NSU-Prozess


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236. Verhandlungstag, 13.10.2015 Unmutsäußerungen aus dem Zuschauerbereich

Natürlich darf man im Gerichtssaal nicht herumschreien, jedenfalls nicht als Zuschauer oder Medienvertreter - auch wenn einem manchmal danach ist. Dann kann es nämlich passieren, dass der Vorsitzende Richter laut wird. Und im schlimmsten Fall, dass man des Saales verwiesen wird.

Von: Thies Marsen

Stand: 13.10.2015 | Archiv

Thies Marsen | Bild: BR/Theresa Högner

13 Oktober

Dienstag, 13. Oktober 2015

So reagierte Richter Manfred Götzl denn auch scharf, als eine Zuhörerin heute kurzzeitig die Contenance verlor, nämlich als Götzl die x-te Unterbrechung des Verhandlungstages verkündete.

Es war nicht genau zu verstehen, was die Dame da in den Saal rief, es war wohl irgendetwas wie: „Nicht schon wieder!“ oder „Das gibt es doch nicht!“ Doch auch wenn der genaue Wortlaut nicht zu ermitteln war, so wusste doch jeder auf der Zuschauertribüne, was gemeint war. Und nicht wenige hätten in diesem Moment ihren Unmut auch gerne lautstark kundgetan, wenn nicht, ja, wenn nicht: siehe oben.

Zeugen mussten wieder abreisen

Eigentlich hätte es heute um all die Landkarten und Stadtpläne gehen sollen, die der NSU in seiner Wohnung in Zwickau gesammelt hatte und auf denen zahlreiche potentielle Ziele für Anschläge und Überfälle markiert worden sind. Ein spannendes Thema! Nicht nur, weil darunter zahlreiche Karten von Städten sind, in denen der NSU nach bisherigem Wissensstand keine Verbrechen verübt, es aber offenbar zumindest in Erwägung gezogen hat. Sondern auch, weil es nach wie vor den begründeten Verdacht gibt, dass die beiden mutmaßlichen Killer des NSU, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, nicht allein gehandelt haben, dass sie Helfer vor Ort hatten, die Ziele ausspähten, Hinweise gaben usw.

Dazu hätten heute vier Polizisten befragt werden sollen, die das Kartenmaterial ausgewertet haben. Sie hätten unter Umständen viel zu erzählen gehabt, etwa welche weiteren Ziele vom NSU ausgespäht wurden oder ob fremde Handschriften auf den Karten identifiziert werden konnten. Allein, die Zeugen mussten unverrichteter Dinge wieder abreisen, denn der Prozesstag wurde einmal mehr vorzeitig abgebrochen. Was für Staatsdiener, die als Zeuge Verdienstausfall geltend machen können, zu verschmerzen ist. Für Zuschauer des NSU-Prozesses, die auf eigene Kosten angereist sind, sich vielleicht auch noch extra einen Tag frei genommen haben, ist es dagegen zutiefst frustrierend.

Natürlich ist es aus juristischer und verfahrenstechnischer Sicht verständlich, dass das Oberlandesgericht so agiert wie es agiert. Dem öffentlichen Interesse an dem Fall ist das allerdings kaum zuträglich. Und der Wahrheitsfindung, gar der Aufklärung des NSU-Komplexes vermutlich auch eher weniger.


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