Now & Then


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Now & Then Elektronische Musik

Elektronische Musik dominiert die Charts. Die Macher sind DJs und verdienen Millionen. Aber kaum jemand weiß, dass der Ursprungsort dieses Genres Deutschland ist. Wir treffen Superstars von heute und die Pioniere von damals.

Stand: 01.08.2016 | Archiv

Steve Aoki | Bild: picture-alliance/dpa

Kein Genre ist derzeit so beliebt wie EDM. EDM? Electronic Dance Music – Elektronische Tanzmusik. Die Charts sind voller tanzbarer, elektronischer Songs, im Mainstream-Radio laufen die Hits von Calvin Harris, Avicii und Alan Walker auf Dauerrotation.

So ziemlich jedes Genre lässt sich "elektrifizieren" und mit einfachen Mitteln für den Dancefloor aufpeppen. Auch wenn “elektronische Tanzmusik” ein weltweites Phänomen ist - die Wurzeln kommen aus Deutschland.

Kraftwerk, Can und viele andere Künstler des "Krautrock" gelten bis heute als die Vorreiter elektronischer Musik und ohne die Techno-Großveranstaltungen wie die Loveparade oder die Mayday, wäre ein solcher Hype um EDM nicht möglich gewesen.

Die Macher sind DJs und die verdienen mit ihrer Musik Millionen: 100.000 Menschen hören beim Festival "World Club Dome" (WCD) in Frankfurt einem einzigen DJ zu. Christina ist mittendrin und kann diese mega Veranstaltung nicht fassen. Für sie klingt alles irgendwie gleich. Dennoch weiß das Publikum ganz genau, welchen Künstler es auf der Bühne sehen will.

Neben Berlin ist Frankfurt die Hochburg für elektronische Musik in Deutschland. Mit dem "Technoclub" im Dorian Gray schafft Andreas Thomalla aka. Talla2XLC eine feste Institution für elektronische Musik. Noch heute legt Talla2XLC jedes Wochenende auf der ganze Welt auf. Der 53-Jährige plant momentan ein Museum für moderne elektronische Musik und bringt jungen DJs die Grundlagen des Auflegens bei.

Neben den "alten" DJ-Experten legen auf dem WCD hauptsächlich junge EDM-Künstler auf. Im Unterschied zu klassischen DJs, die Fremdmaterial auflegen, besteht ihr Set hauptsächlich aus selbstproduzierten Stücken.

Einer der größten Stars ist Steve Aoki. Der 38-Jährige spielt im Jahr bis zu 250 Konzerte. Seine Tagesgage liegt bei rund 100.000 Dollar. Die Stimmung auf dem WCD ist irgendwo zwischen Ballermann und Rockfestival. Moderne elektronische Musik ist nicht nur monotoner Ballermann-Sound.

Faszination "Knöpfchendreher"

Aber was ist dabei die Faszination? Ein Typ der nur Knöpfe drückt und tausende Menschen feiern ihn dafür?

Noch vor zwanzig Jahren wäre dieses Szenario nahezu undenkbar gewesen. Damals waren DJs Handwerker. Fritz erinnert sich daran, wie mühsam Platten auflegen noch in den 80ern war. Doch die moderne Technik ermöglicht es heute, dass nahezu jeder ein (guter) DJ sein kann.

Alan Walker gehört zur neuen Generation dieser "Künstler". Schon mit 15 hat er begonnen mit dem Laptop auf seinem Kinderbett Musik zu produzieren. 2016 hat Alan mit "Faded" mehr Singles verkauft als Adele. Der 18-Jährige ist der Senkrechtstarter des Jahres. Sein Markenzeichen: Ein Kapuzenpullover, darunter eine Sturmmaske. Sein Gesicht zeigt er nicht.

Schon immer hat elektronische Musik eine besondere Faszination auf die Menschen ausgeübt. Es gibt nur wenige Künstler der elektronischen Musik, die schon in den 70er und 80er Jahren als eigenständige Künstler auf der Bühne standen und die Menschen begeistern konnten.

Bis dahin war die Musik geprägt von "Produzenten", die bei Konzerten von Sänger/-innen ersetzt wurden. Doch es gibt auch Ausnahmen: In der Liste der besucherreichsten Konzerte aller Zeiten steht der Franzose Jean Michel Jarre ganz oben. 1997 besuchten 3,5 Millionen Menschen sein Konzert in Moskau. Er ist ein Pionier der elektronischen Musik und auch gigantischer Großkonzerte.

Deutschland - Die Wiege elektronischer Musik

Dabei hat sich die elektronische Musik zunächst recht beschaulich entwickelt. Die Geschichte der elektronischen Musik beginnt in Deutschland in den 50ern. Karlheinz Stockhausen komponiert an der Hochschule in Köln mit den ersten Bandmaschinen und elektronisch generierten Geräuschen. Er ist beeinflusst Generationen junger Musiker. Darunter Bands wie Kraftwerk oder Can.

Die Gerätschaften, die Stockhausen dafür benutzte, sind unglaublich teuer und für Privatpersonen nicht bezahlbar. Die ersten Schritte des neuen Genres wurden sozusagen vom Staat bezahlt.

Christina befindet sich auf "Recherchetour". In Düsseldorf, Wiege des Krautrocks, betritt sie das Studio von Holger Czukay. Er ist einer der Gründer der Krautrock-Band Can:  Eine der international einflussreichsten Bands aus Deutschland. Czukay hat bei Karlheinz Stockhausen Komposition studiert. Heute, mit fast 80 Jahren, arbeitet Czukay noch immer ständig an neuer Musik.

"Ich bin ein riesen Fan von Holger Czukay. Er am Bass und Jaki Liebezeit am Schlagzeug waren ja unfassbar. Deshalb habe ich mich so auf dieses Treffen gefreut. Czukay und seine Frau leben ziemlich verrückt in einem alten Kino. Ein riesiger Raum, vielleicht 150 qm oder so voll mit Krims-Krams. Und in der Mitte des Raumes ist er: Der perfekte Klang! Als er uns dort Musik von seinem Album 'Movie' vorgespielt hat, das war Wahnsinn. Hinterher habe ich mich total high gefühlt, wirklich!"

Christina Wolf

Wie groß der Einfluss von Bands wie Can und Kraftwerk war, zeigt sich ein paar Jahre später in München bei Giorgio Moroder. Die Entwicklung bis zum Techno ging rasend schnell. Doch ohne die Disco-Zeit und vor allem ohne Giorgio Moroder wäre die elektronische Musik heute nicht das, was sie ist. Er war Vorreiter eines Sounds, der einfach klang, aber damals nur sehr kompliziert herzustellen war.

Elektronik heute: Eine Mischung aus Klassik und Moderne

Viele junge Künstler sehen sich in der Tradition der frühen Meister wie Karlheinz Stockhausen oder Holger Czukay.  Mit einer klassischen Ausbildung verbinden sie "now & then". Volker Bertelmann aka. Hauschka ist einer von ihnen. Bei Konzerten präpariert er sein Klavier mit den unterschiedlichsten Gegenständen und erzeugt so ein völlig neues Klangbild.

Dass elektronische Musik nicht plump sein muss, beweisen uns immer mehr junge Künstler, die sich, wie auch ihre Vorläufer aus den ersten Jahren der elektronischen Musik an moderner Klassik orientieren und damit ein ganz neues Publikum erschließen.

Besonders im deutschsprachigen Raum gibt es eine ganze Reihe an Künstlern, die Klassik und Elektronik sinnvoll und hörbar verbinden.

Fritz trifft in Berlin auf Dieter Meier und Boris Blank. Die beiden sind Yello und haben sich bereits 1978 mit der neuen Musikrichtung auseinandergesetzt. In Berlin drehen sie gerade ein Video zu ihrer neuen Single. Ein neues Album erscheint im Herbst.

Parallel zur populären Musik der 80er brodelt es im Untergrund. Die ersten Underground-Clubs entstehen und die DJs der ersten Stunde erschaffen ein neues Genre: Techno. Westbam ist einer dieser Pioniere. Er ist Produzent, Organisator und Entdecker. In dieser Zeit entstehen die Loveparade, Mayday und viele Clubs, die sich ausschließlich der elektronischen Musik verschreiben. Für Westbam ist die aktuelle Entwicklung der elektronischen Musik nicht nur positiv, sondern oftmals zu kommerziell.

"Westbam ist ungemein nett. Und schnell. Ich spreche ja schon schnell und bin manchmal ungeduldig, aber Westbam topt mich. Seine Frau ist ein großer Fan von der BR-Serie 'Dahoam ist dahoam,' weil es sie an ihre Heimat Bayern erinnert. Er wünscht sich unbedingt einen kleinen Auftritt da, um sie zu überraschen."

Christina Wolf

Die Folge "Elektronik" wird am Freitag, 28.10.2016 um 22.45 Uhr ausgestrahlt.


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