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Campus Doku Zivilcourage: Nur etwas für Helden?

Ob Mobbing, Verleumdung oder Gewalttätigkeiten – den Mut, mit Courage dagegen einzuschreiten bringen nur wenige Menschen auf. Kann man Zivilcourage lernen? Was fördert und was hindert zivilcouragiertes Verhalten in der Gesellschaft?

Von: Christian Wurzer

Stand: 15.12.2020

Dominic Brunner wurde 2009 am S-Bahnhof München-Solln Opfer von gewalttätigen Jugendlichen, als er angegriffene Jugendlichen beschützen wollte. Sein couragiertes Handeln musste er mit seinem Leben bezahlen. 2011 registrierte die Polizei bundesweit über 67000 Fälle schwerer Körperverletzung. Sie ermittelte rund 78000 Tatverdächtige. Fast ein Drittel von ihnen waren Jugendliche unter 18 Jahren.

In Deutschland wächst die Forderung nach mehr Zivilcourage

Dennoch ist die Bereitschaft Zivilcourage zu üben vergleichsweise gering. Im Vordergrund steht die Angst selbst Schaden zu erleiden. Dabei ist Zivilcourage eine Bürgertugend, auf die jede Gesellschaft dringend angewiesen ist. Gibt es psychologische Faktoren, die Menschen motivieren, aktiv einzuschreiten und Zivilcourage zu zeigen, wenn Dritte zur Zielscheibe von Aggressionen und Attacken werden? Sind grundsätzlich alle Menschen dazu in der Lage oder ist Zivilcourage nur etwas für wenige, ganz Mutige, also für sogenannte „Helden“? Was fördert und was hindert zivilcouragiertes Verhalten in der Gesellschaft?

Zvilcourage ist erlernbar

Soziologen haben herausgefunden, dass sich die Bereitschaft einzugreifen, anstatt wegzusehen, stimulieren lässt: Eine Arbeitsgruppe um den Sozialpsychologen Dieter Frey von der Universität München belegte in einer Studie, dass „zivilcouragiertes Verhalten“ bei Menschen durchaus vorhanden ist, besonders bei denjenigen, die eine gute Selbsteinschätzung haben. Der Mut zu Zivilcourage könnte sich demnach insbesondere bei den Menschen verstärken, denen es gelingt, die eigene persönliche Einschätzung zu schärfen, selbst etwas zum Positiven beeinflussen zu können.

Wann handeln Menschen zivilcouragiert?

Prof. Peter Fischer, Universität Regensburg

Eine Forschergruppe rund um den Psychologen Peter Fischer von der Universität Regensburg untersuchte die Zusammenhänge von "Hilfeverhalten", möglichen "sozialen Kosten" und "handlungsleitenden Normen", die schließlich zu "zivilcouragiertem Verhalten" einer Person führen. Dabei ging es um zwei zentrale Fragen: Unter welchen Bedingungen handeln Menschen couragiert? Ist zivilcouragiertes Verhalten erlernbar, und wenn ja, wie? In einem Folge-Projekt untersuchen die Regensburger Wissenschaftler nun den sogenannten Bystander-Effekt, also die Hemmschwellen, die Zuschauer in ungefährlichen und gefährlichen Hilfesituationen überwinden müssen, um schließlich doch einzugreifen.

„Pack ma's", ein Zivilcourage-Kurs für Lehrer

Übung "Fallen lassen und Vertrauen"

Um zivilcouragiertes Verhalten zu fördern, arbeiten seit Jahren Wissenschaftler mit Polizisten zusammen. Gemeinsam haben sie mehrere Projekte auf den Weg gebracht. Eines davon ist das Projekt „Pack mas`, ein Zivilcourage-Kurs für Lehrer. Hier lernen sie zunächst Beurteilungsschemata und Verhaltensmuster für Situationen in denen Zivilcourage gefordert ist. Der Kurs ist so aufgebaut, dass er in jeder Schule umgesetzt werden kann.

Campus DOKU geht der Frage nach, wie die psychologischen Erkenntnisse der Wissenschaftler für die gesellschaftlichen Belange im Alltag nutzbar gemacht werden können, damit Zivilcourage nicht nur etwas für "Helden" bleibt. Wir suchen Antworten auf die Frage, ob die Fähigkeit zur Zivilcourage "angeboren" ist oder auch erlernt bzw. trainiert werden kann. Dazu stellt Campus DOKU neueste Erkenntnisse der "empirischen Sozialforschung", der "Psychologie" und der "Ethik" vor und zeigt sowohl Beispiele von Menschen, die bereits zivilcouragiert gehandelt haben als auch von Menschen, die für "mehr Zivilcourage" gezielt trainieren.

Literatur Links

  • Schleich, Monika: Zivilcourage und Polizei, Eine vergleichende Studie an angehenden Polizisten, Frankfurt am Main 2011
  • Gerd Meyer, Ulrich Dovermann, Siegfried Frech, Günther Gugel (Hrsg.), Zivilcourage lernen: Analysen – Modelle – Arbeitshilfen, Tübingen 2004
  • Kulis, Marija, Frey-Gaska, Anne. (2007): Mobbing begegnen – mit Zivilcourage. In: Kahlert Joachim, Sigel Richard (Hrsg.) Achtsamkeit und Soziale Anerkennung. Materialien zur Förderung des Sozialverhaltens in den Jahrgangsstufen 5-9. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln 2007

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