Bayern 2

     

Nachtstudio Die Ballade des sexuellen Optimismus

Hände eines Paares im Bett | Bild: picture alliance / dpa Themendienst | Christin Klose

Dienstag, 15.03.2022
20:05 bis 21:00 Uhr

  • Als Podcast verfügbar

BAYERN 2

Die Ballade des sexuellen Optimismus
Von Maggie Nelson
Diese Sendung hören Sie auch in der BR Radio App und ist als Podcast verfügbar.

Es gab eine sexuelle Revolution. Aber gab es auch eine sexuelle Befreiung? Und warum hat sie als Frau und queere Person das Gefühl, dass diese Frage stellen zu müssen, schon ein Teil des Problems ist?
Maggie Nelson untersucht in ihrem Essay das Versprechen der sexuellen Freiheit. Ihre Analysen sind vielgestaltig, da sie sowohl die Perspektive von heterosexuellen wie von queeren Personen einnimmt. Sie sieht Gewinne, aber nicht nur: "Wenn sexueller Optimismus bedeutet, unumstößlich und absolut davon überzeugt zu sein, dass Sex, Begehren oder Lust ihrem Wesen nach gut, heilsam, ermächtigend, politisch, überhaupt irgendwas ihrem Wesen nach sind, dann lehne auch ich ihn ab."

So weigert sie sich, einfach als gegeben anzunehmen, dass die meisten Menschen Sex mögen. Sie hinterfragt auch, ob Passivität per se eine Unterwerfung unter das Patriarchat bedeutet - weil sie auch in queeren Sexpraktiken eine wichtige Rolle spielt. Sie analysiert Sexspielzeug und ihre eigene Vorliebe für Fingertechniken - aber auch, warum die vielen sexuellen Kontakte am College, die sie lange als einvernehmlich ansah, ihr rückblickend als "zumindest mit einem gewissen Grad an Nötigung verbunden" erscheinen. Das sei kein Ausdruck einer neuen Prüderie oder neuer Werte, sondern schlicht Ausdruck einer normalen menschlichen Entwicklung: Die "Fähigkeit, sie zu bewerten und im Laufe der Zeit neu zu bewerten, [erlaubt es uns, sie] auch als eine eigenständige Praxis der Freiheit [zu] betrachten." Alter Sex wird schlechter in der Erinnerung - um den Weg für besseren frei zu machen.
Nelson Essay ist ein leidenschaftliches Plädoyer, Sex jenseits von Moral, aber auch von Einschränkungen und Zurichtungen zu beschreiben. Ihr Text will ermutigen: sowohl das eigene Verhältnis zum Sex zu hinterfragen als auch die eigenen Gelüste zu akzeptieren.

Die Lesung ist dem Band "Freiheit" von Nelson entnommen, der soeben auf Deutsch (übersetzt von Cornelius Reiber) erschienen ist.