Bayern 1

E-Zigaretten gefährlich? Ist Dampfen wirklich weniger schädlich als Rauchen?

Deutsche Dampfer sind von den Todesfällen in den USA verunsichert - darum klärt unser BAYERN 1 Umweltkommissar, ob E-Zigaretten wirklich weniger schädlich sind als das Rauchen von konventionellen Zigaretten.

Stand: 01.10.2019

Eine Nahauzfnahme eienr jungen frau, die eine E-Zigarette raucht, mit der typischen Rauchentwicklung | Bild: mauritius-images

So funktioniert das Dampfen von E-Zigaretten

Während eine herkömmliche Zigarette den Tabak verbrennt, werden in einer E-Zigarette aromatisierte, teilweise auch nikotinhaltige Flüssigkeiten verdampft. Und zwar durch ein elektrisches Heizelement. Der Akku, der das  Element mit Strom versorgt, kann über die Steckdose aufgeladen werden.

Die aromatisierten Flüssigkeiten (Liquids), die sich in einer Kartusche befinden, werden erhitzt, wodurch allerdings kein Rauch, sondern ein Aerosol entsteht, ein Gasgemisch, das eingeatmet wird. Während im Tabakrauch durch die Verbrennung, mehr als 70 krebserregende Stoffe zu finden sind, gilt das Aerosol von E-Zigaretten als weniger gesundheitsschädlich.

Langzeitstudien fehlen

Da sich das Dampfen aber erst seit 2005 stetig und dann immer schneller etabliert hat, fehlen Langzeitstudien, die Thesen zu Gesundheitsrisiken untermauern. Ergebnisse aus den USA sind nicht ohne Weiteres übertragbar. Im Abschlussbericht 2019 des Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg heißt es in einem Review zu E-Zigaretten und Tabakerhitzern: „Derzeit ist unbekannt, ob und wenn ja, welche langfristigen gesundheitlichen Folgen der Konsum von E-Zigaretten mit sich bringt.“ Allerdings wird auch erwähnt, dass Tier- und Zellversuche sowie erste Studien an Menschen darauf hindeuten, dass der E-Zigarettenkonsum ein gewisses Risiko vor allem für Menschen mit bestehenden Herz-Kreislauferkrankungen birgt.

Streit um die Folgen des Dampfens

Die großen Tabakkonzerne bewerben E-Zigaretten bereits seit Jahren und teils sehr aggressiv. So ist zum Beispiel „Altria“, der die traditionellen Marken „Marlboro“ und „Chesterfield“ vertreibt, auch am US-Marktführer für E-Zigaretten „Juul“ beteiligt . Das  Argument der Hersteller ist dabei, dass ihre neuen Produkte weit weniger gefährlich seien, als herkömmliche Zigaretten, bei denen der Tabak verbrannt wird.

Dr. Frank Henkler-Stephani, vom Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin (BfR) bestätigt das auch vorsichtig: „Klar: E-Zigaretten haben auch das Potential schädliche Stoffe freizusetzen, aber die grundsätzliche Einschätzung, dass Tabak-Zigaretten bei weitem gefährlicher sind, sollte dabei nicht aus den Augen verloren werden.“ 

Für Kritiker der Tabakkonzerne und E-Zigarettenhersteller verfolgt die Zigarettenindustrie dagegen das klare Ziel, den E-Zigarettenraucher süchtig und letztlich zum konventionellen Raucher von Zigaretten zu machen. Tatsächlich funktioniert das gerade bei Jugendlichen ganz gut. Jüngste Studien aus den USA geben zumindest Anlass zur Befürchtung, dass Jugendliche, die schon mal eine E-Zigarette geraucht haben, irgendwann mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eine normale Zigarette rauchen werden. Fakt ist nämlich: Meist besteht – Gefährlichkeit hin oder her – eine Nikotinabhängigkeit. Der Münchner Lungenarzt Frank Powitz, der Deutschen Pneumologen sagt: „Die Wahrscheinlichkeit von Nikotin süchtig zu werden ist höher als von Heroin.“

Das Ding mit den Aromen

Die Aromen erleichtern den Zugang zum Rauchen und der Dampf wird sehr tief eingeatmet. „Diese Aromen“, erklärt Pneumologe Frank Powitz, „sollen dazu dienen, dass das Ganze schmeckt, dass es – zusätzlich zur Sucht vom Nikotin – interessanter wird, das zu inhalieren.

Bestandteile der E-Zigarette in Blut und Urin nachweisbar

Dadurch dass die Aerosole bis in die hintersten Atemwege kommen, finden sich die kleinsten Lungenbläschen dort auch in Ablagerungen, den so genannten Makrophagen. Die Zellen nehmen diese Substanzen auf und dadurch, dass die Blutgefäße bei den Lungenbläschen extrem nah dran sind, gibt es auch einen direkten Übertritt ins Blut. Die gesamten Bestandteile einer E-Zigarette lassen sich wiederum im Blut und im Urin nachweisen. Das bedeutet, sie erreichen nicht nur die Lunge, sondern durch diese tiefe Inhalation auch die übrigen Organe über die Blutbahn. 

Feinstaub beim Dampfen

Zudem wird Feinstaub in hoher Konzentration eingeatmet: Feinstaub schwebt, dank seiner geringen Größe (weniger als 10 µm) in der Luft (sog. Schwebstäube), so dass die Feinstaubteilchen in die Lunge gelangen und über die Alveolen (Lungenbläschen) in den Körper und die Organe (z.B. Leber) übergehen können.

Was ist genau drin in den Liquids?

Ein verbreitetes Problem bei den Liquids, die auch in Deutschland vertrieben werden: fehlende Transparenz! Während nikotinhaltige Liquids vom Tabakrecht erfasst werden, müssen die anderen (ohne Nikotin) bestimmte Sicherheitsstandards nicht erfüllen. Frank Henkler-Stephani vom BfR in Berlin sieht da Handlungsbedarf: „Für mein Verständnis wäre es schon sehr dringend, dass aller Liquids – ob sie nun Nikotin enthalten oder nicht – denselben rechtlichen Anforderungen unterliegen sollten“. So müssen bei Liquids ohne Nikotin zum Beispiel nicht alle Inhaltsstoffe in absteigender Reihenfolge ihres Gewichtsanteils auf der Packung stehen. Das gilt auch für eine festgelegte Liste mit verbotenen Zusatzstoffen. Am Markt wird das bereits entsprechend ausgenutzt. So werden beispielsweise auch unregulierte Liquids zusammen mit Nikotin-Shots zum Selbermischen angeboten.

In Deutschland sind die Zusammensetzungen der Wirkstoffe von E-Zigaretten jedoch noch deutlich strenger reguliert als in den USA. In US-Liquids stecken manchmal bis zu 58 Milligramm Nikotin. Zum Vergleich: In der EU dürfen E-Zigaretten höchstens ein Drittel dieser Menge enthalten.

Krebserregende Stoffe in den Liquids?

Es gibt aber auch hier eine Unzahl an Aromen, deren Bestandteile nicht immer klar ersichtlich sind. Diese Präparate kommen zudem nicht immer aus Deutschland, sondern aus verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Vorgaben. Unklar ist auch, was sich wirklich entwickelt, wenn diese Aromen erhitzt werden. Durch die Hitze entstehen andere Metaboliten (Zwischenprodukte), die in ihrer Wirkung völlig unbekannt sind. Zumal wenn bereits die Zusammensetzung der ursprünglichen Aromen unbekannt ist. Zimtaldehyd (hohes allergenes Potential), Acrolein (starkes Umweltgift) oder auch Acrylamid (birgt Krebsrisiko) können so entstehen und sind nachgewiesener Bestandteil einer E-Zigarette. Wie auch Formaldehyd kommen sie zwar nicht in der hohen Konzentration einer konventionellen Zigarette vor, aber sie sind eben vorhanden.

Deutsche Dampfer von Todesfällen in den USA verunsichert

Ein dutzend Todesfälle und hunderte schwere Atemwegserkrankungen in den USA verunsichern derzeit auch deutsche Dampfer. Die Zahl der Nutzer von E-Zigaretten in den USA mit Lungenschäden steigt stetig an.

Alle, die bislang schwer und teils lebensbedrohlich erkrankt sind, haben E-Zigaretten geraucht. Noch ist unklar was genau dafür verantwortlich ist. Aber zwei Drittel der Erkrankten sind Männer und die meisten sind noch sehr jung (zwischen 18 und 35 Jahre alt). Die zuständige US-Lebensmittelüberwachung- und Arzneimittelbehörde FDA testet derzeit 150 Proben verdächtiger Produkte, konnte bisher aber noch keinen für die Erkrankungen verantwortlichen Wirkstoff identifizieren.

In Deutschland und auch europaweit ist bislang kein Anstieg von Lungenschädigungen bekannt, der mit E-Zigaretten in Verbindung gebracht werden kann, aber die Vorfälle werden sehr ernst genommen. „De facto ist es eine Erkrankung, wo längst schon alle Lungenärzte in Deutschland danach fragen. Bei unklaren Beschwerden, die daran denken lassen: Haben Sie in den letzten Wochen mit E-Zigaretten in so einem Vaporizer zu tun gehabt?“, sagt Lungenarzt Frank Powitz. Er hatte bereits erste besorgte Dampfer in seiner Münchner Praxis, die mit Atemnot, Husten oder Engegefühl zu kämpfen hatten. Eben jenen Symptomen, die auch Erkrankte in den USA gezeigt haben. „Aber“, sagt Frank Powitz, „es ist ein akutes Krankheitsbild. Es geht den Leuten dann sehr schnell sehr schlecht. Auch mit Fieber. Und dann muss man eben weiter abklären, was diese akute Lungenerkrankung auslöst.“

Das Problem derzeit: Es ist unklar, was genau passiert ist. E-Zigaretten-Raucher, die sich auf dem Schwarzmarkt das falsche Zeug zusammengemischt haben? Einige haben angegeben THC, also die psychoaktive Substanz in Marihuana, genutzt haben. Aber eben nicht alle. Auch ob tatsächlich keine geschlossenen Systeme betroffen sind, ist nicht gesichert. Also fertige Produkte, die nicht durch die Konsumenten verändert werden konnten. Auch in Verdacht: Vitamin E, das zur Anwendung von Hasch-Ölen verwendet wird. Bislang handelt es sich aber lediglich um Theorien und Erklärungsversuche. Für Frank Henkler-Stephani, vom Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin, sind die Krankheitsfälle alarmierend:

"Die Symptomatik ist schon sehr ernst. Es sind nicht nur einfach Kopfschmerzen oder Übelkeit. Es geht hier um respiratorische Krankheiten, die tatsächlich auch zum Ausfall der Lungenfunktion und zum Tod führen können. Hier muss es einen ganz spezifischen Faktor geben, der dazu führt, dass einige Produkte sehr gefährlich sind."

Frank Henkler-Stephani vom Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin

Auch wenn Amerika weit weg und die Ursache noch nicht klar ist. In der deutschen E-Zigarettenbranche ist eine gewisse Verunsicherung zu spüren. Auf der InterTabak in Dortmund, einer der größten Branchen-Messen, waren sich die Vertreter der E-Zigaretten und Liquid-Anbieter einig: In Deutschland alles kein Problem! Und unsere Produkte sind geprüft und sicher!

Michael Smager, Vertreter der E-Liquid-Anbieters „Chemnovatic“: „Diese Fälle in den USA haben mit unseren Produkten nichts zu tun. Unsere Kunden, die ihre Liquids selbst produzieren, von unseren Zutaten, haben keine Nachrichten über solche Fälle gehabt.“

Fabian Walitschek von Wrong Liquid: „Prinzipiell ist es so, dass sie die E-Zigarette schlecht reden, das wird von der Tabakindustrie aus den USA gesteuert. Entsprechend haben wir die letzten Vorfälle nur in den USA gehabt. Und wie lange gibt es schon die Dampfer? Seit 2005, 2006 und bislang ist noch nie was passiert.“

Mittlerweile hat allerdings auch Kanada gemeldet, dass ein Schüler beinahe gestorben wäre. Für Lungenarzt Frank Powitz ist der erste „offizielle“ Krankheitsfall in Deutschland nur noch eine Frage der Zeit: „Also wir warten eigentlich. Im Grunde muss man sagen, wir haben solche Fälle wahrscheinlich schon. Aber man muss auch erst mal eine Erkrankung kennen. Und vorher denkt man halt doch, es ist vielleicht irgendeine Infektionserkrankung. Wenn es der Patient nicht überlebt, hat er eben eine unklare Lungenerkrankung nicht überlebt. Wir gehen eigentlich schon davon aus, dass es diese Fälle hier gibt oder schon gegeben hat, wir haben es bloß nicht erkannt.“

Zur Raucherentwöhnung nicht geeignet

Im Gegensatz zu Nikotinpflastern oder oder anderen gängigen Ersatzstoffen, werden nikotinhaltige Liquids von E-Zigaretten bislang nicht zur Raucherentwöhnung empfohlen. Eben auch weil die Aromastoffe das Nikotin sozusagen angenehm „verkleiden“, was bei Nikotinkaugummis geschmacklich nicht der Fall ist. Oft ist es eher so, dass Raucher, neben der herkömmlichen Zigarette auch noch E-Zigaretten konsumieren. Die bisher vorliegenden Daten zeigen, dass ein paar mehr Raucher zwar tatsächlich nicht mehr die konventionelle Zigarette nutzen, sagt Lungenarzt Frank Powitz, „aber auch nach einem Jahr sind 80 Prozent derer, die eine E-Zigarette nutzen, immer noch abhängig von Nikotin.“ Heißt: Man atmet zwar einen etwas geringeren Giftmix ein, aber ist – unterm Strich – immer noch nikotinsüchtig.

Auch noch ungeklärt und wenig untersucht, ist die Belastung durch Passivrauchen. Zumindest bei Asthmatikern, so der Stand der Dinge, scheinen sich die Beschwerden zu verschlimmern, was zu mehr Asthmaanfällen führen kann.

Quellen:

https://www.lung.org/assets/documents/tobacco/state-of-tobacco-control.pdf