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Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin Die Zukunft der Demokratie nach Corona

Um die Pandemie einzudämmen, hat die Politik weitreichende Regeln verordnet und dabei auch Grundrechte eingeschränkt. Was bedeutet das für die Zukunft unserer Demokratie? Antworten vom Philosophen und Mitglied des Ethikrates Prof. Julian Nida-Rümelin von der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Stand: 15.05.2020

Julian Nida-Rümelin | Bild: picture alliance/Geisler-Fotopress

Julian Nida-Rümelin studierte Philosophie, Physik, Mathematik und Politikwissenschaft in München und Tübingen. Er lehrt seit 2004 Philosophie und politische Theorie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Zuvor hatte er Professuren an den Universitäten Tübingen, Göttingen und München, sowie Gastprofessuren an den Universitäten Minneapolis, California Institute of Technology, Cagliari und St Gallen inne. Seine Forschungsgebiete liegen in der Rationalitätstheorie, Ethik und politischen Philosophie. Julian Nida-Rümelin war Kultur-Staatsminister im ersten Kabinett Schröder.

Er ist Mitglied der B.-B. Akademie der Wissenschaften und der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste, sowie seit 2001 Honorarprofessor der Humboldt Universität. 2014 verlieh ihm die Universität Triest die Ehrendoktorwürde. 2016 wurde ihm die Europa-Medaille der Bayerischen Staatsregierung verliehen. 2019 erhielt er von Ministerpräsident Markus Söder den Bayerischen Verdienstorden für „hervorragende Verdienste um den Freistaat Bayern und das bayerische Volk“.

Nida-Rümelin veröffentlicht neben rein wissenschaftlichen Aufsätzen und Büchern, zuletzt Humanistische Reflexionen bei Suhrkamp 2016, zuvor Philosophie und Lebensform (2009), Ethische Essays (2002), Demokratie als Kooperation (1999) und bei Reclam eine Trilogie zu Rationalität (2001), Freiheit (2005) und Verantwortung (2011), auch solche die sich an ein breiteres Publikum wenden. Hier schlägt er Brücken zwischen Wissenschaft und Gesellschaft, Kultur und Politik.

So hat er sich in den vergangenen Jahren mit einem Buch Über Grenzen DenkenEine Ethik der Migration und zahlreichen Artikeln und Vorträgen in die aktuelle Migrations-Debatte eingemischt.

Zuvor hatte er in drei Buchpublikationen die Doppel-Krise akademischer und beruflicher Bildung in Deutschland diagnostiziert und das duale System gegen den „Akademisierungswahn“ verteidigt (Philosophie einer humanen Bildung 2013, Der Akademisierungswahn 2014, Bildung vor neuen Herausforderungen 2017).

Ein besonderes Anliegen ist ihm die Verbindung von Ökonomie und Ethik. Hier stützt er sich auf eigene Forschungen zur Theorie rationaler Entscheidung und zur Risiko-Ethik (Logik kollektive Entscheidungen 22015; Risiko-Ethik 2012; Kritik des Konsequentialismus 21995). Das Buch Die Optimierungsfalle: Philosophie einer humanen Ökonomie (22015) hat intensive Debatten in der (Finanz-)Wirtschaft ausgelöst und zur Implementierung von Ethik-Modulen in der Manager-Ausbildung geführt. Für mehrere Jahre leitete Nida-Rümelin einen Ethik-Panel der DVFA e.V. in Frankfurt und gehörte dem Integrity Panel der Daimler AG an. Zusammen mit dem Wirtschaftsethiker Karl Homann initiierte er den berufsbegleitenden Studiengang Philosophie-Politik-Wirtschaft an der LMU, den er seit 2009 leitet.

Aus einer Künstlerfamilie stammend, interessiert sich Nida-Rümelin für die Philosophie und die öffentliche Rolle der Kunst (vgl. die mit Jakob Steinbrenner herausgegebene Buchreihe Kunst und Philosophie im Hatje Cantz Verlag), über mehrere Jahre leitete er ein größeres Projekt der Kulturstiftung des Bundes „Analytische Philosophie und Bildende Kunst“, er befasst aber auch mit Themen, wie „Ethik der Stadt“ und „Kultur des Bauens“.

In den letzten Jahren hat sich sein Interesse auch auf die Digitalisierung und die Künstliche Intelligenz gerichtet. Zusammen mit Fiorella Battaglia realisierte er zwei EU-Forschungsprojekte in diesem Bereich (ROBOLAW und C4H (credits for health). Von 2017-2019  verantwortete er den Bereich Kultur des Zentrum Digitalisierung.Bayern und seit 2018 ist er Direktoriumsmitglied des Bayerischen Forschungsinstituts für digitale Transformation. In 2018 erschien bei Piper ein Plädoyer für einen Digitalen Humanismus. Im März 2020 erscheint sein Traktat Die gefährdete Rationalität der Demokratie – Ein politischer Traktat bei Edition Körber.

Die Stellungnahmen von Julian Nida-Rümelin sind ebenso wie seine ethischen Schriften von einem starken Humanismus geprägt. Letztlich geht es ihm um die kulturellen, politischen und ökonomischen Bedingungen dafür, dass Menschen gleichermaßen Autorinnen oder Autoren ihres eigenen Lebens sein können. Sein Plädoyer für eine Erneuerung des Humanismus in Philosophie und Praxis versteht sich als Alternative zur aktuellen Unordnung in der nationalen und internationalen Politik. 2018 erschien „Digitaler Humanismus“ (zus. m. Nathalie Weidenfeld) – es wurde mit dem Bruno Kreisky Hauptpreis als politisches Buch des Jahres 2018 ausgezeichnet. Zum 30. April 2020 wird Julian Nida-Rümelin von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble in das Gremium des Deutschen Ethikrates berufen.


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