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Kollege Hund Wie Hunde den Büroalltag verändern

Hunde sind seit Jahrtausenden an der Seite der Menschen. Ihre pure Anwesenheit verändert etwas in uns. Studien zeigen: Bei Arbeitnehmern sinkt der Stresspegel, wenn ein Hund im Büro ist. Ein Plädoyer für mehr Hunde im Büro- und Arbeitsalltag.

Von: Tanja Oppelt

Stand: 25.02.2020 | Archiv

Es ist acht Uhr morgens. Für Projektmanager Johannes Schweiger beginnt der Arbeitstag mit einem festen Ritual: Er spielt mit Labrador Charlie, in der Firma "Armin Diehl" in Schwaig bei Nürnberg – einem Versandunternehmen für Haushaltswerbung.

Firma "Armin Diehl": Hunde nicht nur geduldet, sondern erwünscht

Georg Keller und sein Hund Charlie in der Firma "Armin Diehl"

Wer sich einen Kaffee holt, muss aufpassen, dass ihm an der Kaffeemaschine nicht ein Tennisball um die Ohren fliegt – verfolgt von einem gutgelaunten Labrador in Spiellaune. Die knapp 40 Büroangestellten der Firma kennen das schon. In dem Unternehmen sind Hunde nicht nur geduldet, sondern ausdrücklich erwünscht. Einer, der davon profitiert, ist IT-Fachmann Georg Keller – das Herrchen von Labrador Charlie.

"Der ist mein Begleiter. Überall wo ich hingehe, habe ich ihn dabei, den Charlie."

Georg Keller, Hundebesitzer

Neben Charlie kommen auch noch die beiden Mischlings-Hündinnen Sheila und Juli nebst ihren Halterinnen jeden Tag in die Firma. Auch die Geschäftsführer, das Ehepaar Armin und Olga Diehl, haben einen Hund, der selbstverständlich auch im Büro dabei ist: Arpad, ein schwarzer Labrador. Das Unternehmerpaar ist sich sicher: Was uns guttut, tut auch unseren Mitarbeitern gut.

Der Hund: des Menschen treuester Begleiter

Die Beziehung zwischen Mensch und Hund sei einzigartig, sagt Manfred Burdich, Hundetrainer aus Kronach. Der Hund habe als einziges Tier die Bereitschaft und auch das Bedürfnis, mit dem Menschen eine soziale Bindung einzugehen. Burdich weiß, dass diese außergewöhnliche Nähe zwischen Mensch und Hund in der modernen Arbeitswelt nicht konfliktfrei ist – aber, so der Hundetrainer, ein Hund am Arbeitsplatz habe auch für den Arbeitgeber Vorteile.

"Wenn ich Hundehalter bin und ich kann den Hund nicht mit auf die Arbeit nehmen, dann steigt bei diesen Menschen im Laufe des Arbeitstages der Stresspegel an. Man macht sich Gedanken, ist er brav, was macht er? Wenn aber der Hund mit auf der Arbeit ist, dann ist dieser Stressfaktor weg. Dann macht es dem Arbeitnehmer interessanterweise nichts aus, wenn er länger bleibt, oder wenn die Überstunde nicht gezahlt wird. Vielen Hundehaltern, die den Hund mitnehmen dürfen, ist das viel wichtiger als zum Beispiel eine Gehaltserhöhung."

Manfred Burdich, Hundetrainer

Hunde bringen Firmenchefs Teamfähigkeit bei

Melanie Ebert mit ihren Hunden Mira und Maggy

Melanie Ebert aus Willersdorf im Landkreis Forchheim hat sich vor zwei Jahren selbständig gemacht. Seitdem sind ihre beiden Hunde Mira und Maggy, beides Labradore, ihre Mitarbeiter und Kollegen. Die ehemalige Vertriebsangestellte bietet ein hundegestütztes Coaching für Führungskräfte an. Durch die Hunde sollen Firmenchefs Teamfähigkeit, klare Kommunikation und das Führen ohne Druck lernen. Die Hunde fungieren dabei als Stellvertreter für die Mitarbeiter.

"Eine Standardübung ist, dass die Führungskraft mit dem Hund eine Strecke zurücklegt, wieder zurückkommt, und das Ganze dann ohne Leine macht. Da ist spannend: was passiert? Manche Führungskräfte laufen einfach los, nehmen den Hund gar nicht mit, also nehmen keinen Kontakt mit dem auf, keinen Augenkontakt, keine Klarheit, wo es hingeht. Dann ziehen sie den Mitarbeiter bzw. den Hund, der als Mitarbeiter fungiert, einfach hinterher. Spannend ist es dann ohne Leine, weil wenn der Hund merkt, wir sind gar nicht auf Augenhöhe, wir kommunizieren gar nicht, dann ist alles andere interessanter. Dann kann es schon sein, dass die Mira ihren eigenen Weg geht, und dass dann die Führungskraft feststellt: Mensch, das geht mir ja genauso mit meinen Mitarbeitern."

Melanie Ebert, Unternehmensberaterin

Die Reaktion der Hunde auf die Führungsqualitäten der Menschen ist unmittelbar und unverfälscht, sagt Ebert. Melanie Ebert macht sich zunutze, dass Hunde mit Menschen zusammenarbeiten wollen. Allerdings funktioniert das nicht durch Druck oder Zwang. Damit ein Hund mitarbeitet, braucht es drei Dinge: Eine klare Kommunikation, ein deutliches Ziel vor Augen und Konsequenz. Keine schlechten Voraussetzungen, um auch menschliche Teams zu leiten, findet Ebert.

"Der Hund ist wertfrei. Das fehlt den Führungskräften oft. Sie bekommen kein Feedback von den Mitarbeitern, weil die sich oft nicht trauen, ein Feedback zu geben. Der Hund spiegelt das wertfrei. Ein Hund unterscheidet nicht nach Status, Rang oder Geschlecht."

Melanie Ebert, Unternehmensberaterin

Hunde wirken Stress entgegen

Wer einen Hund streichelt, der kann sich nicht gleichzeitig streiten. Schon mal probiert? Es funktioniert nicht. Dieser Zusammenhang ist wissenschaftlich untersucht. Die Hormone sind verantwortlich, sagt Hundetrainer Manfred Burdich.

"Wenn ein Hund im Raum ist, wird ein Hormon ausgeschüttet: Oxytocin – Kuschelhormon oder Sozialkleber im Jargon. Je mehr Interaktivität ich mit dem Hund ausübe, desto mehr Oxytocin wird ausgeschüttet, und zwar sowohl beim Hund als auch beim Menschen, unabhängig davon, ob ich Besitzer bin oder nicht. Auch der normale Kollege, der mit dem Hund nichts am Hut hat und den Hund streichelt, bei dem wird Oxytocin ausgeschüttet. Oxytocin ist ein Hormon, das Stress abbaut und Stress entgegenwirkt. Oxytocin ist der natürliche Gegenspieler von Cortisol als Stresshormon."

Manfred Burdich, Hundetrainer

Hunde helfen beim Kulturwandel in der Spedition Pohl in Forchheim

Geschäftsführerin Natascha Pohl mit Hund Maggy

Unternehmensberaterin Melanie Ebert besucht eine Kundin in Hemhofen bei Forchheim. Die Spedition Pohl feiert in diesem Jahr 200-jähriges Bestehen. Das Jubiläum ist für Geschäftsführerin Natascha Pohl der Startschuss für etwas Neues: Sie will einen Kulturwandel in ihrem Unternehmen herbeiführen.

"Am meisten wünsche ich mir wirklich den Umgang auf Augenhöhe. Dass man von dem hierarchischen Denken wegkommt und sich auf Augenhöhe begegnet. Dass jeder sein Job macht, das, was er kann und wo er sich am besten in der Firma verwirklichen kann."

Natascha Pohl, Geschäftsführerin

Melanie Eberts Hunde Mira und Maggy sollen bei dem Kulturwandel helfen. Die Teamleiter der Firma nehmen am hundegestützten Coaching teil. Geschäftsführerin Pohl erhofft sich schnellere und bessere Ergebnisse als von einem klassischen Coaching.

Hunde helfen an Schulen beim Lesen lernen

Hunde werden aus gutem Grund "die besten Freunde des Menschen" genannt. Ihre Loyalität ist bedingungslos. Sie beurteilen nicht, sie werten nicht, sie sind einfach da. Diesen Wesenszug machen sich auch Schulen zunutze, zum Beispiel beim Einsatz von "Lesehunden". Wer in der Schule nicht oder nicht richtig lesen lernt, hat später in allen Lebensbereichen große Schwierigkeiten: In der Arbeitswelt, im Alltag, im Privaten. Das Nicht-lesen-Können ist schambesetzt. Betroffene ziehen sich zurück und holen Versäumtes nur schwer nach. Umso wichtiger ist es, dass in den ersten Schulklassen niemand beim Lesen lernen den Anschluss verpasst. Das ist gar nicht so leicht, wenn in der Grundschule bis zu 28 Kinder in einer Klasse sitzen.

"Beispiel erste Klasse: Die Lehrerin sagt dem Schüler: Lies mal was vor. Das Kind merkt schon, ah ich kann nicht so gut lesen wie die anderen, dann geht ein Raunen durch die Klasse. Vielleicht werden die Kinder auch mal ausgelacht oder ständig verbessert, das nervt dann. Das führt dazu, dass die Kinder immer weniger lesen. Sie vermeiden es, haben plötzlich Bauchweh, müssen auf Toilette, haben das Lesebuch vergessen, also es gibt viele Ausreden. Und je mehr die Kinder das Lesen vermeiden, desto schlechter werden sie, desto größer wird der Abstand zum Klassendurchschnitt. Diesen Teufelskreis wollen wir mit dem Lesehund durchbrechen."

Manfred Burdich, Hundetrainer

Lesehunde kritisieren nicht und wissen nichts besser

Lukas mit Lesehund Anima und Halterin Petra Halbig

Lukas, acht Jahre alt, liegt mit Anima, vier Jahre alt, auf einer Kissenlandschaft in einem Gruppenraum der Grundschule Zerzabelshof in Nürnberg. Lukas liest Anima vor. Anima, ein schwarz-brauner Berner Sennenhund, kuschelt sich an Lukas und legt ihren Kopf auf seinen Oberschenkel. Wird Lukas beim Lesen zu leise, bellt sie. Anima hat das nicht gelernt, sie macht es intuitiv. Die Berner Sennenhündin ist ein Lesehund und kommt mit ihrer Halterin Petra Halbig in die Grundschule Zerzabelshof.

Anima hat, wie alle Lesehunde, einen Wesenstest gemacht. Der Test zeigt, ob sie für die Arbeit mit Kindern geeignet ist. Animas Aufgabe als Lesehund? Einfach da sein – nicht kritisieren, nichts besser wissen, nichts korrigieren. Der achtjährige Lukas findet beim Lesen mit Anima toll, "dass keiner zuhört und keiner sagt, dass ein Fehler drin ist. Das ist viel besser geworden mit dem Lesen. Ich kann jetzt ganz gut lesen, ich lese zu Hause auch."

"Armin Diehl" – ein hundefreundlicher Arbeitgeber

Unternehmerin Olga Diehl mit ihrem Hund Arpad

Zurück bei der Firma "Armin Diehl". Unternehmerin Olga Diehl aus Schwaig bei Nürnberg hat ihren Bürohund Arpad dabei. Die Personalchefin der Firma für Haushaltswerbung lebt, seit sie denken kann, mit Hunden zusammen. Als sie und ihr Mann die Firma aufbauten, waren ihre Hunde immer dabei. Die Arbeitstage waren lang, Zeit für die Hunde blieb nur in den Pausen. Olga Diehl will auch ihren Mitarbeitern ermöglichen, den besten Freund immer an ihrer Seite zu haben. Auf ihrer Homepage macht die Firma sogar Werbung damit, bezeichnet sich als "Hundefreundlichen Arbeitgeber". "Das ist unser Alleinstellungsmerkmal", sagt Olga Diehl selbstbewusst, "das macht uns aus". Will ein neuer Mitarbeiter seinen Hund mitbringen, wird das schon beim Bewerbungsgespräch angesprochen. Denn nicht nur der Kollege muss zum Unternehmen passen, sondern auch der Hund.

"In erster Linie müssen sie ruhig sein. Wir müssen hier sehr viele Telefonate führen. Und Hunde, die bei jedem Geräusch bellen, passen hier nicht. Das sage ich auch gleich von Anfang an. Dann frage ich, was das für ein Hund ist, wie die Gewohnheiten sind. Dann kann ich gleich sagen, ob das geht oder nicht geht."

Olga Diehl, Unternehmerin

Hundefreie Arbeitsbereiche

In der Firma gibt es feste Regeln: In jedem Büro ist nur ein Hund. Rivalitäten zwischen den Tieren sind so ausgeschlossen. Und es gibt auch hundefreie Arbeitsbereiche – für Mitarbeiter, die die Nähe zu den vierbeinigen Begleitern nicht so schätzen, wie zum Beispiel Michael Kawa.

"Für mich gehören sie nicht in den Büroalltag. Wenn einer mal kurz da ist, ok, aber jeden Tag die volle Arbeitszeit, das ist meiner Meinung nach nicht optimal. Ich bin da, um zu arbeiten und nicht, um auf ein Tier aufzupassen. Ab und zu mache ich mir Gedanken, werden da vielleicht falsche Prioritäten gesetzt? Aber grundsätzlich ist das die Entscheidung der Geschäftsleitung und das muss ich akzeptieren."

Michael Karwa

Wer seinen Hund mit zur Arbeit nehmen kann, hat Glück und einen verständnisvollen Arbeitgeber. Eine wirkliche Kultur für Bürohunde gebe es in Deutschland noch nicht, sagt der Kronacher Hundetrainer Manfred Burdich. Viele Arbeitgeber hätten noch nicht erkannt, dass ein Bürohund die Stimmung im Team verbessern und den Stresspegel senken kann.


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