NSU-Prozess


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57. Verhandlungstag "Ein ganz normaler Jugendlicher"

Am 57. Prozesstag hat Brigitte Böhnhardt vor dem Münchner Landgericht ausführlich die Kindheit und gescheiterte Schullaufbahn ihres Sohnes Uwe geschildert. Sie berichtete auch, wie der mutmaßliche Mörder mit der Neonazi-Szene in Kontakt kam.

Stand: 20.11.2013 | Archiv

Der Zeugin waren diese Fragen zunächst zu privat, sie schilderte dann aber doch wie ihr mittlerer Sohn 1988 durch einen Sturz im Alter von 17 Jahren tödlich verunglückte. Das habe die Familie schwer traumatisiert. Das Verhältnis zwischen Uwe Böhnhardt und dem verunglückten Bruder sei sehr innig gewesen. Ihren Sohn Uwe beschrieb Brigitte Böhnhardt erneut als ganz normalen Jugendlichen. Er sei "schulfaul" gewesen, habe aber ansonsten keine schlechten Eigenschaften gehabt.

Brigitte Böhnhardt erhob auch schwere Vorwürfe gegen die Behörden. Die ehemalige Lehrerin sagte, sie habe sich vom Schulsystem im Stich gelassen gefühlt. Später, als ihr Sohn untergetaucht war, hätten Beamte des Landeskriminalamts Druck auf sie ausgeübt, damit sie seinen Aufenthaltsort bekannt gibt. Sie hätten mehr oder minder unverhohlen damit gedroht, ihren Sohn und seine Komplizen andernfalls bei einer Festnahme zu erschießen.

Vor dem Gerichtssaal hatte sich zu Beginn des Verhandlungstags eine Schlange gebildet, nicht alle Interessierten konnten den Auftakt verfolgen. Das Gericht erhoffte sich von Brigitte Böhnhardts Aussage Erkenntnisse darüber, welche Rolle die Angeklagte Beate Zschäpe innerhalb des NSU spielte. Brigitte Böhnhardt hatte nach ihrer eigenen Aussage noch bis 2002 Kontakt zu ihrem Sohn, obwohl das Trio bereits seit 1998 im Untergrund agierte.

Welche Funktion hatte Beate Zschäpe innerhalb des NSU?

Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass Beate Zschäpe für die legale Fassade des Trios gesorgt hat und wirft ihr damit Mittäterschaft vor. In einem NDR-Interview von 2012 hatte sich Brigitte Böhnhardt entsetzt über die Morde der Neonazi-Gruppe gezeigt. "Mir tun auch die Familien wirklich unendlich leid, die das erfahren mussten", hatte die ehemalige Lehrerin gesagt.

"Das kann man nicht verzeihen, man kann doch niemandem verzeihen, der den Vater oder Ehemann umgebracht hat."

Brigitte Böhnhardt

Von den Morden habe sie nicht gewusst. Sie habe geglaubt, die drei hätten sich nach ihrem letzten Treffen ins Ausland abgesetzt. Zuvor habe sie versucht, die drei Untergetauchten dazu zu überreden, sich der Polizei zu stellen. Im Jahr 2002 habe sie Uwe Mundlos, Beate Zschäpe und ihren Sohn zum letzten Mal getroffen. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Neonazis schon vier Menschen ermordet.


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