Bayern 2

     

radioTexte am Sonntag Serhij Zhadan: Internat

Serhij Zhadan: Internat | Bild: Ekko von Schwichow/Suhrkamp Verlag

Sonntag, 23.10.2022
12:30 bis 13:00 Uhr

  • Als Podcast verfügbar

BAYERN 2

Eine Odyssee durch das Kriegsgebiet im Osten der Ukraine - und ein Roman über Menschen, die der sinnlosen Gewalt auf ihre Weise widerstehen. Lesung mit Schauspielerinnen und Schauspielern des Münchner Residenztheaters.

Redaktion und Moderation: Kirsten Böttcher

"Der Soldat erreicht die Tür und schlägt tönend mit der Faust gegen die Metallhaut. Der Bus klingt wie ein versunkenes U-Boot, und der Fahrer öffnet hastig die Tür. "Wohin, fuck?", schreit ihn der Soldat an und klettert gekrümmt ins Innere. Er muss sich krümmen, der Helm rutscht ihm über die Augen, und Pascha kommt es vor, als kenne er ihn, aber woher bloß?"

Der Lehrer Pawlo Iwanowytsch - Pascha - ist in dringenden familiären Angelegenheiten unterwegs. Nachdem der Krieg seine Heimatstadt im Osten der Ukraine erreicht hat, soll Pascha seinen Neffen aus dem nicht weit entfernten Internat nach Hause holen. Die Fahrt gerät zur mehrtägigen Odyssee durch das umkämpfte Territorium, durch eine von sinnloser und brutaler Gewalt gezeichnete Landschaft. Wie Kafkas Landvermesser Josef K. gerät Pascha unbeabsichtigt zwischen die Fronten - und hält doch entschlossen an seinem Vorhaben fest. An seiner Seite - wie auch an der seines Neffen - werden wir Zeugen des Krieges im Donbass, der 2014 - mit russischer Unterstützung - begann. Serhij Zhadans Roman "Internat" - erschienen in der Übersetzung von Sabine Stöhr und Juri Durkot - bei Suhrkamp - erzählt zugleich von Menschen, die sich nicht mit der grausamen Realität des Krieges abfinden wollen.

Serhij Zhadan, geboren 1974 in Starobilsk, im Gebiet Luhansk in der Ostukraine, ist Schriftsteller und Musiker und lebt in Charkiw. Schon vor dem Beginn des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 engagierte er sich für die Menschen in den von Separatisten bekämpften Gebieten in Luhansk und Donezk: Er organisierte Hilfslieferungen für die Zivilbevölkerung, gab Lesungen und spielte mit seiner Band für Soldaten der ukrainischen Armee. Seit der Ausweitung des Krieges in diesem Jahr hat Zhadan dieses Engagement intensiviert, er sorgt unter anderem für Menschen auf der Flucht und für Unterstützung zugunsten der ukrainischen Armee. Über die sozialen Netzwerke berichtet er unablässig von seinen Begegnungen mit den Menschen an der Front. Auch für sein humanitäres Engagement, nicht nur für sein beeindruckendes literarisches Werk erhält Serhij Zhadan am 23. Oktober 2022, zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse, den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.

In einer Solidaritätsaktion für die Menschen in der Ukraine in diesem Frühjahr lasen Schauspielerinnen und Schauspieler des Münchner Residenztheaters aus Serhij Zhadans Roman. Wir wiederholen die Lesung mit Barbara Horvath, Robert Dölle, Johannes Nussbaum und Valentino Malle Mura.

Mit freundlicher Genehmigung des Suhrkamp-Verlags können wir diese Sendung auch bis 22.04.2023 in unserem Bayern 2 Podcast Lesungen anbieten.