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Patty Hermann-Shores Ein Leben für Gebärdensprachen

Patty Shores-Hermann ist eine faszinierende Frau: Geboren in Südafrika, aufgewachsen in einer gehörlosen Familie in Kanada, Studium an der Gallaudet University in Washington. Seit 27 Jahren lebt und arbeitet sie in der Schweiz, wo sie für ihr Engagement für Gebärdensprachen ausgezeichnet worden ist.

Stand: 12.09.2019

Als Patty Hermann-Shores zum ersten Mal vor mehr als drei Jahrzehnten als Studentin in die Schweiz gekommen ist, war sie schon am Bahnhof verloren.

Sie verstand die deutsche Sprache nicht, konnte nicht kommunizieren. Heute ist sie gerade in Sachen Kommunikation aus der Schweiz nicht mehr wegzudenken: Patty Hermann-Shores engagiert sich hier sehr aktiv für die Gehörlosengemeinschaft. Dafür bekam sie 2018 Auszeichnung.

Der Preis

Der Prix Visio wurde Patty Hermann-Shores von der Präsidentin des SGB-FSS Schweizerischer Gehörlosenbund, Frau Dr. Tatjana Binggeli überreicht. Die Begründung: Patty Hermann-Shores hat die Gebärdensprache durch Publikationen, Hochschulentwicklung und Förderung professionalisiert und damit ihren Stellenwert enorm erhöht.

"Es gab noch keine Gebärdensprachdolmetscher als ich angefangen habe. Und ich konnte die deutsche Sprache noch nicht. Trotzdem habe ich vieles in der Hochschullandschaft erreicht."

Patty Hermann-Shores

Multikulturell, gebildet, engagiert

Patty Hermann-Shores als Dozentin

Durch ihre multikulturelle Vergangenheit beherrscht Patty Hermann-Shores sechs Gebärdensprachen und nochmal so viele Schriftsprachen. Zudem hat sie ein Universitätsstudium absolviert, zahlreiche Publikationen verfasst und viele Jahre gelehrt. An der Hochschule für Heilpädagogik (HfH) arbeitet sie als Dozentin und leitet den Studiengang der Gebärdensprachausbilder. Außerdem hat sie immer auch ein Auge auf die unterschiedlichen Anliegen von Menschen aus anderen Behinderungsgruppen.

"Um den Punkt zu erreichen an welchem ich jetzt bin, benötigte es viel Durchsetzungsvermögen und einen großen Willen diese Ziele zu erreichen. So befinde ich mich heute da wo ich jetzt bin."

Patty Hermann-Shores

Noch ist Patty Hermann-Shores längst nicht zufrieden mit der Dolmetscher-Situation in der Schweiz: Es gibt deutlich zu wenig und auch bei der Qualität der Ausbildung sieht sie Verbesserungsbedarf.

Von Amerika in die Schweiz

Patty und Roland früher ...

Rückhalt und Unterstützung erfährt die aktive Frau von ihrem Mann Roland. Kennengelernt hat sich das Paar schon während Pattys erstem Schweiz-Aufenthalt: Damals, vor 36 Jahren, wollte die Studentin trotz Liebe nicht bleiben, fand sie doch die Schweiz gebärdensprachlich extrem rückständig. So bat sie ihren Roland, mit nach Amerika zu kommen. Das tat er, blieb dort sieben Jahre.

... und heute.

Doch dann kamen sie gemeinsam zurück, schon alleine, weil Rolands gehörlose Mutter sie darum bat. Doch einfach war das zunächst nicht: Die selbstbewusste Patty gebärdete, weil es für sie selbstverständlich war. Rolands Eltern waren lautsprachlich geprägt, die Kommunikation also zunächst schwierig.

Auf dem langen Weg zur Inklusion

Patty kämpft mittlerweile auch auf höheren Ebenen: Sie arbeitet in verschiedenen Gremien, um die Schweiz dorthin zu begleiten, wo sie laut ihrer Unterschrift unter der UNO-Behindertenrechtskonvention sein muss.

"Im Jahr 2014 wurde die UNO-Behindertenrechtskonvention von der Schweiz unterschrieben und ratifiziert. Im Paragraph 24 ist die Gebärdensprache festgehalten. Das bedeutet, dass Lehrpersonen diese kennen, oder unterstützend für die Kommunikation einsetzen müssen. Das steht in diesem, von der Schweiz unterzeichneten Gesetz. Das ist eine klare und große Aufgabe an den Staat, dies umzusetzen und dazu Fehlendes neu zu entwickeln."

Patty Hermann-Shores

Sie ist als Vertreterin des Schweizerischen Gehörlosenbundes und der Hörbehinderten der Schweiz auch im Vorstand des Vereins „Inclusion Handicap“ tätig. Hier ist der Name Programm.

"Ganz generell ist es das Ziel von 'Inclusion Handicap', dass wir die Interessen von Menschen mit Behinderungen in der Schweiz bündeln und mit einer starken Stimme vertreten. In allen Bereichen, Mobilität, Bildung, Zugang zum Arbeitsplatz als Beispiel. Und die UNO-Behindertenrechtskonvention ist natürlich das wichtigste, internationale Dokument, die wichtigste Grundlage, welche diese Rechte eben auch zugesteht."

Pascale Bruderer-Wyss

Patty Hermann-Shores hat ebenfalls mitgewirkt beim sogenannten „Schattenbericht“: Verschiedene Organisationen haben darin gemeinsam die Ist-Situation von Menschen mit Behinderung in der Schweiz aufzeigt. Eine perfekte Grundlage für das Monitoring der Regierung, mit dem die nötigen Schritte eingeleitet werden sollen.

Inklusion heißt: Alle müssen sich anpassen

Das Ziel ist klar: Inklusion. Für Patty Hermann-Shores ist klar, dass Inklusion nur erreicht werden kann, wenn sich alle Menschen anpassen, nicht nur Gehörlose. Alle gehören in einer Welt zusammen, jeder hat seinen Beitrag zu leisten, gesellschaftlich und wirtschaftlich. Alle haben die gleichen Rechte. Und dafür setzt sie sich ein.


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