zu überzeugen, die passende Musik dazu komponieren - wozu der allerdings nicht die geringste Lust hatte. Erst die Drohung, dann werde man sich eben an den Kollegen Gounod wenden oder, noch schlimmer, an Richard Wagner, stimmte ihn schließlich um, wobei wohl auch die gigantische Summe von 150.000 Goldfranken eine Rolle spielten, die Verdi forderte und prompt bekam. Für seine nationale Oper war dem Vizekönig nichts zu teuer. Das galt auch für Kostüme und Ausstattung, wo er größte historische Genauigkeit verlangte. Herstellen ließ sich sowas damals nur in Paris, und das verzögerte die Sache, die bisher recht flott gelaufen war, weil der deutsch-französische Krieg dazwischenkam.

Der Klang der Pharaonen

Am 24. Dezember des Jahres 1871 aber war es so weit: Aida wurde in der Oper von Kairo uraufgeführt, und das - natürlich weitgehend europäische – Publikum war begeistert. Chromatische Akkordfolgen, weihevoller Priestergesang und der schneidende Klang der eigens vom Instrumentenbauer Adolphe Sax entwickelten Aida-Trompeten: so also hatte es geklungen im Alten Ägypten… Vielleicht - denn alle, die sich wirklich dazu hätten äußern können, waren nun mal leider seit gut 2000 Jahren tot. Ismail aber war quicklebendig - und äußerst zufrieden mit dem Ganzen. Wie gut, dass er nicht wusste, wie wenig sein teurer Komponist vom kulturellen Stand des Landes hielt. "Puh!", schrieb Verdi dazu an einen Freund. "Eine Oper für Kairo schreiben! Ich werde nicht hinreisen, um sie zu inszenieren - ich fürchte, dort mumifiziert zu werden!"


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