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Wohnungsnot in München Für 350 Euro ins Containerdorf

40 Euro für den Quadratmeter Wohnfläche warm, und wirklich kein Luxusappartement, sondern eine ganz einfache Unterkunft, solche Angebote gibt es tatsächlich, mitten in Bayern, in München. Reinhard Weber hat sie besucht.

Von: Reinhard Weber

Stand: 17.03.2017 |Bildnachweis

Wohnen im Wohncontainer | Bild: BR

Ich checke Zimmerangebote, eine Anzeige sticht mir sofort ins Auge. So etwas habe ich noch nie gesehen: Schlafplatz in Wohncontainer für 350 Euro im Monat.
Ich melde mich als Interessent. Ich lasse mir die Adresse geben und suche nach Bildern im Internet. Da steht nicht nur ein Container. Viele Rumänen und Bulgaren wohnen da, hat der Vermieter noch gesagt. Ich fahre hin, nehme ein Kamerateam mit.

Wohnungsprobleme in München

Wohncontainer

Wohnungsprobleme gab es in München schon immer. In den Fünfziger- und Sechzigerjahren hat sich die Mietsituation so zugespitzt, dass sich Schlangen bei der Wohnungsbesichtigung bildeten. Bereits 1958 wurde die Millionenmarke bei der Einwohnerzahl überstiegen. Heute hat die Landeshauptstadt bereits gut 1,5 Millionen Einwohner, für 2030 werden weitere 250.000 erwartet. Deshalb rechnet man mit einem Bedarf von jährlich 11.000 zusätzlichen Wohnungen.

Der Stadtrat hat Ende vergangenen Jahres das größte kommunale Wohnungsprogramm Deutschlands beschlossen, plant eine ganze Reihe wegweisender Projekte. Und doch werden es nicht genügend Wohnungen sein, um den Zuzug zu bewältigen.

"Aus der Sicht eines Bürgers, der in München eine Wohnung sucht, wird es nie reichen. Auf der anderen Seite haben wir schon eine gute Grundausstattung, wenn wir uns etwa vergleichen mit Paris oder London, haben wir mit unseren Wohnungsbauprogrammen schon dazu beigetragen, dass dieser Druck auf dem Wohnungsmarkt etwas abgefedert wird."

Prof. Elisabeth Merk, Stadtbaurätin, München

Maroder Zustand

Aber eben nur etwas. Sonst gäbe es nicht solche Bleiben wie die Containerschlafplätze. Der marode Zustand schockiert mich. Ich bin gespannt, was mir der Vermieter nun zeigen wird. Gleich bei der Begrüßung meint er, dass es wohl eher nichts für mich sei. Trotzdem lasse ich mich herum führen, dokumentiere einiges mit Kamera. Schnell wird klar, hier herrschen katastrophale Zustände. Der Vermieter erzählt, bei Wechsel im Container, desinfizieren sie und sprühen Gift gegen Kakerlaken. Dankend lehne ich ab.

Den Container selber wollte man mir gar nicht mehr zeigen, hat man mir abgeraten, ich würde da nicht hinpassen. Die Sanitäranlagen: vier Duschen für die gesamte Anlage, Container werden mit Entlausungsspray gereinigt, da will man nicht einziehen, nicht für 350 Euro.

Messerstecherei, Schlägerei

Ich spreche den Nachbar gegenüber im Garten an. "Da wohnen ganze Familien drin." Wie lange schon?“ "Paar Jahre, die Container sind halt immer mehr geworden." "Was passiert da so alles?" "Von der Messerstecherei bis zur Schlägerei, haben wir alles schon da gehabt."

Ich gehe noch zu dem Nachbar, dessen Grundstück direkt angrenzt. Er hat ungehindert Einblick in die Situation.
Zu mir hatte der Vermieter gesagt, es wohnen 40 Personen da. Der Nachbar beobachtet es anders.

"Es heißt zwar pro Container zwei Stück, aber es sind meistens vier drin, so wie ich das sehe. Gut die Leute müssen auch wo hin, aber der, wo das vermietet, das ist echt übertrieben."

Nachbar

Hier war auch Wiese. Nun lässt die Stadt München von ihrer Wohnungsgesellschaft Gewofag ein Pilotprojekt bauen. In zwei Blocks sollen fast 440 Wohnungen entstehen für einkommensschwache Familien. Und für Normalverdiener, für die aber keine Einkommensgrenzen gelten. Trotzdem wird die Miete bei 11 Euro gedeckelt. Ein neuer Ansatz, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Klage der Anwohner

Doch ein Teil der Baustelle steht still. Statt sechs Stockwerken will man mit einer Befreiung vom Bebauungsplan nun acht Stockwerke errichten. Anwohner haben dagegen geklagt. Das Gericht verhängte einen Baustopp wegen zu geringer Abstände zu den Nachbarhäusern.

"Wir haben ein Projekt beantragt, das Gericht hat eine andere Sicht auf die Abstandsflächen als die Baugenehmigungsbehörde. Insofern haben wir jetzt Klarheit durch dieses Urteil, und wir planen um, dadurch verlieren wir von etwa 440 Wohnungen etwa 12-14 Wohnungen."

Dr.Klaus-Michael Dengler, Geschäftsführer Gewofag, München

Die Bürger wollen bezahlbare Wohnungen, legen sich dann aber quer, wenn sie vor ihrer Haustüre entstehen. Eine Zwickmühle für die Stadtplaner.

Schwierig ist es überall in Bayern

Auch wenn München der größte Brennpunkt in Sachen Wohnungsnot ist, trifft es den gesamten Großraum. Überall gibt es starken Zuzug und stark steigende Mieten von Pfaffenhofen bis Landsberg am Lech. Bezahlbarer Wohnraum fehlt in allen bayerischen Städten.

Hochrechnungen bis 2030 sagen voraus: München braucht mit 11.400 neuen Wohnungen pro Jahr am meisten. In Nürnberg fehlen jährlich 2.400 Wohnungen. Augsburg, Regensburg und Ingolstadt folgen mit einem Bedarf von 1.500, 950 und 850 Wohnungen auf den weiteren Plätzen.

Besuch beim Mietverein München

Den Fall Containerschlafplatz lege ich dem Mieterverein München vor. Umgerechnet etwa 40 Euro warm pro Quadratmeter für so eine Unterkunft, das klingt doch nach Wucher.

"Das könnte Wucher sein, auf jeden Fall würde die Mietpreisbremse grundsätzlich greifen. Aber das ist sehr schwierig durchsetzbar, insbesondere auch bei dem Klientel, so dass ich denke, dass es da wirklich keine Möglichkeit gibt, den Leuten zu helfen."

 Volker Rastätter, Geschäftsführer Mieterverein München e.V.

Ich will nicht glauben, dass man einfach Container aufstellen darf und zu solchen Preisen vermieten kann. Ich hake bei der Stadt München nach, ob das rechtens ist. Nach Prüfung teilt man mir mit, es handele sich ausnahmslos um ungenehmigte Bauten und Nutzung. Und man wolle nach Klärung eines Pachtvertrages das Gelände räumen lassen.

Immerhin. Doch wenn keine Lösungen für bezahlbaren Wohnraum geschaffen werden, entstehen wahrscheinlich an der nächsten Ecke die nächsten Containerdörfer.







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qw, Freitag, 17.März 2017, 08:59 Uhr

4. Container bisher nur für Schulen

Ich fand es bisher schon befremdlich, wenn Kinder nur noch in diesen schrecklichen Containern unterrichtet werden, obwohl Gelder für Bankenrettung etc. ausgegeben wird. Warum ist für Schulen und für Bildung kein ausreichendes Geld da?

Aber hier zeigt sich die Realität, wie die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander geht.
Die Steigerung sind dann die Favelas an den Randbezirken der Städte? Haben wir die nur noch nicht, weil es bei uns im Winter zu kalt wird?

  • Antwort von thorie, Freitag, 17.März, 11:39 Uhr anzeigen

ein Wohnraumanbieter, Freitag, 17.März 2017, 08:58 Uhr

3. wenn nicht die öffentliche Hand, dann private Investoren

Wer stellt schon Wohnhäuser hin, wenn es einfach ein totales Draufzahlgeschäft ist?

1. Als Privater kann man gar nicht so billig bauen, dass man die Herstellungskosten (in Worten Herstellungskosten) für ein Gebäude (.z.B. mit 6 Wohnparteien) mit den Mieten in 10 Jahren wieder hat.

2. Mietpreisbremse hin oder her, gibt genügend Möglichkeiten den Preis zu bekommen, den man will bzw. der einfach von den Interessenten aus Not bezahlt wird.

Gilt für alle Vermietungen im Stadt- oder im ländlichen Bereich: Über die Miethöhe schließt man einen bestimmten finanzschwachen Personenkreis einfach aus.

In Gesprächen merkt man mit Interessenten sehr schnell, wo die Ursachen bei einer persönlichen, derzeitigen finanz- oder sozialschwachen Phase liegt. Diese Leute haben als Mieter eine Chance bekommen und haben nicht enttäuscht.

Bei diesen im Artikel genannten Personenkreisen, liegt die Vermietungsattraktivität ganz weit unten = Container - Kriminalität - einfach nur sch....

  • Antwort von Wolfgang Schönfelder, Freitag, 17.März, 11:01 Uhr anzeigen

  • Antwort von No name, Freitag, 17.März, 11:14 Uhr anzeigen

  • Antwort von wm, Freitag, 17.März, 16:05 Uhr anzeigen

Nadine, Freitag, 17.März 2017, 08:37 Uhr

2. Anstieg der Mietpreise

Steigende Mieten in Landsberg am Lech? Also was da an der Stadt attraktiv sein soll, dies ist mir echt schleierhaft. Der Hauptplatz ist voll eklig. Überall liegen dort Zigarettenkippen und Kaugummis herum. Ganz ehrlich: da gibt es schönere Plätze auf der Welt. Mich kriegt dort auch niemand mehr hin. Lieber bestelle ich die Dinge im Internet, als in eine schmutzige Stadt zu laufen. Dazu hat die Stadt Landsberg nicht einmal einen richtigen Bahnhof d.h. nur so einen Sackgassenbahnhof. Wenn man von dort nach München möchte, dann ist dies ab dort eine echte Weltreise. Erst nach Kaufering, dann warten, warten, warten (auf einen Anschlusszug) und irgendwann mal weiter nach München. Ne. Dass da die Mieten steigen, dies ist völlig unverständlich. Vor allem: kaum fährt man nur 2 Kilometer aus der Stadt heraus, gibt es nicht einmal einen ordentlichen Mobilfunkempfang. Wer möchte hier denn nur wohnen?

  • Antwort von Felix, Freitag, 17.März, 10:29 Uhr anzeigen

  • Antwort von alge, Freitag, 17.März, 13:55 Uhr anzeigen

  • Antwort von Nadine, Samstag, 18.März, 06:37 Uhr anzeigen

mark, Freitag, 17.März 2017, 07:54 Uhr

1. Das soziale Land eutschland

Von einem sozialen Miteinander haben wir uns in diesem Land schon lange verabschiedet. Startpunkt dieser Misere ist 1982, die sog. geisitig moralische Wende des Herrn Kohl, wodurch geistig und moralisch eine ganz neue, aber nicht unbedingt bessere Qualität erhalten haben. Inm den 90er Jahren habe ich bei einem amerikanischen Unternehmen gearbeitet, die waren stolz darauf zu sagen, für ihre Produkte das zu nehmen, was ihre Kunden bereit sind dafür zu zahlen, was es ihnen wert ist. Diese Philosophie ist mittlerweile in ganz Deutschland angekommen, was bedeutet, es wird nicht mehr ein reeller Wert angesetzt sondern das genommen, was irgendein beliebiger Kunde zahlen kann. Bei Wohnungen in bestimmten Städten ist das nach oben hin offen. Und Notunterkünfte für Asylbewerber werden eh aus staatlichen Mitteln fnanziert. Da gibt es nach oben noch weniger Grenzen, kann man sich als "Vermieter" "gesund stoßen". Bedenkliche und traurige Moral.

  • Antwort von Leonia, Freitag, 17.März, 08:30 Uhr anzeigen

  • Antwort von Th, Freitag, 17.März, 08:38 Uhr anzeigen

  • Antwort von Daisy, Freitag, 17.März, 09:51 Uhr anzeigen

  • Antwort von Zauberin, Freitag, 17.März, 11:48 Uhr anzeigen

  • Antwort von mark, Freitag, 17.März, 12:35 Uhr anzeigen

  • Antwort von Hadschi Halef Omar ben Hadschi etc. etc. etc., Freitag, 17.März, 16:33 Uhr anzeigen