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Eine Reise durch die Zeit 90 Jahre DGB

Der Deutsche Gehörlosenbund (DGB) feierte sein 90-jähriges Bestehen. Ein Blick auf die lange Geschichte des Verbands ...

Stand: 03.11.2017

  • 1. Januar 1848

    1848

    Erster Gehörlosenverein

    1848 wird der erste Gehörlosenverein in Berlin gegründet. Das geänderte Vereinsgründungsrecht ermöglicht nun auch Gehörlosen, eigene Vereine zu gründen.

  • 1. Januar 1867

    1867

    Erstes Kirchenfest

    1867 organisiert Eduard Fürstenberg das erste Kirchenfest, zu dem rund 1.500 Gehörlose aus ganz Deutschland anreisen. Auf dem Kirchenfest wird die Idee der Vereinsgründungen weiter verbreitet, es entwickelt sich ein regelrechter „Gründungsboom“ lokaler und regionaler Vereine. Zwischen 1900 und 1920 schließen sich diverse Vereine zu überregionalen Landesverbänden zusammen, umso mehr Einfluss nehmen zu können. Daraus entsteht der Wunsch nach weiterer Vernetzung durch einen Dachverband für Gehörlose. Allerdings scheitert dies zunächst an unterschiedlichen Interessen der einzelnen Verbände.

  • 1. Januar 1920

    1920

    Bedrohung vereint Gehörlose

    Viele Gehörlose sind arbeitslos.
    Zudem sind die Gehörlosen alarmiert durch die „Lex Zwickau“ (1924): Ärzte in Zwickau fordern die Zwangssterilisierung „erbkranker“ Gehörloser. Erst diese Bedrohung vereint die Gehörlosengemeinschaft: Man muss etwas tun – am besten in einem starken einheitlichen Verband, um die Zwangssterilisation verhindern zu können.

  • 1. Januar 1927
    90 Jahre DGB | Bild: BR

    1927

    Reichsverband gegründet

    Fritz Albreghs ist der erste Vorsitzende des ReGeDe (Reichsverband der Gehörlosen Deutschlands). Seine Amtszeit dauert nur ein Jahr, er tritt wegen Streitigkeiten zurück. Sein Nachfolger ist Willi Ballier, der den Verband sechs Jahre leitet.

  • 1. Januar 1932

    1932

    "Verkannte Menschen"

    Willi Ballier versucht mit Öffentlichkeitsarbeit mehr Arbeitsplätze für Gehörlose durchzusetzen – und dreht zu diesem Zweck den Film: „Verkannte Menschen“. Der Film läuft lange und erfolgreich in Berlin, wird dann aber von den Nationalsozialisten verboten und gilt lange als verschollen.

    Erst 2013 wird eine Kopie von „Verkannte Menschen“ wiedergefunden und mit Unterstützung des DGB und des Landesverband der Gehörlosen Hessen e.V. restauriert und erneut vorgeführt. Ein wichtiges Zeugnis der damaligen Zeit.

  • 1. Januar 1933
    90 Jahre DGB | Bild: BR

    1933

    Gesetzlich sterilisiert

    Mit der „Lex Zwickau“ als Vorläufer bestimmt ein neues Gesetz, dass Gehörlose, Blinde und Geistig Behinderte sterilisiert werden sollen. Fritz Albreghs – damals Reichsfachschaftsleiter - unterstützt das. Gehörlosenzeitungen werben für die Sterilisation, die diese Maßnahme verharmlost. Etwa 17.000 Gehörlose werden in den darauffolgenden Jahren sterilisiert.

  • 1. Januar 1943

    1943

    Zwangsaufgelöst

    Der ReGeDe wird während des Nationalsozialismus gleichgeschaltet und 1943 zwangsaufgelöst.

  • 14. Januar 1950
    90 Jahre DGB | Bild: BR

    14. Januar 1950

    Gründung

    Die Nachkriegszeit steht ganz im Zeichen des Wiederaufbaus. Kurz nach offizieller Gründung der Bundesrepublik Deutschland treffen sich am 14./15. Januar 1950 mehr als 50 Vertreter von Gehörlosenverbänden in der Rheinhalle in Düsseldorf. Gemeinsames Ziel ist die Gründung eine Deutschen Gehörlosenbundes. Sein erster Präsident ist Karl Wacker. Sein Ziel ist es, Gehörlose beruflich zu unterstützen.

  • 1. März 1950

    März 1950

    Eine Erklärung

    Erklärung Karl Wackers zu den Aufgaben des DGB: „Daher ist es sehr einfach, die Aufgaben des Bundes zu umreißen. Diese bestehen in der Vertretung der Gehörlosen auf wirtschaftlichem und sozialpolitischem Gebiete und in der Wahrung der Interessen der Gehörlosen auf Bundesebene; d.h. alle Fragen und Angelegenheiten, die nur durch die Bundesregierung bzw. Bundesbehörden auf der Basis des Bundesgebiets geregelt werden können und müssen, stehen unserem Bund zu.“

  • 1. September 1950

    September 1950

    Beschäftigung per Gesetz

    Karl Wacker führt schon im September 1950 erste Gespräche mit dem damaligen Bundesarbeitsminister Albert Storch mit dem Ziel, die Interessen Gehörloser auch in das neue „Schwerbeschädigtengesetz zur Beschäftigung Schwerbeschädigter“ durchzusetzen.

  • 1. Januar 1951
    90 Jahre DGB | Bild: BR

    1951

    Weltverband

    Der Weltverband der Gehörlosen wird in Rom gegründet. Aus Deutschland nehmen Karl Wacker und Heinrich Siepmann teil, der Vizepräsident wird. Wacker und Siepmann gelingt es, das Bild der Deutschen im Ausland nach der NS-Herrschaft neu und vor allem positiv aufzusetzen.

  • 1. Januar 1952
    90 Jahre DGB | Bild: BR

    1952

    Führerschein

    In Deutschland bricht die Wirtschaftswunderzeit an – und der DGB setzt sich dafür ein, dass auch Gehörlose den Führerschein machen können. Mit Erfolg. Auflage: Wenn der Gehörlose schneller als 20 km/h fährt, muss er einen sowohl links als auch rechts einen Außenspiegel haben.

  • 1. Oktober 1953

    1. Oktober 1953

    Wiedergutmachung

    Karl Wacker kämpft seit Beginn seiner Amtszeit für die Wiedergutmachung der Opfer der Zwangssterilisierung: Er will ein Gesetz einführen, das den vielen sterilisierten Gehörlosen eine Entschädigung zuspricht. Zwar wird 1956 rückwirkend zum 1. Oktober 1953 das Bundesentschädigungsgesetz verabschiedet, aber erst 1980 gibt es die Möglichkeit der Entschädigung für Zwangssterilisierte.

  • 1. Juni 1957

    1. Juni 1957

    DDR - Gründung erster Verein

    Etwas anders verläuft die Entwicklung im anderen Teil Deutschlands, der DDR. Dort ist Gehörlosen bis 1957 nur die Gründung von Sportvereinen erlaubt. Als das Verbot 1957 aufgehoben wird, gründet sich am 01.06.1957 in Halle/Saale der „Allgemeine Deutsche Gehörlosenverband“ (ADGV). Der erste Präsident: Günter Wöller. Die Gehörlosen waren froh, ihre Sache endlich selbst in die Hand nehmen zu dürfen. Es herrschte Aufbruchstimmung.

  • 3. September 1957

    1957

    Andere Struktur in der DDR

    Ein Netz von Beratungsstellen wurde in allen Bezirken der DDR aufgebaut, um eine soziale und kulturelle Betreuung anbieten zu können. Die Verbandsstrukturen unterschieden sich durchaus von den „West“-Verbänden: In der DDR gab es eine straffe Führungshierarchie und hauptamtliche Mitarbeiter des Verbands.

  • 3. Januar 1961

    1961

    Schwerhörige in der DDR

    Ab 1961 wurden auch Schwerhörige in den Verband aufgenommen, der Verband wurde in „Der Gehörlosen- und Schwerhörigen-Verband der DDR“ (GSV) umbenannt.
    Gerhard Sauerbrey: „Die eine Seite sah es als Unglück, wenn Schwerhörige mitmachen. Die Gehörlosen hatten etwas Sorge. Andererseits war es eine Chance, durch einen zahlenmäßig starken Verband mehr Gewicht zu haben und mehr Mittel gegenüber er Regierung.“

  • 1. Februar 1961

    1961

    60er- und 70er-Jahre

    Der Deutsche Gehörlosenbund setzt sich dafür ein, dass Gehörlose einen Schwerbehindertenausweis bekommen, und das bereits ab einem Behinderungsgrad von 70 bis 80 Prozent. Damit sind auch Steuererleichterungen verbunden. Außerdem werden Gehörlose auf Forderung des DGB von der Rundfunkgebühr befreit. Ebenso werden Vergünstigungen bei den GEMA-Gebühren erwirkt. Die Begründung: Gehörlose können die Musik, die auf den Veranstaltungen der Vereine gespielt wird, nicht hören.

  • 1. Januar 1985

    1985

    Erster Kongress zur Gebärdensprache

    Der erste Kongress zum Thema Gebärdensprache findet in Hamburg statt – und heiße Debatten werden geführt. Der Grundstein wird gelegt, dass Gebärdensprache kein „visualisiertes Deutsch“ mehr ist, sondern eine eigenständige Sprache. Besonders Käthe George, Präsidiumsmitglied des DGB, setzt sich für die Gebärdensprache ein. Die Veränderung in der gebärdensprachlichen Landschaft sorgt für große Unruhe und Verwirrung.

  • 1. Januar 1989
    90 Jahre DGB | Bild: BR

    1989

    Neue Arbeitsweise beim DGB

    Mit knapper Mehrheit wird Ulrich Hase zum neuen Präsidenten des DGB gewählt, Käthe George ist eine der Vizepräsidentinnen. Für die Gebärdensprache ist das eine zukunftsträchtige Kombination. Und auch sonst wird die Arbeitsweise im Präsidium des Gehörlosenbundes völlig umgekrempelt- so werden beispielsweise Fachausschüsse eingerichtet.

  • 9. November 1989

    9. November 1989

    Mauerfall

    Mit dem Mauerfall verändert sich vieles für den Deutschen Gehörlosenbund: In der DDR war nicht die Struktur anders - Schwerhörige und Gehörlose waren zusammengefasst – sondern Gebärdensprache war dort nicht einmal bekannt. Eine schwierige Zeit beginnt, denn die unterschiedlichen Vorstellungen müssen unter ein Dach gebracht werden.

  • 1. Januar 1993
    90 Jahre DGB | Bild: BR

    1993

    Kulturtage

    Die ersten Kulturtage der Gehörlosen finden statt. Sie bleiben die wichtigste kulturelle Veranstaltung der Gehörlosengemeinschaft. Die Titel der Kulturtage sind auch Spiegel des gesellschaftlichen Wandels:
    1997 Dresden „Eine Kultur setzt Zeichen“
    2001 München „Eine Kultur findet Anerkennung“
    2008 Köln „Eine Kultur entfaltet sich“
    2012 Erfurt „Eine Kultur mehr: Gebärdensprache“
    2018 Potsdam „Unsere Kultur mit Gebärdensprache: inklusiv und gleichwertig“

  • 1. Januar 2002

    2002

    Gebärdensprache anerkannt

    Die Deutsche Gebärdensprache wird gesetzlich anerkannt – dank des Einsatzes des DGB.

  • 1. Januar 2013
    90 Jahre DGB | Bild: BR

    2013

    Schwierige Phase

    Der Deutsche Gehörlosenbund durchlebt die schwierigste Phase seiner jüngsten Geschichte. Politisch war der Verband anerkannt und respektiert – aber dem Verein droht die Insolvenz.

  • 1. Januar 2014
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    2014

    Schulden getilgt

    Helmut Vogel wird zum Präsidenten des DGB gewählt. Er appelliert an die Solidarität – und kann tatsächlich die Schulden dank Spenden tilgen.

  • 1. November 2017
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    2017

    Und jetzt?

    Nach 90 Jahren hatte der Deutsche Gehörlosenbund 16 Präsidenten – und steht solide da.


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