Grunge-Musical in der Mache Smells like krasser Müll

Echt jetzt? In Seattle wird derzeit an einem Grunge-Musical gearbeitet. Das Peinlichkeitspotenzial ist extrem hoch. Und überhaupt gibt es jede Menge Gründe, die gegen diese ziemlich üble Idee eines Totalausverkaufs sprechen.

Von: Matthias Scherer

Stand: 10.07.2017 | Archiv

Sieht auch schon schlimm aus: Ein Grunge Tribut in Hamburg  | Bild: picture-alliance/dpa

Es gibt eine Grunge-Touri-Tour , H&M verkauft Nirvana-T-Shirts, und in Seattle gibt es ein Boutiquehotel mit einem Sub Pop-Stockwerk, dessen Wände vollgekleistert sind mit Fotos aus der Seattle-Szene der 80er und 90er. Man könnte also meinen, der Bedarf an Grunge-Schnickschnack sei mehr oder weniger gedeckt. Falsch gedacht!

Laut einem Bericht des US-Magazins "Variety“ hat das Seattle Repertory Theatre ein Musical (!) in Auftrag gegeben, das im Seattle der 90er-Jahre spielt und das Songs von Szenegrößen wie Soundgarden und Alice in Chains beinhalten soll. Die Geschichte soll von einem brillianten Musiker handeln, der vielleicht oder vielleicht auch nicht von einem Rivalen getötet wird. Nirvanas frühere Managerin Janet Billig Rich ist an dem Projekt, das im Laufe des Jahres weiterentwickelt werden soll, beteiligt.

Nein, nein und nochmal nein

Ganz ehrlich: Die Vorstellung, dass so tiefgehende, teilweise todtraurige und brutale Songs wie Soundgardens "The Day I Tried To Live“ oder "Down In A Hole“ von Alice in Chains in einem Musical verwurstet werden, ist nicht besonders angenehm. Grunge ist mit vielen tragischen Momenten verbunden - da wäre allein schon der jeweils viel zu frühe Tod von Kurt Cobain, Andrew Wood, Layne Staley oder letztens Chris Cornell. Irgendwie will es nicht in den Kopf reingehen, dass ein Musical all dem gerecht werden soll.

Die Liste an erfolgreichen UND sehenswerten Rock-Musicals ist ziemlich kurz: "We Will Rock You“, basierend auf der Musik von Queen, läuft seit 15 Jahren, ist aber eigentlich nur eine Ausrede dafür, mit hunderten anderen angetüdelten Menschen "Bohemian Rhapsody“ zu grölen. Green Days "American Idiot“-Musical war da schon erträglicher, aber da war das Rohmaterial (ein Konzeptalbum mit losem aber logischem Handlungsstrang) auch viel vorteilhafter angelegt. Die Storyline, in der beim emotionalen Höhepunkt "Come As You Are“ von einem Flanellhemd-tragenden Chor vorgetragen wird, würden wir nicht schreiben wollen.

Und überhaupt: Warum ein  Musical über Grunge und Seattle machen, wenn es mit dem 1992 veröffentlichten "Singles“ schon einen fast perfekten Film über genau dieses Thema gibt?

Sendung: Filter vom 10.07.2017 ab 15 Uhr