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Analyse nach dem Parteitag AfD: Gegen das "System"

Wohin treibt die AfD? Die beiden Vorsitzenden sind der Zwiespalt in Person. Mit den sozialpolitischen Positionen Meuthens kann sich wohl auch die FDP anfreunden. Doch Gaulands fundamentalistische Wortwahl zeigt: Die Reise geht woanders hin.

Von: Jürgen P. Lang

Stand: 01.07.2018 | Archiv

Jörg Meuthen (l), der Co-Parteivorsitzende der AfD, und Alexander Gauland, AfD-Vorsitzender, sitzen beim Parteitag in Augsburg auf dem Podium. | Bild: dpa-Bildfunk/Karl-Josef Hildenbrand

Jörg Meuthen war in seinem Element. Der Wirtschaftsprofessor präsentierte auf dem Augsburger Parteitag sein Rentenkonzept. Zentraler Punkt: Abschaffung der staatlichen Altersvorsorge. Das ist so ungefähr das Gegenteil dessen, was Meuthens ideologischem Kontrahenten, dem thüringischen Landesvorsitzenden Björn Höcke, vorschwebt: Ein satter Rentenaufschlag, steuerfinanziert. Für Meuthen ist das "Sozialismus". Das müsse weg.

Höcke-Flügel auf dem Vormarsch

Der ultrarechte Höcke-Flügel kommt derweil seinem Ziel Stück für Stück näher, die AfD in eine außerparlamentarische Bewegungspartei mit antikapitalistischem Anstrich umzubauen. In Augsburg folgten die Delegierten seinem Antrag, 2019 einen Programmparteitag einzuberufen. Höcke will die zur Zeit eher besitzbürgerliche AfD-Agenda sozialpolitisch umorientieren. Innerparteilich eine Kampfansage an Meuthen und Weidel.

Höcke hat in Thüringen seine Hausmacht und ist im dortigen Landesverband längst unangefochten. Auf Bundesebene hielt er sich bislang im Hintergrund. Er ist nicht einmal im Vorstand vertreten. Doch sein innerparteilicher Einfluss ist groß: Die Aufstände gegen die liberaleren Ex-Parteichefs Lucke und Petry funktionierten seinerzeit nur, weil sich die "Putschisten" mehr oder weniger zähneknirschend mit Höcke solidarisierten.

Gauland auf der Höcke-Spur

Auf diese Weise gelangte auch Gauland in der Partei nach ganz oben. Seine Augsburger Rede ließ wenig Zweifel: Er fährt auf der Höcke-Spur. Während Angela Merkel das "deutsche Volk zu Menschen, die schon länger hier leben" degradiere, habe für ihn Volk mit Abstammung und  Heimat zu tun, sagte Gauland.

Dies und seine Warnung vor einem "Bevölkerungsaustausch" – das ist die Wortwahl der sogenannten Identitären. Der AfD-Chef ließ auch die Widerstandsrhetorik des radikalen Teil der Neuen Rechten durchscheinen, dem auch Höcke zugerechnet wird: Jedes Volk, dem die Heimat genommen werde, sagte Gauland, habe das Recht, diese Heimat zu verteidigen.

"Merkel = Honecker"

Dass Gauland in seiner Rede das heutige Deutschland mit der DDR 1989, die Union mit der SED, das Kanzleramt mit dem Politbüro und Merkel mit Honecker verglich, wirft Fragen auf. Honecker war ein Diktator, die DDR ein Unrechtsregime, dessen Sturz aus demokratischer Sicht legitim war. Will Gauland nun am System der Bundesrepublik rütteln? Soll sich nicht nur die Regierung angesprochen fühlen, wenn er sagt: "Merkel muss weg, das ist ein griffiger Slogan, doch hier muss ein ganzer Apparat, ein ganzes System (…) weg"? Oder muss man die DDR-Vergleiche als AfD-typische Provokation verbuchen?


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