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Zufällige Entdeckung Der Täterenkel

Raphael Dwinger ist 28 Jahre alt, als Münchner Theaterschauspieler seit Januar am Berliner Ensemble. Sein Opa war ein Bestsellerautor. Und Propagandaschriftsteller im Dritten Reich.

Von: Claudia Erl

Stand: 08.04.2014 | Archiv

Raphael Dwinger | Bild: BR

Die Schriften von Edwin Erich Dwinger waren Pflichtlektüre in der SS, deren Chef Heinrich Himmler wollte es so. Sein Enkel hatte davon keine Ahnung. Seinen Opa hat Raphael Dwinger nicht mehr kennengelernt. Über den Opa wusste er nur, dass dieser  schrieb, um die Familie zu ernähren – so erzählte es seine eher linksliberale Familie. Warum sollte er das hinterfragen? Bis er vor vier Jahren Schriften seines Großvaters in die Hand bekam.

Das Werk von Edwin Erich Dwinger

27 Bücher schrieb Edwin Erich Dwinger,  übersetzt wurden sie in 24 Sprachen. Sein Roman „Der Tod in Polen“ war eine Propagandaschrift, die als „Pflichtlektüre“ für die SS galt.

Tobias Ginsburg

Eigentlich hatte Raphael eine Lesung mit Geschichten seine Opas machen wollen. Doch schnell kam er dahinter, dass der Opa nicht etwa nur ein Schriftsteller in einer „schwierigen“ Zeit war – geschweige denn ein Mitläufer. Diese  Propagandaschriften waren für den Schauspieler ein Schock. Ein Schock, den er zusammen mit seinem jüdischen Freund Tobias Ginsburg in einem Theaterstück verarbeitete.

„Nestbeschmutzung“

„Nestbeschmutzung“ - ein Dokumentartheaterstück über den Propagandaschriftsteller Edwin Erich Dwinger. Autoren: Ute Gröbel, Tobias Ginsburg, Raphael Mühlhölzer. Uraufführung 2011 in München.

Eineinhalb Jahre recherchierten die beiden Freunde, Tobias führte die Interviews mit Raphaels Eltern. Was für Raphael Dwinger nicht möglich war, war auch für den Freund schwierig - schließlich hat er vier Holocaustüberlebende in der Familie.

Dwingers Leben nach 1945

Edwin Erich Dwinger ist nie verurteilt worden. Eingestuft wurde er ganz offiziell als „Mitläufer“. Er lebte nach dem Nazi-Regime einfach sein Leben weiter, stilisierte sich  in seinen Werken und Erzählungen gar zu einem Antifaschisten, zum Widerständler. Und noch heute wird er als „großer Sohn“ der Gemeinde Seeg im Allgäu in einer Ausstellung im örtlichen Heimatmuseum aufgeführt.

Doch wie geht es Raphael Dwinger ganz persönlich mit diesem Stück familiärer Vergangenheit? Und mit dem Gefühl, diese Gene in sich zu tragen? Und wie findet sein eigener Vater, der Sohn des Propaganda-Schriftstellers, diese Art der Vergangenheitsbewältigung? Hielt die Freundschaft von Raphael und Tobias der gemeinsamen Reise in die Vergangenheit stand? Rainer Maria Jilg fragt nach.


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