NSU-Prozess


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50. Verhandlungstag, 24. Oktober Gericht bricht Experten-Anhörung ab

Wie starb Ismail Yasar? Darum ging es unter anderem am 50. Verhandlungstag im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht (OLG) München. Yasar war das sechste Opfer der Serie, er starb in Nürnberg im Jahr 2005. Auch die Tatwaffe stand dabei im Fokus. Doch der Vorsitzende Richter Manfred Götzl brach die Vernehmung eines Waffenexperten des Bundeskriminalamts (BKA) ab.

Stand: 24.10.2013 | Archiv

Ceska 83, 7,65 Browning mit Schalldämpfer | Bild: picture-alliance/dpa

Sachverständige rekonstruierten den Nürnberger Mord an Yasar. Der BKA-Beamte kam zu dem Ergebnis, dass der Täter insgesamt fünf Schüsse auf Yasar abgefeuert hatte. Nach Angaben eines Gerichtsmediziners lebte Yasar höchstens noch wenige Minuten, bevor er verblutete. Laut Anklage führten die Neonazi-Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos die Tat aus. Wer von den beiden jeweils schoss, bleibt offen.

Nach den Aussagen des BKA-Beamten gerieten allerdings Verteidiger und Gericht in Streitereien über die Verhandlungsführung. Die Befragung des Waffenexperten wurde daraufhin abgebrochen. Er sollte ein Gutachten über die wichtigste Waffe des NSU vor Gericht präsentieren: Mit einer Pistole der Marke Ceska erschoss der NSU laut Anklage neun Geschäftsleute ausländischer Herkunft. Der Experte verlor sich allerdings zunächst in Details zu Anhaftungen an einzelnen Geschossen, was Wolfgang Stahl, Anwalt der Hauptangeklagten Beate Zschäpe, beanstandete: "Ich kann das nicht verstehen, was der Sachverständige da macht." Dann versuchte der Waffenexperte, seine Methodik zu erklären, was einen Verteidiger an eine "kriminologische Vorlesung" erinnerte, die keinen Bezug zu den konkreten Fällen erkennen lasse. Zudem wurde beanstandet, dass der BKA-Beamte Fotos mitgebracht hatte, die den Beteiligten noch nicht vorlagen. Schließlich unterbrach Götzl die Vernehmung. Der Sachverständige soll nun an einem anderen Termin gehört werden und bis dahin fehlende Fotos nachreichen.

Erstmals Wohllebens Frau im Gerichtssaal

Ralf Wohlleben, weiterer Angeklagter im NSU-Prozess, erschien erstmals in Begleitung seiner Frau vor Gericht. Sie nahm als Beistand neben ihm auf den Anklagesitzen Platz. Sie hatte sich bereits vor Prozessbeginn als Beistand für ihren Mann bestellt, war bislang jedoch noch nicht erschienen. Der ehemalige NPD-Funktionär Wohlleben ist wegen Beihilfe bei neun Morden des NSU angeklagt. Er soll den Terroristen eine Waffe beschafft haben.

Auf der Zuschauertribüne saßen weitere Personen, den Wohlleben fröhlich zuwinkte - nachdem er noch Minuten zuvor die Obduktionsbilder mit versteinerter Miene betrachtet hatte.

Größer als sonst war das Publikumsinteresse. Unter den Zuschauern war auch Ina Beckurts, die Witwe des 1986 von der RAF ermordeten Siemens-Managers Karl Heinz Beckurts. Wer Beckurts ermordete, ist für die Ermittlungsbehörden bis heute unklar. Ina Beckurts sucht Antworten und mögliche Parallelen zum Fall NSU.

Zschäpe-Nachbarin soll eventuell per Video vernommen werden

Die frühere Nachbarin der "Zwickauer Zelle", wie die Mitglieder des NSU auch genannt werden, soll laut Richter Götzl möglicherweise per Video im NSU-Prozess vernommen werden. Die 91-Jährige sei aus gesundheitlichen Gründen wahrscheinlich nicht in der Lage, vor Gericht in München zu erscheinen. Nach der Aktenlage könnte ihre Aussage Zschäpe in einem Punkt entlasten. Die Zeugin wohnte neben den mutmaßlichen NSU-Terroristen. Sie war zu Hause, als - laut Anklage - Zschäpe am 4. November 2011 die Wohnung des Terror-Trios in Brand setzte.

Die Bundesanwaltschaft wirft Zschäpe versuchten Mord vor, weil sie das Leben der betagten Frau riskiert habe. Die Nachbarin hatte allerdings der Polizei gesagt, dass jemand bei ihr an der Tür geklingelt habe. Sie habe jedoch niemanden über die Sprechanlage gehört. Sollte sich herausstellen, dass Zschäpe versuchte, die Frau zu warnen, könnte sich das in diesem Punkt entlastend für die Hauptangeklagte auswirken.


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