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Akademisierung der Pflege Was bringt ein Studium in Pflegewissenschaften?

Krankenpflege wird akademisch. Doch was lernt man da? Campus Magazin begleitet eine Studentin, die sich nach jahrelanger Berufserfahrung für ein Pflegewissenschaftsstudium entschieden hat.

Von: Margarete Jall

Stand: 11.12.2018

Wunden versorgen oder schnell mal das Essen ans Krankenbett bringen - eine banale Vorstellung vom Pflegeberuf, aber es geht um mehr.

Acht Uhr morgens, Universitätsklinikum Erlangen. Rita Zöllner bereitet den ersten Patienten für seine Operation vor. Später, wenn er wieder aus der Narkose aufwacht, wird sie auch dabei sein. Denn sie ist Anästhesie-Pflegefachkraft. Dafür hat sie insgesamt fünf Jahre Ausbildung gemacht: drei Jahre um Krankenpflegerin zu werden und weitere zwei Jahre Fachweiterbildung. Sie arbeitet seit 28 Jahren in ihrem Beruf. Aber das hat ihr irgendwann nicht mehr gereicht. Sie wollte sich fortbilden, beruflich weiterkommen. Also hat sie vor zweieinhalb Jahren angefangen den Bachelor Angewandte Pflegewissenschaften an der Evangelischen Hochschule Nürnberg zu studieren – berufsbegleitend, neben der Arbeit in der Klinik. 

"Durch das Studium hat sich für mich gezeigt, dass noch viel mehr hinter der Arbeit steckt. Gerade das wissenschaftliche Arbeiten ist etwas, das ich für meine Berufsgruppe gar nicht gesehen habe. Und das finde ich ganz toll, es gefällt mir sehr gut, dass da auch etwas passiert."

Rita, Studentin der Pflegewissenschaften

Warum überhaupt für die Pflege studieren?

Dafür gibt es einige einleuchtende Gründe: Die Anforderungen an die Pflegenden werden immer höher und die individuelle Versorgung von Patienten immer wichtiger, um die Voraussetzungen für ein Leben in größtmöglicher Selbstständigkeit zu schaffen. Experten verlangen daher schon lange ein Studium, um die Qualität der Ausbildung und das Ansehen des Berufs zu steigern. Und tatsächlich entscheiden sich immer mehr Studierende für ein Studium in den Fächern Pflegewissenschaften oder Pflegemanagement: Über 12 000 waren im Wintersemester in Deutschland in düsen Fächern 2017/18 eingeschrieben. 

Das Problem ist aber, dass es bis jetzt kaum Stellen gibt, die speziell auf die Akademiker zugeschnitten sind. Und das, obwohl der Wissenschaftsrat - ein Gremium das u.a. die Bundesregierung in Sachen Wissenschaft und Forschung berät - schon seit 2012 eine Quote von 10-20% Akademikern pro Ausbildungsjahrgang fordert. Tatsächlich liegt sie in Kliniken bei nur etwa einem Prozent im Moment.

Was bietet ein Studium für die Pflege?

PflegewissenschaftlerInnen wie Rita beschäftigen sich vor allem damit, wie man alte, kranke und behinderte Menschen am besten versorgt. Dafür hinterfragen sie bestehende Standards in der Pflege immer wieder: sind sie noch sinnvoll und entsprechen sie dem neuesten wissenschaftlichen Stand? Außerdem beschäftigen sie sich mit ethischen Fragen, mit Pflegediagnostik oder erstellen Fallstudien. Ziel ist dabei immer, neueste wissenschaftliche Erkenntnisse in die tägliche Pflegearbeit zu integrieren und so das Pflegesystem zu verbessern. Rita studiert an der Evangelischen Hochschule in Nürnberg bei Professor Jürgen Härlein, der selbst jahrelang als Krankenpfleger gearbeitet hat. Er ist überzeugt, dass es nicht nur mehr, sondern vor allem akademisch ausgebildetes Personal braucht:

"Die Akademisierung ist kein Allheilmittel. Aber sie ist ein wesentlicher Baustein, wenn man nämlich nur mehr Personal in das System gibt, ohne das Bildungsmoment zu berücksichtigen, wird man die Pflege nicht befähigen, dass sich das System in Sachen Pflegebedürftigkeit entsprechend den Bedürfnissen der Bevölkerung weiterentwickeln kann."

Jürgen Härlein, Professor für Angewandte Pflegewissenschaften, Evangelische Hochschule Nürnberg

Berufsbegleitend studieren - eine Herausforderung

Für Rita heißt das nicht nur mit 47 Jahren wieder büffeln und Prüfungen schreiben. Sie muss ihr Studium zwischen Schichtarbeit in der Klinik und ihrer Familie mit zwei Kindern unterbringen. Damit das klappt, musste sie ihre Vollzeitstelle auf eine halbe Stelle reduzieren. Das bedeutet aber auch: halbes Gehalt. Zwar bekommt sie ein Stipendium, das ist aber nur ein kleines Trostpflaster für den Verdienstausfall. Und anders als etwa bei einem dualen Studium unterstützt ihr Arbeitgeber sie nicht, weder durch Urlaubstage, noch finanziell. Deshalb muss alles gut durchrechnet sein.

"Meine Familie unterstützt mich und natürlich müssen wir da ein bisschen zurückschrauben. Ich hoffe, dass es sich dann in der Zukunft irgendwann mal lohnt."

Rita, Studentin der Pflegewissenschaften

Und die Perspektive?

Rita studiert noch zwei Semester dann steht im 7. Semester ihre Bachelor-Arbeit an. Sie hofft, dass es bis dahin mehr Stellen für Pflegewissenschaftlerinnen wie sie gibt. Noch übernimmt Rita dieselben Aufgaben wie vor dem Studium und bekommt das selbe Gehalt. Sie hofft, dass sich das mit ihrem Abschluss ändert.

"Mein Studium hat sich für mich gelohnt, wenn ich das, was ich gelernt habe, auch in meiner Arbeit einsetzen kann. Wenn ich finanziell einen Benefit davon habe, dass ich studiert habe, und wenn ich bis zum Rentenalter in der Arbeit bleiben kann, was in der Pflege nicht unbedingt machbar ist, wenn man irgendwelche körperlichen Gebrechen hat."

Rita, Studentin der Pflegewissenschaften

 

Infos zu Pflege-Studiengängen und -orten:

 


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