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Kommentar Grundgesetz ohne Begriff der "Rasse"

Die Antirassismusdebatte, die nach dem Tod von George Floyd entbrannt ist, dringt bis in den deutschen Bundestag. Dort wird gerade darüber diskutiert, den Begriff der „Rasse“ aus Artikel 3 des Grundgesetzes zu streichen. Kommentatorin Franka Welz hält das für längst überfällig.

Von: Franka Welz

Stand: 12.06.2020

Ausgabe des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschalnd | Bild: mauritius-images

Rasse ist eine fixe Idee. Es gibt keine Menschenrassen. Und weil das Grundgesetz kein Märchenbuch ist, hat dieser Begriff darin auch nichts verloren. Rassismus braucht zudem das Konzept der Rasse überhaupt nicht. Er ist nämlich deutlich älter als die sogenannten Rassen. Im fünfzehnten Jahrhundert gab es in der spanischen Stadt Toledo zum Beispiel ein Gesetz, das sogenannte "neue" Christen, also zwangsweise zum Christentum übergetretene Juden und deren Nachkommen, von öffentlichen Ämtern ausschloss. Begründung war ihre angebliche, so wörtlich "perverse" jüdische Abstammung. Dieser Gesetzestext erfüllt alle Kriterien für ein rassistisches Dokument. Der Begriff Rasse kommt nicht einmal darin vor. Den gab es damals noch gar nicht. Er kam erst im siebzehnten Jahrhundert auf die Welt.

Zeugnis einer entwürdigenden Ideologie

Das Grundgesetz braucht den Begriff der Rasse nicht. Natürlich muss es rassistische Diskriminierung weiterhin verbieten. Aber dann soll man es doch gleich genau so formulieren, ohne den Umweg über die eingebildete Kategorie der Rasse. Auch so ließe sich der Geist der Mütter und Väter des Grundgesetzes in Ehren halten, die ja noch unter dem Eindruck des Rassismus der Nationalsozialisten standen und es zudem damals schlicht nicht besser wussten. Wir hingegen wissen es heute besser und sollten diesen Begriff streichen, der für eine Ideologie steht, die entwürdigt, entmenschlicht und vernichtet. Das Grundgesetz ist die oberste Richtschnur, übrigens auch für uns Bürgerinnen und Bürger, die zudem die Würde des Menschen über alles stellt - also das genaue Gegenteil von Rassismus ist.

Antirassismus als Staatsziel

Ein Grundgesetz ohne den Rassenbegriff hätte zwei weitere Vorteile: erstens bliebe es Betroffenen von rassistischer Diskriminierung erspart, sich auf den Rassenbegriff im Grundgesetz berufen zu müssen, wenn sie mit Verweis auf deutsches Recht Gleichstellung einfordern. Bisher müssen sie sich dadurch jedes Mal in ein fiktives Schema einordnen, das sie entwürdigt und entmenschlicht. Zweitens könnten sich fortan keine staatlichen Institutionen mehr auf den Rassenbegriff berufen. Das wäre ein starkes Bekenntnis des Rechtsstaats zu Antirassismus, der übrigens auch ein hervorragendes Staatsziel abgeben würde. Struktureller und institutioneller Rassismus werden nicht verschwinden, wenn der Begriff der Rasse aus dem Grundgesetz gestrichen wird. Das wäre also kein gutes Ende, aber immerhin ein guter Anfang.

"Rasse" im Grundgesetz - Artikel 3, Absatz 3

Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.


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