NSU-Prozess


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Tagebuch der Gerichtsreporter 50. Verhandlungstag

Entgegen den Erwartungen vieler herrscht immer noch reges Interesse am NSU-Prozess. Auch am mittlerweile 50. Verhandlungstag waren Zuschauer- und Pressebereich sehr gut besucht. Das Gericht schließt inzwischen eine Prozessdauer bis 2015 nicht mehr aus.

Von: Alf Meier

Stand: 24.10.2013 | Archiv

Alf Meier | Bild: BR

24 Oktober

Donnerstag, 24. Oktober 2013

Am 50. Verhandlungstag im NSU-Prozess ging es zunächst um die Rekonstruktion des Mordes an Ismail Yasar. Klar ist: Der Betreiber eines Imbisses aus Nürnberg hatte keine Chance. Laut Anklage führten die Neonazi-Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos die Tat aus. Wer von den beiden jeweils schoss, bleibt offen.

Insgesamt fünf Schüsse wurden auf Yasar abgegeben. Der erste Schuss streifte den Betreiber eines Imbisses an der Wange, der zweite durchschlug den Schädel des 50-Jährigen. Nach Angaben des Sachverständigen wurde dem bereits am Boden Liegenden noch drei  Mal in den Oberkörper gefeuert. Yasar lebte höchstens noch wenige Minuten, bevor er verblutete. Die Fotos, die der Gutachter zur Erläuterung der Einschüsse und Schussbahnen im Körper zeigte, waren schrecklich anzusehen. Ein Anwalt der Nebenklage regte dann auch an, solche Bilder künftig nicht mehr im Gerichtssaal in Großformat zu projizieren.

Urteil erst 2015?

Mittlerweile 50 Verhandlungstage - die Aufregung, die zu Beginn des Verfahrens geherrscht hatte, ist längst vorbei, das Interesse am NSU-Prozess aber nicht. Zuschauer- und auch Pressebereich des Münchner Schwurgerichtssaals A 101 sind sehr gut besucht. Auch das Verhalten der Hauptangeklagten Beate Zschäpe hat sich nicht verändert, sie schweigt noch immer. Dafür haben Dutzende Zeugen und Gutachter bereits ausgesagt. Rund 600 könnten es bis zur Urteilsverkündung werden. Wann das sein wird, steht allerdings noch in den Sternen. Das Verfahren wird sich garantiert bis weit ins Jahr 2014 ziehen. Die Pressestelle des Oberlandesgerichts kann sich mittlerweile auch eine Terminierung bis 2015 vorstellen.

Ehefrau auf Anklagebank

Das hatte es in diesem Prozess noch nicht gegeben: Der Angeklagte Ralf Wohlleben erschien in Begleitung seiner Frau vor Gericht. Sie nahm als Beistand neben ihm auf der Anklagebank Platz. Der ehemalige NPD-Funktionär Wohlleben befindet sich in Untersuchungshaft und ist wegen Beihilfe bei neun Morden des NSU angeklagt. Er soll den Terroristen eine Waffe beschafft haben.

Schneiders und die "Noien Werte"

Ralf Wohlleben wird unter anderem von der Rechtsanwältin Nicole Schneiders verteidigt. Die Frau mit den leuchtend roten Haaren arbeitete einst in einer Stuttgarter Kanzlei mit Rechtsanwalt Steffen Hammer zusammen. Hammer wiederum sang Lieder in der Rechtsrock-Band "Noie Werte". Eine BKA-Beamter sagte heute aus, dass Musik dieser Gruppe in den Bekennervideos des Nationalsozialistischen Untergrunds Verwendung fand.

Der langsame Gutachter

Am Ende des heutigen Verhandlungstages kam ein Sachverständiger zu Wort. Der 64-jährige Schusswaffenexperte vom Bundeskriminalamt sollte unter anderem zu der Ceska-Pistole Stellung nehmen, die bei der Ermordung von neun der zehn mutmaßlichen NSU-Opfer eingesetzt wurde. Der BKA-Mann hatte sich gründlich vorbereitet - so gründlich, dass sein Vortrag sich eher für eine "kriminologische Vorlesung in der Universität" eignen würde, wie ein Rechtsanwalt sagte. Mit seinem weit ausholenden Vortrag und seiner langsamen und etwas umständlichen Art zu sprechen, brachte der Mann die Zschäpe- Verteidiger Stahl und Heer auf die Palme, die den Schusswaffenexperten aufforderten, Klartext zu reden. Es kam zum Streit mit dem Vorsitzenden Richter Götzl. Richter und Verteidiger fielen sich gegenseitig ins Wort und bezichtigten sich anschließend, sich gegenseitig ins Wort gefallen zu sein.


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