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Lippenbläschen und Genitalherpes Was hilft gegen Herpesviren?

Zwei Drittel der Weltbevölkerung sind laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO mit Lippen- oder Genitalherpesviren infiziert. Eine Ansteckung ist kaum vermeidbar.

Von: Katrin Bohlmann

Stand: 23.01.2023

Eine Frau gibt mit dem Finger Salbe auf eine Stelle an ihrer Lippe | Bild: picture-alliance/dpa

Herpes zeigt sich durch auffällige, schmerzhafte Bläschen. Zwei Drittel der Weltbevölkerung sind laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO mit Lippen- oder Genitalherpesviren infiziert. Eine Ansteckung ist kaum vermeidbar.

Experten:

Priv.-Doz. Dr. Dr. med. Alexander Zink, Leitender Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein Klinikum rechts der Isar Technische Universität München
PD Dr. Frank Neipel, Lehrstuhl für Klinische und Molekulare Virologie des Universitätsklinikums Erlangen

Eine Heilung ist nicht in Sicht. Während diese Herpesviren meist ungefährlich sind, kann das Epstein-Barr-Virus (EBV) folgenschwere Erkrankungen nach sich ziehen.

Dem Text liegen Gespräche zugrunde mit Priv.-Doz. Dr. Dr. med. Alexander Zink, Leitender Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein Klinikum rechts der Isar Technische Universität München sowie PD Dr. Frank Neipel, Lehrstuhl für Klinische und Molekulare Virologie des Universitätsklinikums Erlangen.

Herpesviren begleiten den Menschen seit Millionen von Jahren. Sie haben sich dem Menschen sehr gut angepasst. Herpes beginnt mit einem Kribbeln, dann spannt die Haut und kurze Zeit später sind Bläschen da. Insgesamt gibt es neun verschiedene humane Herpesviren. Die bekanntesten sind die Herpes-simplex-Viren des Typs 1 und 2 (HSV). Rund 85 Prozent der Deutschen sind mit HSV-Typ 1 infiziert, Auslöser für Lippenherpes. Das HSV2-Virus tragen bis zu 25 Prozent in sich. Es ist meist für Genitalherpes verantwortlich und wird hauptsächlich durch Geschlechtsverkehr übertragen.

Herpes ist eine Virusinfektion. Am häufigsten ist das Lippenherpes. Verantwortlich dafür sind die Herpes-simplex-Viren-Typ 1 (HSV-Typ 1). Bei vielen betroffenen Menschen taucht Lippenherpes mehrmals im Laufe des Lebens auf. Es sind schmerzhafte, nässende, juckende Bläschen, die nach circa sieben bis zehn Tagen meist problemlos abheilen. Die Bläschen verkrusten. Erst dann ist die Ansteckungsgefahr nicht mehr gegeben.

Genitalherpes wird meist durch Herpes-simplex-Viren-Typ 2 (HSV-Typ 2) ausgelöst, übertragen durch Geschlechtsverkehr. Bei Ausbruch bilden sich schmerzhafte Bläschen im Bereich der Geschlechtsorgane oder am After. Die Erkrankung ist hochansteckend. In der Schwangerschaft ist das Virus zwar nicht gefährlich für das Ungeborene, aber möglichweise für das Neugeborene, wenn es sich um eine Erstinfektion der Mutter handelt, die noch keine Antikörper hat. Die Symptome variieren. Neben den typischen Bläschen gibt es Appetitlosigkeit, Fieber, Kopfschmerzen, Müdigkeit. Juckreiz, Schmerzen beim Wasserlassen.

Herpes kann durch Tröpfchen- oder Schmierinfektion übertragen werden. Die meisten stecken sich schon im Kindesalter durch menschlichen Kontakt mit den Herpes-simplex-Viren an, zum Beispiel durch Küssen. Auch durch Niesen oder Benutzen infizierter Gegenstände wie Gläser und Besteck ist eine Ansteckung möglich. Einmal eingefangen, behält der oder die Betroffene das Herpesvirus ein Leben lang und wird es nicht mehr los.

"Das ist die Infektion mit einem Virus, das wenn man einmal damit infiziert ist, einen nicht mehr verlässt. Also, Herpes is for ever."

Frank Neipel, Lehrstuhl für Klinische und Molekulare Virologie des Universitätsklinikums Erlangen

Das Virus infiziert zunächst einmal die Epithelzellen an der Haut-Schleimhaut-Grenze, vermehrt sich dort und geht dann in die Enden der Nervenzellen. Es wandert in den Nervenknoten, wo die sensorischen Nervenzellen sitzen und da bleibt es dann. Da geht es in den Zellkern als DNA und bleibt für immer dort liegen. Denn die Nervenzellen teilen sich kaum. Sämtliche virale Genexpression, sprich Proteinproduktion, wird abgeschaltet. Dadurch sind die infizierten Zellen vom Immunsystem nicht mehr erkennbar.

War früher klassisch der Herpes-simplex-Virus Typ 1 verantwortlich für Lippenherpes und der Herpes-simples-Virus Typ 2 für Genitalherpes, hat sich diese Trennung mittlerweile aufgehoben.

"Es hat in den letzten Jahren durch veränderte Sexualpraktiken verschoben und dementsprechend sehen wir auch häufiger den Herpes-simplex Typ 1 im Genitalbereich. Das war früher eher eine Seltenheit."

Priv.-Doz. Dr. Dr. med. Alexander Zink, Leitender Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein Klinikum rechts der Isar Technische Universität München

Auslöser für Lippen- und Genitalherpes

Ist das Immunsystem schwach oder geschwächt, kann Herpes ausbrechen. Mögliche Auslöser sind: Stress, psychische Belastung, Schlafmangel, starke Sonneneinstrahlung (zum Beispiel beim Skifahren), Reizungen und Verletzungen der Haut wie Sonnenbrand oder Verbrennungen, Schwankungen im Hormonhaushalt durch Menstruation, Schwangerschaft und Stillzeit, Erkältungskrankheiten und schwere Erkrankungen.

Eine Herpesinfektion ist bis heute nicht heilbar. Lippen- und Genitalherpes heilt nach kurzer Zeit von selbst wieder ab. Mögliche Hilfen gegen die lästigen, schmerzhaften Bläschen sind Zinksalben, die die Bläschen schneller austrocknen lassen. Herpespflaster beschleunigen die Wundheilung. Virenhemmende Salben mit dem Wirkstoff Aciclovir können den Verlauf etwas verkürzen, wenn noch keine Bläschen aufgetreten sind. Die Salben sind rezeptfrei in der Apotheke erhältlich.

Bei schweren Fällen von Lippen- oder Genitalherpes verschreibt der Arzt meist Tabletten mit dem Wirkstoff Aciclovir. Über drei bis sechs Monate müssen unter ärztlicher Aufsicht ein bis zwei Tabletten täglich eingenommen werden.

"Bei Menschen, die mehrmals im Jahr eine Herpes-Reaktivierung haben, würde man eine Prophylaxe mit Aciclovir, also mit Medikament machen. Die verhindert, dass sich diese Viren vermehren und der Herpes ausbricht. Das funktioniert sehr gut."

Priv.-Doz. Dr. Dr. med. Alexander Zink, Leitender Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein Klinikum rechts der Isar Technische Universität München

Auch wenn der Wirkstoff Aciclovir allgemein gut verträglich ist, kann er Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit auslösen.

Ob Lippen- oder Genitalherpes: Wichtig ist, bei Ausbruch die Hygiene einzuhalten. Salben sollten immer nur mit einem frischen Wattestäbchen aufgetragen werden, regelmäßig Hände waschen. Bläschen sollten nicht berührt oder aufgekratzt werden, denn so können die Viren verteilt werden. Betroffene sollten darauf achten, nur aus einem eigenen Glas zu trinken, gebrauchte Handtücher, Geschirr und Besteck bei mindestens 60 Grad zu waschen oder zu spülen. Außerdem ist davon abzuraten, während eines Herpes-Ausbruch zu küssen.

Seit den 1960er-Jahren bekannt, wird es von vielen bis heute noch unterschätzt. Es verursacht das Pfeiffersche Drüsenfieber und kann sogar Krebs auslösen. Jedes Jahr sterben 200.000 Menschen an einer solchen Krebserkrankung. Es ist benannt nach dem britischen Pathologen Michael Epstein und der britischen Virologin Yvonne Barr, die zusammen in der Zellkultur eines Tumors Epstein-Barr-Viren nachweisen konnten.

Weit verbreitet – unterschätzter Erreger

Zu den Humanen Herpesviren (HHV) gehören neben den Herpes-simplex-Viren des Typs 1 und 2 unter anderem auch das Epstein-Barr-Virus (EBV). Es ist eines der am weitesten verbreiteten Viren der Welt. Mehr als 90 Prozent der Menschen infizieren sich im Laufe des Lebens mit EBV, so Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF). Im Gegensatz zu vielen anderen Erregern kann das menschliche Immunsystem das Virus nicht komplett vernichten. So bleibt es wie die Herpes-simplex-Viren ein Leben lang im Körper.

Auslöser für Pfeiffersches Drüsenfieber

Die Infektion erfolgt in der Regel im jungen Kindesalter, verläuft meist ohne Symptome und ist damit bei vielen folgenlos. Aber: Besonders bei Jugendlichen und jungen Menschen kann EBV Pfeiffersches Drüsenfieber auslösen. Symptome dafür sind: Fieber, Müdigkeit (Fatigue), Halsschmerzen und geschwollene Lymphknoten. Oft verläuft es harmlos und heilt rasch aus. In einzelnen Fällen kommt noch eine akute lebensbedrohliche Beteiligung weiterer Organe dazu, z.B. des Gehirns. Darüber hinaus kann die Milz anschwellen und ist dadurch leicht verletzbar.

Übertragung – Verlauf - Therapie

Das Epstein-Barr-Virus wird durch Körperflüssigkeiten, zum Beispiel Speichel, übertragen. Darum trägt das Pfeiffersche Drüsenfieber auch den Beinamen "Kusskrankheit" oder "kissing disease". In den meisten Fällen dauert die Erkrankung drei bis sechs Wochen. In der Zeit müssen die Erkrankten schonen. Bis heute gibt es kein Medikament, dass gegen das Virus hilft. Es können bisher nur die Symptome des Pfeifferschen Drüsenfiebers behandelt werden.

Multiple Sklerose und Krebs mögliche Folgen einer EBV-Infektion

Laut DZIF ist in der Folge eines Pfeifferschen Drüsenfiebers auch das Risiko für die Entwicklung einer Multiplen Sklerose, eines chronischen Erschöpfungssyndroms oder eines Hodgkin-Lymphoms erhöht. Schon länger ist bekannt, dass das Epstein-Barr-Virus bei verschiedenen Erkrankungen eine Rolle spielt. So ist EBV Ursache für weltweit rund 200.000 Krebserkrankungen pro Jahr.

DZIF-Wissenschaftler am Forschungszentrum Helmholtz München sind dabei, einen Impfstoff zu entwickeln, der in diesem Jahr in die klinische Prüfung gehen könnte.

Prof. Wolfgang Hammerschmidt von Helmholtz Munich und dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) stellt klar: "Dass das Virus in engem epidemiologischen Zusammenhang mit Multipler Sklerose steht, ist lange klar." Eine US-Studie von 2022 hat gezeigt, dass eine EBV-Infektion Voraussetzung für Multiple Sklerose sein könnte. "Das heißt aber noch nicht, dass es die Ursache ist."

Ein Impfstoff wäre nicht nur hilfreich, um das Pfeiffersche Drüsenfieber zu verhindern, sondern genauso zahlreiche Krebserkrankungen. Denn davon können auch Menschen betroffen sein, die bei der Infektion im Kindesalter kaum Symptome hatten.