Bayern 2 - Zeit für Bayern


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Madonna in der Diaspora? Maria und die lutherischen Franken

Die Verehrung für Maria trennte früher Katholiken und Protestanten rigoros voneinander. 500 Jahre nach der Reformation ist ein ökumenisches Umdenken zu spüren. Welche Rolle spielt die Marienverehrung für die evangelische Kirche in Franken heute?

Von: Patrick Obrusnik

Stand: 12.05.2017 | Archiv

"Es soll niemand weder die Jungfrau Maria noch Engel noch irgendwelche Heiligen anrufen, denn sie können niemandem helfen." Der böhmische Vorreformator Jan Hus formulierte diesen revolutionären Glaubensansatz – den ein Jahrhundert später Martin Luther konkretisierte.

Maria – für Luther nur Mensch

Für den Wittenberger war Maria zwar Jungfrau, aber eben auch nur Mensch. Bittsteller bei Gott könne allein Jesus Christus sein, so Luther. Und so verschwand die Marienverehrung aus dem Glaubensalltag der evangelischen Kirche – auch im überwiegend protestantischen Franken. Gottesmutter? Himmelskönigin? Evangelisch-lutherische Christen und Maria – wie passt das also zusammen?

"Also mir fehlt Maria nicht. Mutter Gottes, die Himmelskönigin – das ist etwas, das mir als evangelischer Frau ganz fremd ist. Mein Gottesbild ist umfassend, dass ich nicht noch neben Gottvater, Christus und dem Heiligen Geist eine mütterliche Gottesfigur brauche."

Gisela Bornowski, Regionalbischöfin von Ansbach-Würzburg

Der Kirchenkreis von Regionalbischöfin Gisela Bornowski zählt 400.000 evangelische Christen. Während diese in Westmittelfranken die Mehrheit stellen, ist Unterfranken Diaspora. Auf einen Lutheraner kommen dort drei Katholiken. Probleme in der Ökumene gebe es mit den Katholiken im Bistum Würzburg nicht. Auch nicht bei der Marienfrömmigkeit. Denn da halten es die meisten evangelischen Christen mit Luther.

Die Reformation in Franken

Luthers Lehre breitete sich seinerzeit in Teilen Frankens schnell aus. Vor allem die freie Reichsstadt Nürnberg erwies sich als Vorreiterin für den neuen Glauben. Erstes Zeugnis eines eigenständigen fränkischen Luthertums ist die Brandenburg-Nürnbergische Kirchenordnung von 1532, die die lutherische Lehre verständlich und verbindlich machte. Auch in den Markgraftümern Ansbach und Kulmbach-Bayreuth setzte sich die Reformation durch.

"Diejenigen, die sich der Reformation zuwandten, stellten sich gegen den Kaiser, hatten eigene politische Interessen, die sie durchsetzen wollten. Etwa kleinere Territorialherren, etwa im Umfeld der Fürstbischöfe von Würzburg, Ritter, die den Einfluss des Bischofs in ihrem Gebiet loswerden wollten, weil es da alte Herrschaftskonkurrenzen gab. Und die Reformation war ein nützliches Mittel, um sich gegen den Bischof zu stellen und Eigeninteressen durchzusetzen. Deshalb ist Reformation auch immer als territoriales Ereignis zu sehen."

Frank Kleinehagenbrock, Historiker und Lutherexperte der Universität Würzburg

Gegenreformation unter Julius Echter

Auch im Hoheitsgebiet der Fürstbischöfe von Würzburg setzte sich die Reformation fest. Historiker schätzen, dass bis zum Ende des 16. Jahrhunderts ein Drittel der Bevölkerung zum Luthertum konvertiert war. Die Lage ändert sich, als 1573 Julius Echter Fürstbischof von Würzburg wird. Er setzt den Rechtsgrundsatz des Augsburger Religionsfriedens mit harter Hand um: "cuius regio, eius religio" – "wessen Gebiet, dessen Religion".

Erst werden die Juden vertrieben, dann sind die Protestanten an der Reihe. 1585 fordert Echter protestantische Prediger und Lehrer auf, das Fürstbistum Würzburg zu verlassen. An die Bevölkerung ergeht der Befehl, zum katholischen Glauben überzutreten oder ebenfalls zu gehen. Innerhalb weniger Jahre werden 100.000 Menschen rekatholisiert.

Maria als Waffe

Um seine Herrschaft zu festigen, setzt Echter auch auf die Gottesmutter und Himmelskönigin Maria. Die Marienfrömmigkeit wird zur identifikationsstiftenden Waffe der Gegenreformation.

"Wir können etwa hier im Bereich Würzburg feststellen, dass sich Fürstbischof Julius Echter sehr um die Wallfahrten kümmert. Etwa in Dettelbach. Da können wir sehen, dass in der Zeit dieses Fürstbischofs diese Wallfahrt nicht nur dadurch gefördert wird, dass man Aufrufe hat zu dieser Wallfahrt. Sondern, dass man auch ein entsprechend prächtiges Gehäuse schafft, indem man dort die Wallfahrtskirche aufbaut."

Frank Kleinehagenbrock, Historiker und Lutherexperte der Universität Würzburg

"Marienland" Unterfranken

Kirche "Maria im Weingarten" bei Volkach

Heute finden sich entlang des "Marienwallfahrtswegs" durch das Bistum Würzburg allein 50 Wallfahrtsorte: darunter etwa die Würzburger Kirche "Mariä Heimsuchung" – auch als "Käppele" bekannt, "Maria im Weingarten" an der Mainschleife bei Volkach oder aber die erste Marienwallfahrtskirche des Bistums, "Maria im Sand" in Dettelbach.

Maria als Brücke

Die Marienverehrung – früher zog sie einen klaren Trennstrich zwischen Katholiken und Protestanten. Doch heute ist ein Umdenken zu spüren. Immer wieder zieht es auch Protestanten vor Marienbilder, wie etwa das berühmte Bildnis "Mariä Verkündigung" von Veit Stoss in der evangelischen Lorenzkirche in Nürnberg.

Welche Rolle spielt die Marienverehrung für die evangelische Kirche in Franken heute? Dieser Frage geht Zeit für Bayern-Autor Patrick Obrusnik nach und stellt dabei fest: Ob Gottesmutter oder Himmelskönigin – Maria bewegt die Menschen auch nach über 2.000 Jahren. Die einen beten sie an, für die anderen ist sie ein Vorbild in Glaube, Liebe und Gottvertrauen. Und Maria kann ein gemeinsamer Nenner sein, eine Brücke für die beiden christlichen Konfessionen.


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