Bayern 2 - Hörspiel

100 aus 100: Die April-Staffel Von "Mahatma Ghandi" bis "Broken German"

Der Pazifist Mahatma Gandhi führt Indien 1947 zur Unabhängigkeit von Großbritannien, ohne das ein Schuss abgefeuert wird. Wenige Monate später wird er von einem hindu-nationalistischen Fanatiker erschossen. "Die Fünf Sekunden des Mahatma Ghandi" - das und mehr in der April-Staffel.

Stand: 22.03.2024

Episodenbild 100 aus 100 - April | Bild: BR

1930: Toter Mann


Das Schicksal eines Arbeitslosen in den 1930er Jahren: Hannes Rader verliert seine Arbeit und mit ihr den Glauben an sich und die Welt. Der Fabrikschreiner Karlaugust Düppengießer schrieb sein einziges Hörspiel während seiner Arbeitszeit mit dem Schreinerbleistift auf der Hobelbank. Durch den Mitschnitt der Produktion auf fünf Zentimeter dicken Wachsplatten blieb das Hörspiel erhalten. | Von Karlaugust Düppengießer | Mit Willy Umminger, Martha Walter, Wolfgang Langhoff u.a. | Komposition: Hans Ebert | Regie: Ernst Hardt | Westdeutscher Rundfunk AG 1931

"Toter Mann" von Karlaugust Düppengießer: Hier in der ARD Audiothek hören!

1949: Die Fünf Sekunden des Mahatma Ghandi 

Der Pazifist Mahatma Gandhi führt Indien 1947 zur Unabhängigkeit von Großbritannien, ohne das ein Schuss abgefeuert wird. Wenige Monate später wird er von einem hindu-nationalistischen Fanatiker erschossen. Der sterbende Gandhi spricht mit sich und den Elementen um sich herum, der Erde, dem Wind, dem Fluss und der Kugel, die noch in seiner Brust summt. Fünf Sekunden hat er noch, bis er tot sein wird. Fünf Sekunden, die noch einmal den Geist ausstrahlen, der die „Große Seele“ Gandhi zur Symbolfigur des gewaltfreien Widerstands machte. | Von Walter Erich Schäfer | Mit Michael Konstantinow, Theodor Loos, Egon Clauder, Elisabeth Lothar u.a. | Komposition: Rolf Unkel | Regie: Cläre Schimmel | Süddeutscher Rundfunk 1949
"Die fünf Sekungen des Mahatma Ghandi: Hier in der ARD Audiothek hören!

1950: Die geliebte Stimme


„Ein einziger Akt, ein Zimmer, eine Person, Liebe und das banalste Hilfsmittel aller modernen Stücke, das Telefon. Die dargestellte Person ist ein Durchschnittsmensch, ein Opfer, ganz und gar von Liebe erfüllt. Der Autor wünscht, dass die Schauspielerin den Eindruck erweckt, als verblute sie, als verströme sie ihr Blut wie ein angeschossenes Wild und als endete der Akt in einem über und über mit Blut überströmten Zimmer." | Von Jean Cocteau | Mit Brigitte Dryander | Regie: Wilm Ten Haaf | Radio Saarbrücken 1951

1969: Der Ozeanflug – Ein Radiolehrstück für Knaben und Mädchen

Der Amerikaner Charles Lindbergh überquerte 1927 als erster Mensch den Atlantik in einem Flugzeug. Das Ereignis machte Brecht zwei Jahre später zur Grundlage seines Radiolehrstücks: Am Beginn einer „neuen Zeit“, von der er sich nicht nur eine wissenschaftlich-technische Revolution erhoffte, sondern auch eine soziale, wollte er von der „Anstrengung zur Verbesserung des Planeten“ erzählen. Den Originaltitel „Der Lindberghflug ließ Bertolt Brecht nachträglich ändern, da Lindbergh enge Beziehungen zu den Nazis unterhielt. | Von Bertolt Brecht | Mit Ekkehard Schall und dem Sprecherkinder-Ensemble Berlin | Komposition: Tilo Müller-Medek | Regie: Kurt Veth | Rundfunk der DDR 1969

1974: Ein altes Modell

Ein kleines Dorf in der Lausitz. Rings um dieses Dorf haben sich einschneidende Veränderungen vollzogen: ein Kraftwerk ist entstanden, Tagebaue wurden erschlossen. Ein alter Mann sieht die Veränderungen, ohne sie zu verstehen. Eines Tages jedoch beginnt er, diese "neue Welt" kennenzulernen. Der simple Umstand, dass seine Kaffeemühle reparaturbedürftig ist, trägt dazu bei, dass er mit den Leuten, die in das "Paradies" eingedrungen sind, in Kontakt tritt. | Von Joachim Nowotny | Mit Kurt Böwe, Ruth Willi u.a. | Regie: Walter Niklaus | Rundfunk der DDR 1974

1985: Die Befreiung des Prometheus


Prometheus, der für die Menschen das Feuer geraubt hatte, wurde von den Göttern zur Strafe an den Kaukasus geschmiedet und später von Herakles befreit. In seinem ‚Hörstück in 9 Bildern nach einem Text von Heiner Müller‘ wollte Heiner Goebbels mit musikalischen Mitteln die große Faszination, die „die unvorstellbaren Dimensionen von Arbeit und Zeit, Kot und Gestank“ auf ihn ausüben hörbar machen und „die neuen politischen Perspektiven der Arbeit am Mythos, mit denen Müller den Doppelcharakter des Prometheus humorvoll ausstattet. Zum einen ist er als Feuerräuber Helfer der Menschen, zum anderen ist er Gast am Tisch der Götter und sich der Vorteile dieses Privilegs durchaus bewusst. | Von Heiner Goebbels/Heiner Müller | Mit Angela Schanelec, Otto Sander, Heiner Müller, Jakob Goebbels-Rendtorff u.a. | Bearbeitung, Komposition und Regie: Heiner Goebbels | hr/ Südwestfunk 1985

1998: Rafael Sanchez, Spiel mir das Lied vom Tod


Der junge Rafael Sanchez wächst in einem spanischen Wüstendorf auf. Der Großvater ist Vorsitzender des örtlichen Filmclubs und leidenschaftlicher Fan von Sergio Leones modernem Western-Klassiker "Spiel mir das Lied vom Tod", den er regelmäßig vorführt. Rafael Sanchez ist mit dabei. Mehr und mehr verläuft sein Leben parallel zu den Geschichten und Bildern des Films. Und dann passiert genau das, was auch im Film passiert: Es fallen Schüsse… Film und Leben verschmelzen zu einer vielschichtigen, spielerischen, aber auch traumatischen Realität. | Von Eberhard Petschinka/Rafael Sanchez | Mit Rafael Sanchez, Norbert Schwientek, Jennifer Minetti u.a. | Komposition: Wolfgang Mitterer | Regie: Eberhard Petschinka | WDR/MDR/ORF 1998

2006: Sportchor

Alle sprechen vom Sport. Als Kommentar zur Fußball-Weltmeisterschaft lässt Elfriede Jelinek einen Sportchor auftreten, der alles ausplaudert. Was die Spieler nachts machen. Worüber sie reden dürfen. Warum sie ihren Körper zur Schau stellen. Welches Image sie wollen können. Die Presse ist immer dabei, man darf und soll ihr alles sagen. Über die biologische Wehrpflicht des Zuschauers, die Rebellion auf dem Rasen und den Anspruch auf die Frau. Über Bewegung und Stillstand, Krieg und Frieden. Der Bildschirm zeigt es. Sport braucht Sprache. Der Sportchor vereinigt die Stimmen, die immer und überall für die Massen berichten: Torwartdarsteller, Pressevertreter, Damenfußballerinnen und authentische Helden. Mit ihrem Sportchor schließt Elfriede Jelinek an ihr 1998 uraufgeführtes „Sportstück“ an. Der Chor, der in der griechischen Tragödie am Rande des Spielfelds steht, rückt ins Rampenlicht, und die Kommentare zum Spiel verselbständigen sich. | Von Elfriede Jelinek | Mit Stefan Kaminski | Komposition: Christoph M. Schaeffer | Regie: Leonhard Koppelmann | BR 2006

2009: Die Sicherheit einer geschlossenen Fahrgastzelle

Der Mauerfall von Marienborn: Annemarie sieht am 9. November 1989 die Abendnachrichten. Es sind die Nachrichten, die an diesem Abend ganz Deutschland bewegen. Aber nicht ganz Deutschland bewegt sich. Annemarie jedoch, 46 Jahre alt, Narkoseärztin aus Magdeburg, tauscht ihren Bereitschaftsdienst und fährt zusammen mit ihrer Tochter Juliane, 16, los. Ihr Mann bleibt zu Hause. Sie fahren 60 Kilometer über die Autobahn zum Grenzübergang Marienborn, und nach einigen Diskussionen mit verschiedenen Grenzern dürfen Annemarie und ihre Tochter passieren. Es ist 21.15 Uhr – sie sind damit die ersten Ostdeutschen, die nach der neuen „Schabowski-Regel“ aus der DDR ausreisen. Doch im westdeutschen Helmstedt sind, wie immer um halb zehn abends, die Bürgersteige hochgeklappt. So sind sie auch die ersten, die wieder einreisen. Erst als die beiden längst wieder zu Hause sind, geht auch an der Grenze bei Marienborn der „Wahnsinn“ los. Berichtet wird in dieser Nacht vor allem aus Berlin, es sind diese Bilder, die bis heute unsere Vorstellungen vom 9. November prägen. Das Hörstück verfolgt hingegen die Spuren jenseits der Hauptstadt: die erste Autofahrt durch den Eisernen Vorhang in Sachsen-Anhalt – in einem Auto der Marke Wartburg, das „die Sicherheit einer geschlossenen Fahrgastzelle“ bietet, wie eine Werbebroschüre formuliert. | Von Thilo Reffert | Mit Matthias Matschke, Juergen Schulz, Annemarie Reffert, Juliane Reffert, Michael Reffert | Komposition: Cornelia Friederike Müller | Regie: Stefan Kanis | MDR 2009

2017: Broken German

Ein israelischer Mann erzählt in gebrochenem Deutsch von einer Reise nach Berlin, auf der er mit seiner Mutter die Kleider eines Arabers und einer aus Eritrea geflüchteten Frau aus einem vom Flughafen versehentlich mitgenommenen Koffer trägt, eine Rede zur Neueröffnung des Kafka-Instituts (vormals Goethe-Institut) hält, und sich zu Recherchezwecken als „Arbeitsmigrant in der Prosa eine fremde Sprache“ nachts im Jüdischen Museum einschließen lässt, wo er in der Besenkammer eine Leiche entdeckt. "Also keine Angst. Ich nehme keiner Deutsche Literat seine Arbeit weg. Und deshalb musste ich das Jüdische Museum Besenkammer Tür aufmachen. Für die schwarze Arbeit. Ins deutsche Sprache. Und weil so sind wir Schriftsteller. Wir machen geschlossene Besenkammer Türe auf." Als Tomer Gardi 2016 beim Ingeborg Bachmann-Wettbewerb einen Ausschnitt aus „Broken German“ las, diskutierte die Jury, ob ein Text, der in unkorrektem Deutsch verfasst ist, überhaupt zulässig sei. | Von Tomer Gardi | Bearbeitung und Regie: Noam Brusilovsky | Mit Dor Aloni, Aviva Joel, Tomer Gardi, Meik van Severen, Noam Brusilovsky u.a. | SWR 2017