ARD alpha - Campus


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Campus Reportage Flüchtlinge und Studenten unter einem Dach

Zwei BR-Autoren haben sieben Tage in einem deutschlandweit einmaligen Wohnprojekt in München gelebt. Dort wohnen junge Asylsuchende und Studenten unter einem Dach. Entstanden ist nun eine Reportage in der Reihe Campus Magazin-Extra.

Von: Katharina Willinger und Moritz Pompl

Stand: 23.04.2020

Ganz Deutschland redet über die "Flüchtlingskrise" und fokussiert sich allein durch die Wortwahl vor allem auf Probleme. Anders in München Obersendling: Dort leben rund 40 Studenten und 25 junge Flüchtlinge unter einem Dach. Sie sollen sich, wenn es nach der Idee des Trägervereins Condrobs geht, gegenseitig ins Leben helfen.

Aber funktioniert das wirklich? Ist das Projekt ein Musterbeispiel für gelungene Integration? Das wollten wir, die beiden BR-Reporter Katharina Willinger und Moritz Pompl, wissen. Eine Woche lang sind wir für Dreharbeiten mit eingezogen: Katharina vor der Kamera, Moritz dahinter. In dieser Zeit haben wir auch mit unserem Online-Tagebuch begonnen (Kasten links).

Die ersten zwei Tage im Wohnheim gingen ehrlich gesagt ziemlich verhalten los – eben so, wie wenn man in eine neue WG einzieht und sich erstmal aneinander gewöhnen muss. Wir haben unser Zimmer im dritten Stock bezogen, sind einkaufen gegangen und haben uns dann erstmal in allen Wohnküchen und auf den Fluren umgeschaut. Zu unserer Überraschung gibt es unten am Eingang einen Pfortendienst, der 24 Stunden am Tag überwacht, wer ein- und ausgeht. Irgendwie hatten wir ein offenes Haus erwartet, aber nach all den Anschlägen auf Flüchtlingsheime ist es natürlich logisch, dass auch hier kontrolliert wird. Die zweite, etwas seltsame Überraschung: Flüchtlinge und Studenten wohnen nicht bunt gemischt durcheinander, sondern in verschiedenen Flügeln des Gebäudes. Das schreibt die Jugendhilfe so vor.

Wir haben in den ersten Gesprächen mit den jungen Asylsuchenden und Studenten eher an der Oberfläche gekratzt und hatten den Eindruck: Wenn wir mit der Kamera dabei sind, ist das meist eine etwas gekünstelte Situation.

Genau so hatten wir das bereits bei der Eröffnungsfeier des Projektes Mitte September erlebt: Damals waren wir, zusammen mit vielen Journalisten anderer Medien, kurz zu Gast und haben auf die Schnelle eine Story mit nach Hause gebracht. Ganz ok, aber irgendwie auch unbefriedigend und ein bisschen oberflächlich (unseren Beitrag zur Eröffnung seht Ihr im Kasten "Es gibt hier keine Grenzen").

Irgendwann am dritten Tag im Wohnheim ist dann der Schalter gekippt: Die Bewohner haben uns als vollwertige WG-Mitglieder akzeptiert und ins Herz geschlossen. Wir haben miteinander gekocht und Sport gemacht oder waren bei der Nachhilfe dabei. Plötzlich haben die Gespräche eine ganz andere Tiefe bekommen, wir haben erfahren, warum sich die Studenten im Projekt engagieren, was die jungen Asylsuchenden auf ihrer Flucht bewegt hat, was sie bei uns in Deutschland erleben (mehr zu einigen Bewohnern findet ihr in der Box unten).

Die Kamera haben die Bewohner und das Team dabei völlig vergessen, und erst so konnten wir Situationen festhalten, die nah dran sind an dem, was das Leben im Integrationsprojekt Kistlerhofstraße wirklich ausmacht: Ein lautes, wildes und schönes Miteinander mit allen menschlichen Höhen und Tiefen, die es wert sind, erzählt zu werden. Am Ende ist uns der Abschied aus der Kistlerhofstraße ganz schön schwer gefallen.


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