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#einheitsbuddeln Aktionsismus gegen den Klimawandel?

Für den Tag der Deutschen Einheit hat sich das Bundesland Schleswig-Holstein etwas Besonderes überlegt: Unter dem Motto "Einheitsbuddeln" soll jeder Bundesbürger einen Baum pflanzen – gegen Klimawandel und Waldsterben. Doch es mehrt sich Kritik, dass die Aktion nicht gut durchdacht ist.

Von: Chris Köhler

Stand: 02.10.2019 | Archiv

Waldkiefer wird eingepflanzt | Bild: © P. Cairns / blickwinkel

Welche Baumart sollte in Zeiten des Klimawandels fürs Einheitsbuddeln gewählt werden?

Sogar klimastabile Arten wie Buche, Eiche oder Tanne leiden stark unter den warmen Temperaturen der vergangenen Sommer. Deshalb wird es zunehmend schwieriger, die passenden Baumarten zu finden, die auch in Zukunft den klimatischen Veränderungen standhalten. "Mit fremdländischen Baumarten gibt es bisher nur wenig Erfahrungswerte, daher muss man sich vorher genau überlegen, welche geeignete Herkunft die Pflanze haben muss.", sagt Robert Wiechmann, Privatwaldförster vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Holzkirchen.

Die Landesforsten Schleswig-Holstein, die das Einheitsbuddeln mitorganisieren, geben zwar Empfehlungen, welche Arten sich eignen, doch diese bleiben sehr allgemein. "Sie können keine norddeutsche Fichte in Oberbayern pflanzen. Das würde schiefgehen, weil die gar nicht an die Verhältnisse hier angepasst ist." Sein Kollege Gerhard Waas weist zudem darauf hin, dass eine Aufforstungsaktion, bei der jeder eine andere Baumart anpflanzt, nicht sehr effektiv ist. "Es nützt nichts, wenn wir 20 verschiedene Baumarten nebeneinanderpflanzen, denn die vertragen sich oft gar nicht. Wir müssen gruppen- und truppweise pflanzen, um daraus später auch einen Wald zu bekommen."

"Eine Aufforstung ist nichts, was man aus der Hüfte macht. Pflanzung ist heute immer nur ein Notnagel. Der Umbau unserer Wälder wird nur gelingen, wenn der Wald sich selbst Richtung Mischwald naturverjüngt."

Robert Wiechmann, Privatwaldförster vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Holzkirchen

Wo darf ich meinen Setzling überhaupt eingraben?

Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, setzt den Start zum "Einheitsbuddeln" im Garten der Kieler Staatskanzlei.

"Man kann nicht einfach irgendwo auf die Fläche gehen und sagen: Ich pflanze hier jetzt einen Baum.", warnt Förster Gerhard Waas mit Verweis auf Eigentumsrechte, die dem oft im Wege stehen. Wer keinen eigenen Garten besitzt oder ein Grundstück hat, auf dem er einen Setzling einpflanzen kann, für den ist es gar nicht so einfach, ein passendes Plätzchen zu finden. Der Stadtpark ums Eck, der Staats- oder Kommunalwald sind jedenfalls tabu.

Auf der Internetseite zum Einheitsbuddeln gibt es daher eine Karte mit öffentlichen "Pflanz-Partys", bei denen in Bayreuth oder Fürstenfeldbruck gemeinschaftlich Bäume gesetzt werden. Wichtig ist dabei zu wissen "wer sie Fachleute sind, die das geplant haben und wer uns begleitet. Man muss wissen, ob man die richtigen Pflanzen für den Standort bereitgestellt hat." Ob das bei den vielen privat-organisierten "Pflanz-Partys" gewährleistet ist, ist fraglich.

"Mit dieser Baumpflanzaktion retten wir nicht die Wälder und auch nicht das Klima. Wir müssen im Blick behalten, warum CO2 in die Atmosphäre geblasen wird: In erster Linie geht es um unseren Lebensstil."

Martin Hänsel, Forstwissenschaftler und Geschäftsführer beim Bund Naturschutz München

"Es ist nicht ganz einfach, Bäume zu pflanzen.", gibt Privatwaldförster Robert Wiechmann zu bedenken. Auf viele Faktoren muss dabei geachtet werden. "Man muss aufpassen, dass die Pflanze sich verwurzeln kann, nicht austrocknet, keine Wurzelquetschung davonträgt, etc."

Was bringt die Aufforstungsaktion?

Der Wald in Bayern umfasst im Moment noch eine Fläche von 2,6 Millionen Hektar. Doch die heißen Sommer lassen die Bäume zunehmend austrocknen.

Wenn jeder Bundesbürger am Tag der Deutschen Einheit einen Baum pflanzen würde, wie es sich die Landesforsten Schleswig-Holstein wünschen, dann wären das am Ende eine geschätzte Fläche von 20.000 Hektar. Das sieht auf den ersten Blick gut aus, entspricht es doch einer Fläche von ungefähr 20.000 Fußballfeldern. Förster Garhard Waas ist aber skeptisch: "Allein der Bayerische Wald hat im Vergleich dazu aber 2,6 Millionen Hektar. Wir müssten also 130 Jahre lang jedes Jahr so viele Bäume pflanzen, damit wir diese Fläche einmal bepflanzt haben. So lange lässt uns der Klimawandel keine Zeit."

Auch Forstwissenschaftler Martin Hänsel vom Bund Naturschutz München hält das "Einheitsbuddeln" für nicht sehr zukunftsweisend. Es lenke eher davon ab, über richtige Methoden und Wege zu diskutieren, um die Klimakrise in den Griff zu bekommen. "Wir müssen im Blick behalten, warum CO2 in die Atmosphäre geblasen wird. Wenn jemand aktiv werden will, ist es viel effektiver, sofort weniger Fleisch zu essen und auf Lebensmittel aus biologischer Landwirtschaft umzusteigen. Das sind Klimakiller. Nur nach kurzfristigen Aktionen zu schauen, das halte ich für den falschen Weg."

Einheitsbuddeln - die große Baumpflanzaktion

Zum ersten Mal findet in diesem Jahr die Aktion der Landesforsten Schleswig-Holstein zum Tag der Deutschen Einheit statt. Jeder kann sich am Einbuddeln beteiligen, in dem er selber einen Baum planzt, eine Pflanz-Party organisiert bzw. besucht, oder Geld für eine Bepflanzung spendet. Auf der Homepage gibt es weitere Informationen.

Sendung: Notizbuch am 02.10.2019 ab 10.05 Uhr


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