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Wasser macht die Seele leicht Therapeutisches Schwimmen für geflüchtete Frauen

Viele Flüchtlinge, die mit Schlauchbooten übers Mittelmeer gekommen sind, können nicht schwimmen. Wasser ist für sie eine lebensgefährliche Bedrohung. Das will der Verein "Komm" in Hersbruck ändern – mit einem Schwimmkurs für geflüchtete Frauen.

Von: Tanja Oppelt

Stand: 08.04.2020 | Archiv

Verein "Komm" in Hersbruck: Therapeutisches Schwimmen für geflüchtete Frauen

Marianne Ermann steht mit Bartul, 32 Jahre alt, im hüfttiefen Wasser. Die Sozialpädagogin hat die Syrerin fest an der Hand und geht mit ihr langsam durchs Nichtschwimmer-Becken. Bartul soll sich langsam ans Wasser gewöhnen. Und nebenbei gibt es eine kleine Deutschstunde. Die Sozialpädagogin gibt den Frauen keinen klassischen Schwimmunterricht. Sie spricht stattdessen von "Wassergewöhnung".

"Das Ziel ist nicht, schwimmen zu können oder sportlich schwimmen zu können, sondern das Ziel ist, dass die Frauen sich dem Wasser anvertrauen können. Auch wenn sie so schlimme Erlebnisse hatten, gerade so eine Überfahrt mit dem Schlauchboot, wo sie auch selbst große Angst hinter sich gebracht haben oder andere Menschen haben sterben sehen. Da braucht es dann einen Schritt, so dass man sich dem Wasser wieder anvertrauen kann."

Marianne Ermann, Sozialpädagogin

Die Angst vor dem Wasser nehmen

Erst wenn das Vertrauen in das nasse Element wieder da ist, beginnen die Frauen mit ein paar Schwimmzügen. Im flachen Wasser – dort, wo sie noch stehen können. Heute sind auch Dalin und Hanan, ebenfalls aus Syrien, und Ainur aus Kasachstan mit dabei. Einige der Frauen tragen einen Burkini, einen Ganzkörper-Badeanzug mit Kapuze. Im Burkini fühlen sich die muslimischen Frauen im gemischten Badebetrieb mit Frauen und Männern wohl. Am Anfang gab es ein paar neugierige Blicke, erzählt Marianne Ermann.

"Ich habe die Badegäste, die so geschaut haben, angesprochen und habe gesagt, das ist der offizielle Badeanzug für muslimische Frauen. Da haben sie gestaunt – und dann haben sie gesehen, wie wir den Vormittag über schwimmen lernen und Spaß miteinander haben und dann haben sie uns zugelächelt."

Marianne Ermann, Sozialpädagogin

Marianne Ermann und ihre Wasserschülerinnen gehen ins warme Außenbecken der Therme. Bartul lehnt am Beckenrand. Sie hat Rückenschmerzen. Marianne Ermann schiebt ihre Hände unter den Rücken der Syrerin und lässt sie auf dem Wasser schweben. Die 32-jährige Bartul kommt aus Aleppo. 2015 flüchteten sie und ihr Mann mit ihren drei Töchtern nach Deutschland.

"In Syrien war Krieg. Die Kinder konnten nicht in die Schule. Es gab kein Essen und nichts zu trinken. Ich hab nicht gut geschlafen wegen der Bombenangriffe. Immer kamen Flugzeuge, da hatte ich so Angst um meine Familie."

Bartul, geflüchtete Syrerin

Die Flucht: im Boot nach Griechenland ...

Bartuls zweitälteste Tochter stirbt mit fünf Jahren im Bombenhagel von Aleppo. Die Familie beschließt zu fliehen. Sie schlagen sich in die Türkei durch. Aber auch dort gibt es keine Zukunftsperspektive. Die Kinder können nicht in die Schule gehen. Die fünfköpfige Familie ergattert Plätze auf einem Boot nach Griechenland.

"In der Nacht haben wir auf das Boot gewartet. Um fünf Uhr in der Früh ging es los, alle sollten aufs Boot. Meine Familie und ich sind aufs Boot gegangen. Eine Stunde lang hatte ich Angst. Ich war zum ersten Mal auf einem Boot und auf dem Meer. Für das kleine Boot waren wir viel zu viele Menschen. Ich hatte Angst um die Kinder. Aber gottseidank sind wir alle angekommen."

Bartul, geflüchtete Syrerin

... zu Fuß ins Nürnberger Land

Danach war die Familie einen Monat lang zu Fuß unterwegs nach Deutschland. In einem kleinen Dorf im Nürnberger Land war die Flucht zu Ende. Bartul widmet sich zuhause den inzwischen fünf Töchtern, ihr Mann hat Arbeit in einem Imbiss gefunden. Beim ökumenischen Flüchtlingsverein "Komm" in Hersbruck hört Bartul von den Schwimm- und Wassergewöhnungskursen von Marianne Ermann. Zuerst sind die Schwimmbad-Besuche für die Syrerin nur eine willkommene Ablenkung.

"Ich bin fast immer zuhause. Ich bringe meine Kinder in die Schule, gehe in den Deutschkurs und dann wieder nach Hause. Dann muss ich immer an Syrien denken und an meine tote Tochter. Da ist es gut, ein bisschen schwimmen zu gehen. Das ist auch für den Körper gut. Ich habe Rückenprobleme. Und das ist guter und gesunder Sport für meinen Körper."

Bartul, geflüchtete Syrerin

Wasser macht die Seele leicht

Ein paar Schwimmzüge schafft sie schon alleine. Und Bartul will, dass ihre Kinder auch unbedingt schwimmen lernen. Die größeren Töchter haben schon Schwimmunterricht. Und auf deren Mutter wartet heute noch eine besondere Mutprobe. Marianne Ermann will mit der 32-Jährigen ins Schwimmerbecken. Dort stehen sie anfangs bis zum Bauch im Wasser. Marianne Ermann und Bartul laufen, bis ihnen das Wasser bis zum Hals steht. Bartul besteht die Mutprobe – das Wasser verliert für sie immer mehr seinen Schrecken. Und Marianne Ermann freut sich, dass die seelischen Wunden der Frauen und ihrer Kinder heilen.

"Wenn sie jetzt bei mir im Schwimmbad sind und sehen, dass ihr Kind, um das sie so viel Angst hatten, lustig reinspringt und wieder hochkommt, dann öffnet das die Seele der Frau."

Marianne Ermann, Sozialpädagogin


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