Bayern 2 - radioTexte

Friedenspreis 2022 Lesung aus "Internat" von Serhij Zhadan

Eine Odyssee durch das Kriegsgebiet im Osten der Ukraine - und ein Roman über Menschen, die der sinnlosen Gewalt auf ihre Weise widerstehen. Lesung mit Schauspielerinnen und Schauspielern des Münchner Residenztheaters anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an den ukrainischen Schriftsteller und Musiker

Von: Kirsten Böttcher

Stand: 05.12.2022

Serhij Zhadan
| Bild: picture alliance / Panama Pictures / Christoph Hardt

Der Stiftungsrat hat den ukrainischen Schriftsteller und Musiker Serhij Zhadan zum Friedenspreisträger des Jahres 2022 gewählt. Die Verleihung findet am Sonntag, 23. Oktober 2022 in der Frankfurter Paulskirche statt.

Begründung der Jury

"Den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verleiht der Börsenverein im Jahr 2022 Serhij Zhadan. Wir ehren den ukrainischen Schriftsteller und Musiker für sein herausragendes künstlerisches Werk sowie für seine humanitäre Haltung, mit der er sich den Menschen im Krieg zuwendet und ihnen unter Einsatz seines Lebens hilft. In seinen Romanen, Essays, Gedichten und Songtexten führt uns Serhij Zhadan in eine Welt, die große Umbrüche erfahren hat und zugleich von der Tradition lebt. Seine Texte erzählen, wie Krieg und Zerstörung in diese Welt einziehen und die Menschen erschüttern. Dabei findet der Schriftsteller eine eigene Sprache, die uns eindringlich und differenziert vor Augen führt, was viele lange nicht sehen wollten. Nachdenklich und zuhörend, in poetischem und radikalem Ton erkundet Serhij Zhadan, wie die Menschen in der Ukraine trotz aller Gewalt versuchen, ein unabhängiges, von Frieden und Freiheit bestimmtes Leben zu führen."

"Der Regen hat aufgehört, der Nebel hat sich ins Tal gesenkt, wie übergekochte Milch. Pascha schaut auf die Stadt und sieht sie gar nicht. Sieht nur eine schwarze Grube, über der große schwarze Rauchschwaden wehen wie Drachen mit langen Schwänzen. Als würden Seelen aus der Stadt herausgepumpt. Und als klammerten sich diese Seelen, schwarz und bitter, an den Bäumen fest, krallten sich mit ihren Wurzeln in die Keller. Weit entfernt, auf der anderen Seite der Stadt, lodert etwas, breitet sich über den Horizont aus wie feurige Lava, die aus der Erde fließt."

aus 'Internat'

Serhij Zhadan, geboren am 23. August 1974 in Starobilsk im Gebiet Luhansk der (damaligen Sowjetrepublik) Ukraine, ist Schriftsteller, Übersetzer und Musiker. Er zählt zu den wichtigsten, innovativsten und bekanntesten Stimmen der ukrainischen Gegenwartsliteratur. Sein vielgestaltiges literarisches Werk setzt sich aus Romanen, Gedichten, Erzählungen, Reportagen und Essays zusammen und widmet sich insbesondere der Zeit nach dem Zerfall der Sowjetunion sowie dem seit 2014 in der Ukraine herrschenden Krieg. Schauplätze seiner Texte sind in erster Linie die Stadt Charkiw und die Ostukraine, für die er sich auch sozial und kulturell engagiert und angesichts des aktuellen Kriegs humanitäre Hilfe leistet. Obwohl in einer überwiegend russischsprachigen Gegend aufgewachsen, schreibt Zhadan auf Ukrainisch. Seine Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und haben internationale Preise erhalten.

Lesung aus "Internat" von Schauspieler*innen des Münchner Residenztheaters

In einer Solidaritätsaktion lasen Schauspielerinnen und ihre Kollegen vom Münchner Residenztheater im März diesen Jahres drei Stunden lang aus "Internat" von Serhij Zhadan. Ausschnitte aus dieser Veranstaltung hören Sie in den radioTexten am Sonntag, 23. Oktober um 12.30 Uhr auf Bayern 2. Mit den Schauspielerin Valentino Dalle Mura, Robert Dölle, Barbara Horvath und Johannes Nussbaum.
Moderation: Kirsten Böttcher