Bayern 2

     

Bayerisches Feuilleton Alexander der Kluge

Alexander Kluge (2012) | Bild: Alessandra Schellnegger/Süddeutsche Zeitung Photo

Samstag, 19.12.2020
08:05 bis 09:00 Uhr

  • Als Podcast verfügbar

BAYERN 2

Alexander der Kluge
Porträt des Intellektuellen als staunendes Kind
Von Cornelia Zetzsche

Wiederholung am Sonntag, 20.05 Uhr, Bayern 2
Als Podcast verfügbar

Schreiben heißt für ihn, Alternativen denken. Seit 50 Jahren erforscht Alexander Kluge Phänomene des Alltags und ist bis heute, mit 88 Jahren, einer der führenden Intellektuellen des Landes. Sein Antrieb: Politische Verantwortung, Neugier und die Spielfreude eines Kindes.

8. April 1945. Luftangriff auf Halberstadt. Der 13-Jährige flüchtet vor dem Feuersturm zum Wasser der nächstgelegenen Badeanstalt und denkt zugleich, jetzt fällt die Klavierstunde aus. Er entkommt den Bomben und besichtigt anderntags den Bombenkrater, in der aufgewühlten Erde wächst neues Gras. Das Kriegserlebnis ist prägend, die Dialektik der Dinge, der Erfahrung, der Wirklichkeit, bleibt ein wesentlicher Kern seiner Arbeit. "Ich habe in mir eine Stimme, und die ist identisch mit dem Menschen, der dreizehn Jahre alt ist", sagt Alexander Kluge heute.

Er ist Filmemacher, Schriftsteller, Fernsehproduzent und in allem: Autor. Ein Universalist, der generös seine Wunderkammer öffnet und teilhaben lässt an seinem vernetzten Denken. Kluges überbordendes Pluriversum lebt von der Gleichzeitigkeit aus Damals und Heute, Empathie und Sachlichkeit, Kunst und Wissenschaft, Fakten und Fiktion, alles geboren aus "der Beobachtung eines Textes, der sich Wirklichkeit nennt". Kluge liest die Wirklichkeit wie eine Schrift. Von King Kong bis Science Fiction, vom Halberstädter Luftangriff bis zu syrischen Kriegsbildern heute, vom russischen Astrophysiker zum Roboterflüsterer alias Helge Schneider ist nur ein Katzensprung.

Alexander Kluge ist ohne sein Netzwerk, ohne seine legendären Fernsehinterviews, ohne die zahlreichen Kooperationen mit Kunst- und Filmschaffenden, Musikern, Schauspielerinnen, Philosophen und Wissenschaftlern nicht zu denken. Und so sollen, neben dem großen Intellektuellen mit der Stimme des 13-Jährigen, auch Kollegen und Weggefährtinnen wie Ann Cotten, Hannelore Hoger, Anselm Kiefer, Edgar Reitz, Helge Schneider und Ferdinand von Schirach zu Wort kommen.

BR 2020

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