Populär, aber falsch Wie funktionieren Verschwörungstheorien?
Der 11. September 2001, das Ende des Dritten Reichs, die amerikanische Mondlandung und Bielefeld haben alle eines gemeinsam: Sie sind Bestandteil prominenter Verschwörungstheorien. Die funktionieren alle nach ähnlichen Mustern - auch bei der AfD.

Eine der bekanntesten deutschen Verschwörungstheorien ist die Bielefeld-Verschwörung. Die ist angeblich Mitte der 1990er-Jahre auf einer Party in Kiel entstanden und wurde über das Usenet, einem Vorläufer der sozialen Medien, verbreitet. Die Bielefeld-Verschwörung war als Satire gedacht, sie zeigt aber hervorragend die Mechanismen, die auch ihre ernst gemeinten Verwandten auszeichnen: Ein in sich geschlossenes Weltbild blendet Informationen, die nicht in ihr Bild passen, konsequent aus - oder noch besser, baut diese einfach mit in die Theorie ein.
Die Bielefeld-Verschwörung
Die Bielefeld-Verschwörung wird üblicherweise mit drei Fragen etabliert: 1. Kennen Sie jemanden aus Bielefeld? 2. Waren Sie jemals in Bielefeld? 3. Kennen Sie jemanden, der einmal in Bielefeld war?
Natürlich antworten viele Menschen auf alle drei Fragen mit "Nein" - und zack: Schon ist der Zweifel an der Existenz der Stadt Bielefeld gesät. Wenn jemand schließlich behauptet, Bielefeld zu kennen, wird er einfach als Teil der Bielefeld-Verschwörung diskreditiert.
So ähnlich funktioniert auch die Theorie, die US-Amerikaner seien nie auf dem Mond gelandet oder der Glaube daran, dass das World Trade Center in Wirklichkeit vom US-Geheimdienst gesprengt wurde. Auch hier stehen Fragen im Vordergrund, die dazu gedacht sind, Zweifel an der offiziellen Version zu schüren. Wieso steht die US-Fahne auf dem Mond im Wind, wo doch in der Atmosphäre des Mondes gar kein Wind existiert? Und wieso gaben die Stahlträger der Zwillingstürme nach, wo doch Stahl erst bei 1500 Grad Celsius schmilzt und Kerosin nur mit 800 Grad brennt? Natürlich gibt es auf beide Fragen logische Antworten, die interessieren die Anhänger von Verschwörungstheorien aber nicht.
Besser: Verschwörungsideologie
"Verschwörungstheorie" ist eigentlich das falsche Wort, Verschwörungsideologie trifft es besser, meint der Historiker Wolfgang Wippermann. In seinem Buch "Agenten des Bösen" hat er 2007 versucht, eine umfassende Geschichte der Verschwörungsideologien seit Luther zu schreiben. Grund für seine Unterscheidung : Theorien lassen sich durch Fakten widerlegen. Die meisten Verschwörungsfreunde dagegen lassen sich durch angebliche Tatsachen nicht aus der Ruhe bringen. In diesem Sinne sind viele Verschwörungstheorien totalitär. Sie blenden aus, was nicht in ihr Bild passt.
Die Psychologie der Verschwörung
Die psychologische Forschung widmet sich schon länger dem Verschwörungsglauben an Verschwörungstheorien und hat inzwischen einige interessante Erkenntnisse gesammelt. Zum einen wurde mehrfach nachgewiesen, dass Menschen, die an eine Verschwörungstheorie glauben, auch anfällig für andere Verschwörungstheorien sind, die mit der ersten Theorie überhaupt nichts zu tun haben. Das führt die Psychologen zu der Annahme, dass es ein bestimmtes Mindset gibt, bei dem diese Theorien auf fruchtbaren Boden fallen. Zum anderen wurde gezeigt, dass die meisten Menschen, die an die Theorien glauben, echten Kontrollverlust erlebt haben. In Experimenten hat die Wiederherstellung der gefühlten Kontrolle über eine Situation dazu geführt, dass Verschwörungstheorien als weniger wahrscheinlich wahrgenommen wurden.
Wichtige soziale Funktion der Theorien
Die Psychologen nehmen deshalb an, dass Verschwörungstheorien die Funktion erfüllen, ihren Anhängern wenigstens die Illusion von Kontrolle über ihr eigenes Leben zurückzugeben. Dazu passt auch die Tatsache, dass der Glaube an Verschwörungstheorien früher im Mainstream viel verbreiteter war als heutzutage. Auch viele große Intellektuelle waren überzeugte Verschwörer. Die Theorien erfüllten offenbar die wichtige soziale Funktion, überkomplexe Sachverhalte verstehbar zu machen. Heute dagegen kann man mit dem Vorwurf, jemand sei Anhänger von Verschwörungstheorien, wissenschaftliche Karrieren zerstören. Nichtsdestotrotz: Verschwörungstheorien bringen ihre Anhänger in eine psychologisch einigermaßen komfortable Situation. So lange sich die Theorie nicht offiziell bestätigt, können sie sich damit trösten, im Besitz der „wahren Wahrheit“ zu sein. Und sollten die Reptilien doch einmal offiziell die Weltherrschaft übernehmen, schlägt ihre große Stunde: "Ich hab’s ja immer gesagt".
Wie geht Verschwörungstheorie? Vier wichtige Zutaten:
Die Schuldigen
Allen Verschwörungstheorien ist gemeinsam, dass es einen - wenn auch oft nicht sehr spezifisch benannten - Übeltäter gibt (der tiefe Staat, die Geheimdienste, die Hochfinanz, die jüdische Weltverschwörung). Psychologisch ist das leicht erklärbar, wenn man bedenkt, dass viele Anhänger über die Theorien eigenes erlebtes Leid und Hilflosigkeit besser verarbeiten. Die Zuschreibung von Schuld macht das Ertragen leichter, da scheint es auch nicht schlimm zu sein, wenn die Zuschreibung der Täterschaft ziemlich unkonkret bleibt: "Die da oben", der Geheimdienst oder Reptilien aus der vierten Dimension (kein Scherz).
Suggestive Fragen stellen den Status Quo in Frage
Schwer nachprüfbare Behauptungen
Immunisierungsstrategien
"Just because you're paranoid, doesn't mean that they aren't after you"
Natürlich gibt es auf dieser Welt eine Menge Aktionen staatlicher Akteure oder Interessensgruppen, die mehr oder weniger im Geheimen auf ein Ziel hinarbeiten. Und natürlich haben sich auch schon in der Vergangenheit als Verschwörungsdenken abgetane Theorien im Nachhinein als tatsächliche Geheimdienstoperationen herausgestellt. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die meisten populären Verschwörungstheorien Quatsch sind. Und ebenso natürlich: Nicht alles, was heute durchs Netz geistert und als Verschwörungstheorie bezeichnet wird, ist auch wirklich eine. Viele hanebüchene Behauptungen im Zuge der Flüchtlingskrise sind einfach schlechte Fälschungen, die mit den Ängsten der Menschen vor dem Fremden spielen. Ein gutes Beispiel sind Posts in den sozialen Netzwerken, die von massenhaften Tiermorden durch Muslime berichten, oder von Flüchtlingen, die hier reihenweise Sozialleistungen absahnen, die Deutsche niemals bekämen.
Die "Wahrheit" im Hintergrund
Zur Verschwörungstheorie werden diese Fakes erst dann, wenn sie in eine größere Erzählung eingebettet werden. Beispiel: "Die Muslime wollen Deutschland islamisieren. Dazu schicken sie erst massenhaft Menschen her, die sich dann vermehren. Und dann rufen sie in Leipzig die Scharia aus." Oder: "Interessierte US-Kreise finanzieren die Flüchtlingsströme nach Europa, um den Kontinent zu destabilisieren und ihre Stellung als Hegemonialmacht auf der Welt zu zementieren." In beiden Fällen kommt zu den aktuellen Geschehnissen ein perfider Plan dazu (Scharia einführen, Europa destabilisieren), der von einem skrupellosen Handelnden (Irgendwelche mächtigen Muslime, die Leute, die in den USA die Fäden ziehen) verfolgt wird.
Und was hat die AfD damit zu tun?
Verschwörungstheorien und Berichte darüber haben seit einiger Zeit Konjunktur. Das hat auch mit der sich ändernden politischen Situation in Deutschland zu tun. Pegida trägt mit alarmistischen Warnungen vor einer angeblichen Islamisierung Deutschlands einen Teil zu dieser Stimmung bei, die AfD genauso. Nun ist die AfD nicht mit Pegida gleichzusetzen. Eine Studie des Göttinger Instituts für Demokratieforschung kommt aber zu dem Schluss: 80 Prozent der Pegida-Demonstranten, die ihren Fragebogen ausgefüllt haben, würden die AfD wählen. Die anderen 20 Prozent würden gar nicht wählen. Interessanterweise sind auch etwa 20 Prozent der Meinung, dass Demokratie als Staatsform nicht die beste Idee ist.
Gegenöffentlichkeit der Verschwörungsgläubigen
Auch die Erosion des Vertrauens dieser Bevölkerungsgruppe in die öffentlich rechtlichen Medien verstärkt die Tendenz zum Verschwörungsglauben. Alternative Medien erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Bücher über die gesteuerte "Lügenpresse" führen wochenlang die Bestsellerlisten an. Und Jürgen Elsässers immer beliebteres "Compact"-Magazin bringt die kruden Theorien einer größeren AfD-Leserschaft nahe. Es scheint so zu sein, dass die deutsche Medienlandschaft mal wieder der amerikanischen folgt. Dort sind "Fringe Media"-Seiten wie Alex Jones‘ inforwars.com - also Seiten, die sich mit abstrusen Theorien abseits des Mainstreams beschäftigen - schon länger ein populäres Phänomen. US-Experten führen die Entstehung dieser Seiten und den um sich greifenden Glauben der US-Bürger an Verschwörungstheorien übrigens auf eine Krise des politischen Systems zurück. Möglicherweise ist es auch in Deutschland langsam so weit.
Kommentieren
Babsi, Mittwoch, 03.Februar 2016, 10:07 Uhr
17. Was ist das denn?
"Populär, aber falsch" nach dieser Einführung hatte ich erwartet das wenigstens die aufgezählten "Verschwörungstheorien" sachlich widerlegt werden würden, mit Beweisen, Formeln, Querverweise auf unabhängige Studien. Doch Fehlanzeige, es wird nur die Meinung eines Reporters, in dem Fall des Herrn Max Muth wiedergespiegelt. Diese kann man ja auch sofort im angeführten ersten Satz erkennen. Somit komme ich zu dem Entschluß, das auch dieser Artikel absolut nichts mit objektiver Berichterstattung zu tun hat, und eine Schande, das ich dafür auch noch bezahlt habe.
Und dann wundert man sich, das die Presse als unglaubwürdig abgestempelt wird. Was ein Hohn!!!
Antwort von Max Muth, Mittwoch, 03.Februar, 12:16 Uhr anzeigen
Liebe Babsi,
entschuldigen Sie bitte, dass mein Artikel so wenig Beweise und Formeln enthält. Er ist für ein Publikum geschrieben, das nicht in Mathematik promoviert hat. Wenn Sie so freundlich wären, mit einer gültigen Email-Adresse zu kommentieren, dann schicke ich Ihnen gerne die entsprechenden Formeln zu,
mit den besten Grüßen,
Max Muth
Antwort von Geistig Gesund , Mittwoch, 03.Februar, 16:45 Uhr anzeigen
Mann muss nicht jeden bullshitt widerlegen,wenn jemand an Echsen aus der Unterwelt oder Chemtrails glaubt ist dem einfach nicht zu helfen. Er wird auch eine wissenschaftlich fundierte Erklärung nicht akzeptieren,das ist der Witz an dieser "Erkrankung ".
Antwort von Geistig Krank, Donnerstag, 04.Februar, 13:44 Uhr anzeigen
@Geistig gesund
Sie sagen es. Interessant dabei: So gar keine Ahnung haben und solche Wertungen rauszupfeffern, grenzt an dreister Frechheit. Auf die Realmailadresse wartet der Autor wohl bis... !
Der Artikel ist einwandfrei. Wer sich darüber hinaus vertiefend informieren möchte hat doch im Netz alle Möglichkeiten zur Verfügung. Ach Gott sind manche so unbeholfen...
Antwort von Babsi, Donnerstag, 04.Februar, 14:05 Uhr anzeigen
Na fürs erste würde mir es schon reichen, den Schmelzpunkt für arabische Ausweise zu erfahren. :D
Diese werden ja, Gott sei Dank, immer und überall gefunden, auch im Schutt des WTC.
Wer Behauptungen öffentlich verbreitet sollte auch die Beweise mit anhängen.
Alles andere wäre ja sonst Propaganda, und da von sind wir ja in Deutschland weit entfernt...
Antwort von Retro Pappski, Freitag, 05.Februar, 08:41 Uhr anzeigen
Babsi, nun verschonen Sie uns doch bitte mit den kllen Kamellen. Wenn es Sie so brennend interessiert und noch nie davon gehört haben, suchen Sie sich das bitte aus dem Netz. Wikipedia hilft, Gockel hilft und zig andere. Sonst sind Sie eine Schande für doofe Kommentatoren, die den Rollator fürs Internet braucht?
Sorry, ein bisschen beissen muss man auch, damit man weiß wofür man bezahlt hat ;-)
Antwort von Investigator, Montag, 08.Februar, 17:37 Uhr anzeigen
Babsi ist auch eine "ferngesteuerte" aus dem 009...
Bernhard, Mittwoch, 03.Februar 2016, 07:16 Uhr
16. Bielefeld
"Bielefeld gibt es doch gar nicht" wird überwiegend mit einem schelmischen Grinsen gesagt,
ohne dass es derjenige ernst meint..
Die Bielefeld-Verschwörung war als Satire gedacht und ist eine Satire geblieben.
Sie ist keine echte Verschwörungstheorie, sondern ein "Running Gag" (Dauerwitz), der eine Verschwörungstheorie imitiert.
Ich erwarte von Herrn Muth als studiertem Philosoph, dass er solche Feinheiten herausarbeitet, anstatt beides in einen Topf zu werfen.
Storm Business, Mittwoch, 03.Februar 2016, 03:49 Uhr
15. Deutsche sind so herrlich naiv...
...und zermartern sich erst einmal das eigene Gehirn. Selbstkritisch, systemimanent, Staatskrise und was ich sonst noch alles lesen muss.
Max Huth hat es doch schon angedeutet. Und mit 9/11 ist ebenso.
Big business!
Mit diesem Stoff werden zwischenzeitlich billions of bucks verdient und die Kunden sind happy. Sie wollen was anderes glauben. Aus Trotz, Prinzip oder weil es ein hype ist. Fruher hast du abstruse Gedanken gehabt und du gehst ab in jail oder Clinic. Heute gehörst du da zu, wenn du auch ein bisschen spinnst.
Chemtrails, no problem at all. Die könnten auch behaupten, die Aliens malen die täglich an den Himmel, um uns Signale zu senden.
Egal, we make money.
Zeitungen, Youtube Channels, Bücher, T-Shirts, DVDs und allen möglichen unnützen Kram verkaufen sich bestens. Jeden Tag steht eine Dumme auf, du musst sie nur finden ;-)
Ihr könnt die Kopf wiedr aus dem Sand nehmen :-)
Antwort von Extra, Freitag, 05.Februar, 08:45 Uhr anzeigen
Sogar, super doof und viele merken es gar nicht ;-)
Andre, Dienstag, 02.Februar 2016, 18:03 Uhr
14. Das Beste kommt immer zum Schluss...
Hinweis auf Zusammenhang von V.'stheorien und der "Krise des politischen Systems":
Die überwiegend einzige Mitwirkungsmöglichkeit des Bürgers an polit.Entscheidungen in unserem System, ist zu den Wahlen zu gehen. Und dann darf der Bürger hoffen und glauben...,dass die von ihm gewählten Politiker zum besten Wohl des Volkes entscheiden (am besten ohne Fraktionszwang..), was oft nicht geschieht.
Wenn man sich die Verflechtungen zwischen Medien, Wirtschaft und Politik anschaut, die es zweifelsohne gibt,wird man zu der Anschauung gelangen, dass sich die Politik sowohl auf Bundes-als auch auf EU-Ebene immer mehr abkoppelt vom Bürger/dem Souverän. Dass sich in so einem Umfeld, wo sich die Politik systemimmanent relativ leicht vom Bürger abschotten kann, sog.Verschwörungstheorien leichter gedeihen können, liegt auf der Hand.
Das System müsste durchlässiger werden, transparenter, gerade wenn so weitreichende Entscheidungen wie TTIP über den Bürger hinweg entschieden werden können
Rentner, Dienstag, 02.Februar 2016, 17:20 Uhr
13. Meine Verschwörungstheorie: Öffentlich-rechtliche Rentneranstalt
Beim öffentlich-rechtlichen-Rundfunk, von Kritikern auch Staats- oder Parteienfunk genannt, läßt es sich gut leben:
WDR-Intendant Tom Buhrow verdient aktuell 359.000 Euro im Jahr, wenn er in den Ruhestand geht, wird es nicht weniger. Hohe Ruhestandsgehälter, von denen jeder sozialversicherte nicht mal träumen kann, sind nach Berichten der FAZ und der Bild kennzeichnend für die Öffentlichen Rundfunkanstalten.
Allein die ARD hat 7,4 Milliarden € Rücklagen für Renten gebildet - aus Rundfunkbeiträgen.
Da wird man es sich mit den etablierten Parteien, die, gelinde gesagt, Einfluß auf die Anstalten haben, natürlich nicht verscherzen. Außerdem entscheidet die Politik über die Höhe der Rundfunkgebühren und damit über den Kuchen, der zu verteilen ist.
Vielleicht könnte das die Berichterstattung dieser Sender zu aktuellen Themen und zu möglichen Konkurenzparteien erklären?
Wess Brot ich ess - des Lied ich sing. Aber das ist natürlich nur eine unbewiesene (Verschwörungs-) Theorie!
Antwort von Alg2hoch2, Mittwoch, 03.Februar, 08:58 Uhr anzeigen
Was soll dieses stumpfsinnige, pauschale, neidgesteuerte Gequatsche gegen einen Intendanten?
Was hat das mit Verschwörungstheorie zu tun? Leute, es muss euch schon richtig dreckig gehen oder ihr lebt ein offenbar einsames, unaufgeregtes Rentnerdasein, das einen Kick braucht?
Führungspositionen in Grosskonzernen werden mitunter um einiges besser vergütet. Unterschiede gibt es immer wieder, was soll's?