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Raus aus der Tabak-Epidemie Rauchen aufhören, aber wie?

Wie mit dem Rauchen aufhören? Akupunktur, Nikotinpflaster, Ratgeber, Pillen, Verhaltenstherapie oder E-Zigarette? Viele Methoden und doch ist Aufhören schwer.

Von: Klaus Schneider, Veronika Wawatschek

Stand: 20.01.2022

Zerbrochene Zigarette | Bild: pa / imageBROKER

Mehr als 130.000 Menschen sterben in Deutschland frühzeitig, weil sie Zigaretten rauchen und zwar jedes Jahr – das sind mehr als in vier Corona-Wellen bislang gestorben sind. Jeder zweite Raucher stirbt an den Folgen seiner Sucht. Weltweit sind das acht Millionen Menschen pro Jahr. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht deshalb längst von einer globalen "Tobacco epidemic".

Aber wie aufhören? Akupunktur, Nikotinpflaster, Ratgeber, Pillen, Verhaltenstherapie oder E-Zigarette? Viele versuchen es. Der Erfolg ist abhängig von der Methode – und trotzdem: Aufhören ist schwer. Denn in der nächsten Stress-Situation oder auf der nächsten Party, fallen viele zurück in alte Gewohnheiten.

Der Text basiert auf einem Gespräch mit Dr. Tobias Rüther, Leiter der Spezialambulanz für Tabakabhängigkeit an der LMU München

Folgen des Rauchens für die Gesundheit

Lungenkrebs wird überwiegend durch Rauchen verursacht. Doch Rauchen schädigt mehr als die Lunge:

So werden die oberen Atemwege generell durchs Rauchen angegriffen und sind damit anfälliger für Infekte. Viele Raucher sterben aber auch an Herz-Kreislauferkrankungen wie Schlaganfall, Herzinfarkt oder chronischem Bluthochdruck. Dazu kommen Todesfälle aufgrund chronischer Atemwegserkrankungen, Lungenerkrankungen und chronische Atemwegs- und Lungenerkrankungen.

Auch Unfruchtbarkeit oder Erektionsprobleme können auf das Rauchen zurückgehen.

"Würde man alle Kosten einberechnen, die eine Zigarette an gesellschaftlichen und medizinischen Schäden verursacht, müsste sie 25 Euro kosten."

Dr. Tobias Rüther

Schadstoffe im Rauch

"Nikotin an sich ist eigentlich nicht sonderlich giftig, gefährlich sind die Stoffe, die bei der Verbrennung entstehen."

Dr. Tobias Rüther


Wer Zigarettenrauch inhaliert, bringt auf diese Weise eine Vielzahl an Schadstoffen in die Lunge. Etwa 4.800 Chemikalien sind laut dem Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg (DKZH) im Zigarettenrauch enthalten: Kohlenmonoxid, Stickoxid, Chrom, Arsen, Cadmium, Nickel, Benzol, Dioxin und weitere potenziell krebserregende Substanzen finden über die Zigarette Zugang in den menschlichen Körper.

"Raucher sterben nicht am Nikotin, sondern an den Verbrennungsstoffen."

Dr. Tobias Rüther

Teerstoffe

Mit jedem Lungenzug gelangt Teer in Atemwege und Lunge. Kleine Rußpartikel im Zigarettenrauch verkleben auf die Dauer somit das Atemorgan und sorgen schlimmstenfalls für die berüchtigte schwarz gefärbte Raucherlunge (Anthrakose). Raucher, die täglich eine Schachtel Zigaretten rauchen, inhalieren innerhalb eines Jahres in etwa eine Tasse Teer.

Kohlenmonoxid

Im Zigarettenrauch steckt auch Kohlenmonoxid (CO). Es hemmt die Aufnahme von Sauerstoff durch die roten Blutkörperchen. Die Folge: Das Körpergewebe erhält weniger Sauerstoff, ist unterversorgt. Kopfschmerzen, Schwindelgefühle, Benommenheit können kurzfristige Symptome sein. Langfristig gesehen schwächt die Unterversorgung der Organe mit Sauerstoff den Körper, vor allem das Herz, das schneller schlagen muss, um einen Ausgleich zu schaffen. Die allgemeine körperliche Leistungsfähigkeit sinkt, der Körper ist anfälliger für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Rauchen ist eine sehr schwere Suchterkrankung, sagt Dr. Tobias Rüther. Die Rückfallquote ist beim Rauchen höher als bei Alkohol oder Heroin. Je früher man damit anfängt, desto schwieriger ist es, davon loszukommen. Als Grundregel gilt: Wer vor dem 20. Lebensjahr anfängt zu rauchen, tut sich sehr viel schwerer mit dem Aufhören. Der Suchtmacher Nikotin trifft dann nämlich auf ein noch nicht ganz ausgereiftes Gehirn.

Warum aber macht Rauchen so abhängig? Das liegt daran, dass Rauchen nicht nur körperlich, sondern auch psychisch abhängig macht.

Suchtmacher Nikotin

Nikotin wirkt auf spezielle Neurotransmitter im Zentralnervensystem und hat somit unter anderem Einfluss auf die Ausschüttung von Dopamin und die sogenannten Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin. Abhängig von der Dosis kann Nikotin sowohl stimulierend als auch hemmend wirken. Niedrig dosiert kann Nikotin sogar zu einer gesteigerten Leistungsfähigkeit und zu einer verbesserten Gedächtnisleistung führen. Diese vermeintlich angenehmen Nebeneffekte sind es jedoch auch, die zu einer sowohl psychischen als auch körperlichen Abhängigkeit führen können.

Wenn Nikotin fehlt

Bleibt das Nikotin aus, fühlt man sich plötzlich müde, gereizt und unausgeglichen. Das Geheimnis der Zigarette ist, dass sie schneller als jede andere Droge wirkt - innerhalb von nur sieben Sekunden. Dadurch sind Zigaretten für viele ein Mittel, um sich schnell zu belohnen.

Psychische und physische Abhängigkeit

Die körperliche Abhängigkeit ist bei einem Drittel der Raucher sehr stark ausgeprägt. Das sind diejenigen, die schon morgens in der ersten halben Stunde nach dem Aufwachen rauchen müssen und mehr als 20 Zigaretten pro Tag rauchen.

Andere hingegen haben gar kein Problem damit, morgens oder auch tagelang nicht zu rauchen Sie müssen dafür aber in ganz bestimmten Situationen rauchen. Diesen Mechanismus zu überwinden, ist schwer, da das Gehirn mit jedem Zug lernt, dass die Zigarette etwas Gutes ist: beim Kaffeetrinken, beim Telefonieren, im Stress.

Tief im Gehirn verankert: das Suchtgedächtnis

Auch bei Gelegenheitsrauchern hinterlässt die Sucht Spuren im Gehirn, von denen die Wissenschaft noch nicht weiß, ob sie jemals wieder verschwinden. Das Gehirn bekommt bei jedem Zigarettenzug einen Impuls durch das Nikotin. Ein Belohnungsreiz entsteht, der die Gehirnstruktur verändert: Es werden mehr Rezeptoren bereitgehalten, an denen das Nikotin andocken kann, es tritt eine Gewöhnung an Nikotin ein.

Einmal süchtig - immer süchtig?

Die meisten Raucher, die damit aufgehört haben, werden zwar in den ersten Tagen und Wochen rückfällig, aber es gibt auch Raucher, die nach zehn oder 15 Jahren rückfällig geworden sind. Das kann schnell gehen: Innerhalb von zwei bis drei Wochen ist man beim alten Rauchverhalten angelangt, weil das Gehirn das alles schon mal gelernt und nicht vergessen hat.

Kontrolliert rauchen?

Dennoch gibt es Raucher, die beispielsweise nur eine Zigarette pro Woche rauchen. Das sind allerdings Einzelfälle. Dabei handelt es sich häufig um Menschen, die nie körperlich abhängig waren. Bei Zigaretten kann sich eine Abhängigkeit allerdings schon innerhalb von wenigen Wochen einstellen, abhängig von der jeweiligen Veranlagung. Es gibt Personen, die weniger schnell auf die Effekte einer Zigarette ansprechen, weil der Körper das Nikotin langsamer abbaut - sie haben dann weniger Bedarf zu rauchen und werden auch weniger schnell abhängig.

Die Hälfte aller Raucher hat schon einmal probiert, mit dem Rauchen aufzuhören. Als Grundregel gilt:

"Wer es ein Jahr lang schafft, nicht zu rauchen, schafft es in der Regel auch komplett."

Dr. Tobias Rüther

Der Vorsatz allein aber reicht bei den wenigsten, um es wirklich zu tun. Experten raten dazu, sich wirklich mit dem Vorsatz auseinander zu setzen, sich die Frage zu stellen: "Will ich wirklich aufhören?" Ein schriftlicher Plan ist verbindlicher und kann hier helfen, sich dabei auch zu fragen: "Was ist für mich das Schöne beim Rauchen?" Denn ansonsten besteht Fachleuten zufolge die Gefahr, dass man die Zigarette verteufelt und übersieht, welch ständige Belohnung oder positiven Kick sie einem gegeben hat. Dazu kommt, dass viele Raucher ihr Gewicht darüber regulieren. Wenn sie aufhören, haben sie mehr Appetit und nehmen zu. Das frustriert und kann ein potentieller Rückfallgrund sein.

Je nach Methode, schaffen es unterschiedlich viele Menschen aufzuhören:

Bei der Silvestermethode, nach dem Motto "morgen höre ich auf", schaffen es fünf Prozent, dauerhaft Nichtraucher zu werden. Auf ärztlichen Rat hin sind es zehn Prozent, mit Medikamenten sind es 20 Prozent und wer ein Nichtrauchertraining Nichtrauchertraining mit Medikamenten kombiniert, schafft es zu 50 Prozent, vom Glimmstängel loszukommen.

Was hilft beim Aufhören?

Psychologische Tipps

  • Einen festen Entschluss haben – idealerweise schriftlich für sich selbst fixiert oder Freunden und Familie gegenüber kommuniziert. Wer einen Vorsatz laut sagt, dem droht leichter der Gesichtsverlust, wenn er den Vorsatz nicht in die Tat umsetzt.
  • Gleichgesinnte, etwa in einem Gruppentraining
  • Eine Belohnung, etwa in Form des gesparten Geldes oder der dadurch frei gewordenen Zeit

"Wenn Sie 20 Zigaretten weniger rauchen, haben Sie ein bis zwei Stunden mehr Zeit am Tag."

Dr. Tobias Rüther

Medizinische Hilfsmittel

Nikotinersatzprodukte: Pflaster oder Kaugummis

Wer auf Nikotin verzichtet, hat oft körperliche Entzugserscheinungen. Hier können Nikotinersatzprodukte helfen, denn sie führen dem Körper Nikotin zu. Entzugssymptome, wie z.B. Heißhunger und schlechte Laune können dadurch gedämpft werden. Das hat den Vorteil, dass man sich dann mehr auf die Verhaltensänderung konzentrieren kann. Zugleich wird die Lunge dadurch nicht geschädigt. Pflaster, Kaugummis, Mundsprays und Lutschtabletten haben sich in der Praxis gut bewährt. Allerdings besteht die Gefahr, dass man sie unterdosiert oder nicht lange genug einnimmt.

Faustregel: Wer 20 Zigaretten oder mehr am Tag geraucht hat, sollte das stärkere Nikotinpflaster benutzen. Die Kombination von Kaugummi für den akuten Nikotinbedarf und Pflaster für die Langzeitwirkung ist am wirksamsten..

Nikotinersatzprodukte sind so gut wie ungefährlich. Denn die Begleit- und Folgeerkrankungen des Rauchens entstehen nicht durch das Nikotin, sondern aufgrund der Stoffe, die beim Rauchen entstehen, des Kondensats und des Kohlenmonoxids. Das Nikotin wird über die Ersatzpräparate nur langsam an den Körper abgegeben. Der Kick im Gehirn, der für die Abhängigkeit wesentlich ist, tritt nicht ein. Die Andockstellen im Körper sind jedoch besetzt, sodass der Druck zur Zigarette zu greifen weniger hoch ist. Experten raten jedoch dazu, sich zusätzlich zur Nikotinersatztherapie verhaltenstherapeutische Hilfe zu holen. Denn wenn man eine Therapie kombiniert mit hochdosierten Nikotinersatzprodukten, verlernt das Gehirn, dass das Nikotin etwas mit Belohnung zu tun hat. Der Kick bleibt aus, stattdessen wird dauerhaft Nikotin an den Körper abgegeben.

Pillen gegen die Sucht

In Deutschland sind derzeit zwei verschreibungspflichtige Pillen für die Tabakentwöhnung auf dem Markt: Vareniclin (Champix) und Bupropion (Zyban). Dabei handelt es sich um Psychopharmaka.

Der Wirkstoff Bupropion ist ursprünglich ein Mittel gegen Depressionen. Es kann das Verlangen nach einer Zigarette mildern. Studien zufolge schaffen 19 Prozent der Aufhörwilligen damit den Ausstieg. Insofern ist das Mittel nicht erfolgreicher als Nikotinpflaster. Deshalb sollte es nur verschrieben werden, wenn Nikotinersatzpräparate nicht geholfen haben.

Beide Präparate wirken ähnlich erfolgreich. Allerdings müssen bei Bupropion einige Kontraindikationen berücksichtigt werden. Außerdem können bei diesem Wirkstoff als Nebenwirkungen epileptische Anfälle, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, Unruhe oder Übelkeit auftreten.

Bei Vareniclin sind die Nebenwirkungen meist Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Geschmacksstörungen oder Schlaflosigkeit. Psychiatrische Nebenwirkungen wie Depressionen macht Vareniclin nicht.

Hypnose und Akupunktur?

Mit einem Fingerschnipp aufhören, einfach so, ohne viel Zutun. Davon träumen viele, die sich das Rauchen abgewöhnen wollen. Derartiges erhoffen sie sich von solchen Methoden. Zur Akupunktur gibt es derzeit keine validen Daten. Eine qualifizierte, z.B. ärztliche, Hypnose dagegen ist ähnlich wirksam wie eine Verhaltenstherapie, das haben einige Studien inzwischen belegt. Wichtig: Es kommt auf einen qualifizierten Hypnotherapeuten an:

Qualitätsmerkmale für einen geeigneten Hypnosetherapeuten sind vor allem eine fundierte medizinische oder psychologische Ausbildung und das Hypnose-Zertifikat bei der Deutschen Gesellschaft für Hypnose und Hypnotherapie e.V. .

Wer aber hofft, durch Hypnose rauchfrei zu werden, sollte sich darüber im Klaren sein, dass auch ein bestimmter Grad an Willenskraft dazu gehört, um endgültig von seiner Sucht loszukommen. Ein Wundermittel ist die Hypnose, so wie alle anderen Methoden, nicht.

Neue Konsummethoden wie E-Zigaretten, Vaporizer – also Verdampfer und Co. - sind seit etwa zehn Jahren auf dem Markt. Langzeitstudien zu den Auswirkungen auf die Gesundheit gibt es daher noch nicht. Allerdings zeigen erste Untersuchungen: Man kann mit Hilfe von E-Zigaretten aufhören zu rauchen. 15 Prozent der Raucher hören ein Jahr nach dem Umstieg auf E-Zigarette komplett auf zu rauchen. Einige verwendeten jedoch die E-Zigarette weiter.

"Ich sage sogar provokant, wer E-Zigarette raucht, ist Nichtraucher. Ich würde aber niemanden raten, damit anzufangen. Das einzig wirklich Gesunde, was man einatmen kann, ist reine Luft."

Dr. Tobias Rüther

Der Umstieg auf E-Zigaretten könne helfen beim Aufhören, fatal aber ist Experten zufolge ein Mix aus Zigaretten und E-Zigaretten. Denn dann handle es sich um eine intermittierende Verstärkung. Je schneller das Nikotin im Gehirn anflutet, desto mehr Kick gibt es. Bei E-Zigaretten allerdings gibt es keinen schnellen Kick. Der Körper könnte also noch hartnäckiger lernen, zur Zigarette zu greifen, um sich den Kick zu holen.

Erhitzer wie IQOS, die als Alternative zur klassischen Zigarette angepriesen werden, haben Experten zufolge ein extrem hohes Suchtpotential, weil Nikotin bei diesen Produkten ähnlich schnell wie bei der Tabakzigarette ins Gehirn geht.

BZgA-Telefonberatung zur Rauchentwöhnung
Telefon: 0800 / 8 31 31 31 (kostenfrei)
Montag bis Donnerstag 10.00 - 22.00 Uhr
Freitag bis Sonntag 10.00 - 18.00 Uhr

IFT-Gesundheitsförderung
Dort gibt es Informationen über Gruppenprogramme zur Raucherentwöhnung und Hinweise zu Kursen in der Nähe.

Tabakambulanz am Klinikum der LMU München
Kompaktkurs zur Rauchentwöhnung