NSU-Prozess


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67. Verhandlungstag, 10.12.2013 Milieustudien aus der Polenzstraße

Beate Zschäpe war ihre beste Freundin. Heike K., die Nachbarin aus der Zwickauer Polenzstraße, konnte mit der mutmaßlichen NSU-Terroristin wunderbar über ihre Probleme sprechen. Und Probleme hat die 46-jährige immer noch genug.

Von: Alf Meier

Stand: 10.12.2013 | Archiv

Alf Meier | Bild: BR

10 Dezember

Dienstag, 10. Dezember 2013

Am liebsten wäre es ihr gewesen, wenn das Gericht den Aussagetermin verschoben hätte, denn Heike K. geht es derzeit nicht besonders gut. Die 46-Jährige nach eigener Aussage einen Herzinfarkt überstanden, kürzlich sei ihr Vater gestorben und zu allem Überfluss sei herausgekommen, dass ihre jüngste Tochter vom eigenen Vater missbraucht wurde.

Streitereinen und Umarmungen

Im Juli 2006 ist Heike K. mit Familie in die Polenzstraße in Zwickau gezogen. Durch einen Wasserschaden lernte sie Beate Zschäpe kennen, die im Erdgeschoss wohnte. Mit ihr hat sich die arbeitslose K. danach regelmäßig getroffen, auch nachdem "Lisa", wie Zschäpe genannt wurde, längst in die Frühlingsstraße umgezogen war. K. erzählt von unzähligen Gesprächen, vielen Weinflaschen, die man zusammen geleert habe. Von Streitereien und Umarmungen. Von ihrer Freundin weiß K. allerdings nur wenig zu berichten, denn es war wohl eine sehr einseitige Beziehung. Die Gespräche drehten sich um ihre vielen Probleme, "Lisa", der "Anker" in ihrem Leben, habe selbst kaum Privates preisgegeben. Dass ihre Freundin von der Polizei gesucht wurde wusste K. zu keinem Zeitpunkt.

Hobbys im Keller

Mit Zschäpes mutmaßlichen Komplizen und Mitbewohnern Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos will die Zeugin kaum Kontakt gehabt haben, sie erkennt die beiden Männer heute aber auf vorgelegten Fotos wieder. Zunächst sei ihr gar nicht klar gewesen, ob die nur zu Besuch gekommen seien oder in der Polenzstraße wohnen würden, sagt K. Im Keller habe oft Licht gebrannt. Dort, so vermutet Heike K., wären die beiden Uwes wohl ihren Hobbys nachgegangen. Männer hätten ja viele Hobbys, die in Kellern stattfinden würden, meint K dann noch. Die einen würden etwas mit Holz machen, die anderen hätten eine Eisenbahn und wieder andere würden Dinge tun, über die sie hier nicht reden wolle.

Keine Urlaubskarte

NSU-Trio

Jedes Jahr sei das Trio für mehrere Wochen in den Urlaub gefahren, berichtet Heike K. Immer habe sie gehofft, einmal eine Urlaubskarte von "Lisa" zu bekommen. Das sei aber nie geschehen. Heike K. selbst ist nach eigener Aussage 20 Jahre lang nicht mehr in den Urlaub gefahren.

Am 1. November 2011 - also drei Tage vor dem Selbstmord von Zschäpes mutmaßlichen Komplizen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos - sah sie Zschäpe zum letzten mal in Freiheit. Da sei Zschäpe unruhiger gewesen, habe nicht so viel geredet. "Mir war es so, als ob sie mir irgendwas sagen wollte - und hat sie dann doch nicht", sagt Heike K. In ihrer Vernehmung bei der Polizei hatte K. sogar berichtet, an dem Abend habe Zschäpe sie richtig festgehalten und dabei Tränen in den Augen gehabt.

Zschäpe am Mikrofon

Die beste Freundin schweigt auch am 67. Verhandlungstag. Niemand hat etwas anderes erwartet. Die Verteidigungsstrategie sieht das so vor. Doch Beate Zschäpe berührte auffallend oft das Mikrofon an ihrem Tisch, drehte daran herum, bog es mal nach links und mal nach rechts. Vielleicht hätte die Frau, der die Mittäterschaft an zehn Morden zur Last gelegt wird, heute gerne einmal geredet.


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